Sigrid-Maria Größing

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der großen Aufgaben, welche er sich vorgenommen hatte, nahmen sein ganzes Denken und seine komplette Kraft in Anspruch, sodass er kaum merkte, wie sich die unzufriedenen Nachkommen seines Bruders gegen ihn formierten.

      Das Hauptaugenmerk des Habsburgers galt von Anfang an – und das konnten die Kurfürsten nicht übersehen – in allererster Linie der Vermehrung seiner Macht und seiner Gebiete. Und je mehr Albrecht seine Vorstellungen durchsetzte, umso mehr fühlten sich die sieben Wahlmänner in ihrer Bedeutung eingeschränkt. Allmählich erkannten sie, dass es Zeit war zu handeln, wollten sie nicht gänzlich ins Abseits geschoben werden. Um Albrecht in die Schranken zu weisen, kam für sie nur eine Möglichkeit in Betracht, dieselbe, die sie seinerzeit schon Adolf von Nassau gegenüber angewandt hatten: Sie mussten die Absetzung König Albrechts offiziell bekannt geben.

      Gründe für diesen Schritt ließen sich leicht finden, aber den Anlass zu dieser Aktion bot ihnen König Albrecht selbst: Denn völlig überraschend mischte er sich in die Erbstreitigkeiten in Holland, Seeland und Friesland ein. Der Regent dieser Gebiete war unerwartet kinderlos gestorben, und bevor noch andere ihre Hände nach diesen reichen Gebieten ausstrecken konnten, war Albrecht zur Stelle. Er sah die Stunde gekommen, seine Söhne mit diesen wirtschaftlich florierenden Gebieten zu belehnen. Die drei rheinischen Kurfürsten waren über diese Nacht-und-Nebel-Aktion, wie sie dies sahen, empört. Sie waren die Ersten, die im Jahre 1300 einen Bund gegen den König schlossen.

      Aber Albrecht war alles andere als ein Mann, der sich durch derlei Maßnahmen einschüchtern ließ. Er hatte es im Laufe der Jahre gelernt, Tag und Nacht wachsam zu sein und rechtzeitig alle Hebel in Bewegung zu setzen, um unvorhergesehene Situationen zu bewältigen. Er wusste, wie er den Nerv dieser drei Kurfürsten treffen konnte. Dazu war es notwendig, die rheinischen Städte, die einen neuen Machtfaktor bildeten, auf seine Seite zu bringen. Er kündigte offiziell an, dass er die Absicht habe, die Rheinzölle aufzuheben, eine Maßnahme, die den Handel der Städte in vielerlei Hinsicht erleichtern würde. Die Städte erwiesen sich, wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, als dankbar. In kürzester Zeit hatte er in ihnen nicht nur einen schlagkräftigen Bundesgenossen, sondern mit ihrer tatkräftigen Hilfe gelang es ihm auch, die Kurfürsten in die Schranken zu weisen.

      Auch mit dem Papst zeichnete sich endlich eine Gesprächsbasis ab, nachdem Bonifaz lange gezögert hatte, den Versicherungen Albrechts Glauben zu schenken. Aber er hatte dem Heiligen Vater gegenüber durch seine Prokuratoren 1303 den Treue- und Gehorsamseid geleistet, wodurch dem Papst die Hände gebunden waren. Er konnte nicht anders, er musste Albrecht endlich als deutschen König anerkennen, wollte er nicht das Gesicht verlieren. Bonifaz machte – wenn auch sicherlich zähneknirschend – gute Miene zu diesem leicht durchschaubaren Spiel und schickte eine Einladung an Albrecht, zur Kaiserkrönung nach Rom zu ziehen.

      Damit hatte Albrecht endlich, so wie es schien, alle Schwierigkeiten überwunden, endlich würde sein Traum in Erfüllung gehen. Er würde der erste Habsburger sein, der vom Papst in Rom gekrönt wurde. Aber bevor er noch den Romzug in allen Einzelheiten planen konnte, wurde Bonifaz, der auch innerhalb des Kardinalskollegiums auf Grund seines aufbrausenden, unberechenbaren Wesens umstritten war, bei einem Attentat so schwer verletzt, dass er innerhalb einer Woche starb.

      Es war für Albrecht beinahe schicksalhaft, dass er oft knapp vor Erreichung seiner angestrebten Ziele durch Fügungen des Schicksals um den Erfolg betrogen wurde. Vielleicht trug auch so manches in seinem Wesen dazu bei, dass er nicht die Popularität seines Vaters erreichte. Obwohl Albrecht sich durchaus als umsichtiger König bewährte und vieles zum Wohle der Bevölkerung durchsetzte, ließen seine Gegner nicht davon ab, alle möglichen Gerüchte über ihn zu verbreiten, die ihn in Misskredit bringen sollten. Und da der einfache Mann im Volk den König nur ganz selten leibhaftig zu Gesicht bekam, glaubte er natürlich alle Schauermärchen, die über den König berichtet wurden. Denn Albrecht war in den Augen des Volkes ein »Gezeichneter«, der im Bund mit dem Bösen stand. Die Menschen der damaligen Zeit waren nicht in der Lage, körperliche Gebrechen als etwas Natürliches, Bedauernswertes anzusehen, sondern glaubten darin die Ausgeburt der Hölle zu erkennen.

      Der König hatte sich im Jahre 1295 eine schwere Vergiftung zugezogen. Die näheren Umstände waren damals und sind auch heute unbekannt. Es konnte sein, dass die Köche des Königs nicht mehr ganz frische Zutaten verarbeitet hatten, oder aber hatte sich ein gedungener Mörder unter seine Leibköche gemischt und ihm in seine Speisen ein entsprechendes Mittel gemischt. Kurz nachdem Albrecht sein Mittagsmahl zu sich genommen hatte, wurde er von schweren Koliken befallen, deren Heftigkeit immer mehr zunahm, bis Albrecht schließlich das Bewusstsein verlor. Die eilig herbeigerufenen Ärzte waren sich in ihrer Diagnose uneins, als sie aber den beinahe leblos daliegenden König sahen, wandten sie purgierende und abführende Mittel an, um den besinnungslosen König wieder zu sich zu bringen. Als sie erkennen mussten, dass nichts mehr zum Erfolg führen würde, kam man auf die Idee, Albrecht an beiden Füßen verkehrt aufzuhängen, um den Körper zu zwingen das Gift von sich zu geben. Wie lange man den König so hängen ließ, ist nicht bekannt. Er kam wahrscheinlich während dieser unmenschlichen Prozedur zu sich, der übermäßige Druck aber zerstörte eines seiner Augen vollständig.

      Der König, von dem die Mär gegangen war, er wäre tot, war ab dieser Zeit einäugig. Eine Tragik, die man ihm als Makel auslegte, und überall, wohin er kam, flüsterte man entsetzt: »Hütet euch vor dem Gezeichneten!«

      Während König Albrecht sich mit neuen Plänen für die Festigung seiner Herrschaft im Westen beschäftigte und sich darüber Gedanken machte, wie er die Angehörigen der Eidgenossenschaft, in der sich einzelne Schweizer Orte zusammengeschlossen hatten, im Zaume halten konnte, da er erkannt hatte, dass diese Waldstättischen Schwurgenossen sich ihm gegenüber keineswegs freundschaftlich verhalten würden, traten schon die Männer zusammen, die seinen Tod bestimmt hatten. Rädelsführer war Albrechts eigener Neffe Johann, der Sohn seines früh verstorbenen Bruders Rudolf. Albrecht hatte zu diesem Neffen wahrscheinlich viel zu wenig Kontakt, als dass er erkennen konnte, wie zurückgesetzt sich dieser junge Mann fühlte. Obwohl er mit seiner Mutter aus dem Aargau nach dem Tod des Vaters nach Böhmen gezogen war, da seine Mutter eine Tochter von Přemysl Ottokar II. gewesen war, hatte er keine Chancen auf den böhmischen Königsthron, auf den er sich auf Grund seiner mütterlichen Verwandtschaft Hoffnungen gemacht hatte.

      Johann kehrte ins Reich zurück und versuchte über einflussreiche Männer zu erreichen, dass ihm Albrecht wenigstens die seinem Vater in der »Rheinfeldner Hausordnung« zugesagte Entschädigung auszahlte. Aber auch davon wollte Albrecht nichts wissen. Möglicherweise hatte er ganz andere Pläne mit dem Neffen, denn er hatte ihn 1307 in den habsburgischen Stammlanden als Mitregent eingesetzt. Was er nicht ahnen konnte, war, dass diese Position dem erst 17-jährigen Johann, der von Ehrgeiz zerfressen Tag und Nacht darüber sinnierte, wie er zu Macht und Geld kommen konnte, zu wenig war. Die Aufgaben, die er hier im Aargau im Auftrag seines Oheims zu erledigen hatte, befriedigten seinen Ehrgeiz in keiner Weise. Er wollte mehr! Ohne vorherige Ankündigung verlangte er von Albrecht in barscher Form die Herausgabe des Witwengutes seiner Mutter, angestachelt durch die Ratschläge des Straßburger Bischofs Johann I., der das aufbrausende Naturell Johanns schon bald erkannt hatte und sich so vor einem unbeherrschten unmittelbaren Nachbarn schützen wollte.

      Über die menschlichen Beziehungen zwischen dem König und seinem Neffen berichten die Chronisten der Zeit nichts. Wahrscheinlich hatte der König keine Ressentiments gegenüber Johann, sonst wäre er ihm nicht arglos begegnet. Denn Albrecht war keineswegs ein vertrauensseliger Mann, dazu hatte er im Laufe der bisherigen Jahre schon zu viel gesehen und erlebt. Aber Johann verstand seine Abneigung dem Oheim gegenüber geschickt zu verbergen und begegnete ihm unterwürfig, wenn man von Zeit zu Zeit zusammenkam, um die notwendigen politischen Maßnahmen für die nächsten Monate zu besprechen. Sicherlich gab Albrecht dem Neffen gute Ratschläge, wie er sich in bestimmten Situationen verhalten sollte, und dieser heuchelte, alles zur vollsten Zufriedenheit des Königs ausführen zu wollen.

      Es war Ende April, als Albrecht wieder einmal beschloss, sich in seine Stammlande zu begeben, um hier nach dem Rechten zu sehen, aber vor allem auch, um seine Gemahlin Elisabeth zu treffen.

      Es war ein langer, beschwerlicher Ritt gewesen, den er hinter sich hatte, als er endlich die Stadttürme von Winterthur erblickte. Hier wollte er sich für ein paar Tage