Sigrid-Maria Größing

AEIOU


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Sprache erlernt haben soll, die sie freilich zeitlebens mit Akzent sprach.

      Endlich landeten die Schiffe doch noch an der italienischen Küste, zwar nicht in dem vorgesehenen Hafen, aber dennoch in Livorno, unweit von Siena, wo der deutsche König unruhig auf seine Braut wartete. Die Tage vor der geplanten Hochzeit waren für Friedrich kein wahres Vergnügen. Die italienische Bevölkerung wollte nichts von ihm wissen und verschloss die Stadttore, weil man Schwierigkeiten mit den Begleittruppen des Habsburgers befürchtete. Es war immer riskant, fremdes Kriegsvolk, auch wenn es in friedlicher Absicht gekommen war, in die Stadt zu lassen, denn man wusste nie, wie es sich aufführen würde. Nur allzu schnell konnte aus einem kleinen Streit eine Welle der Gewalt hervorbrechen, die zu Brandschatzung und Plünderung führte. Die Soldaten vergaßen leicht, dass man eigentlich befreundet war, begannen zu rauben und zu morden und fielen über die Frauen her, und den Herrschern war es dann unmöglich, dem wilden Treiben Einhalt zu gebieten. Es dauerte lange, bis Friedrich die Stadtväter von Siena überzeugen konnte, dass er seine Braut nicht gut auf freiem Feld empfangen könne. Schließlich willigte man – aber nur der Braut zuliebe – ein, die Stadttore zu öffnen, bewachte aber den König und sein Gefolge misstrauisch auf Schritt und Tritt, selbst als Eleonore schon eingetroffen war.

      War man also dem Habsburger eher feindlich gesinnt, so eroberte die kindliche Portugiesin die Herzen des Volkes im Sturm. Jubel klang auf, wo sie sich zeigte, ihre Schönheit und ihr Charme bezauberten alle. Hätte Friedrich nur einen Funken Glut in sich verspürt, er hätte sie vor allem Volk an sich gezogen und herzlich geküsst. Nicht nur Eleonore wäre glücklich gewesen, auch die Menschen hätte er für sich gewonnen. Aber er konnte nicht aus seiner Haut, er war viel zu verschlossen, um vor aller Augen menschliche Regungen zu zeigen. Es wird berichtet, er habe am ganzen Körper gezittert, als er Eleonore begrüßte. Er scheute wohl davor zurück, vor den Augen der Menge etwas von seiner Person preiszugeben, sein Privatleben wie in einem Theater zu demonstrieren. Viel lieber hätte er in aller Heimlichkeit geheiratet, wenn es schon unbedingt sein musste. Aber eine solche Zurückhaltung entsprach nicht dem Stil der Zeit und den Anforderungen, die man an einen Herrscher stellte. Damals und auch noch lange Zeit danach galt das Privatleben des Herrschers als öffentlich, und in aller Öffentlichkeit wurden sogar Intimitäten ausgetauscht und auf das Schamgefühl vor allem der Frauen wenig Rücksicht genommen.

      Nach dem ersten Treffen zog sich Friedrich, wann immer es möglich war, vor seiner Braut zurück, vermied es, mit ihr allein zu sein und hasste das Spektakel, das man um sie machte. Die Städte Italiens glaubten sich an Festen überbieten zu müssen, die alle der jungen Braut galten; sie hatte die Herzen erobert und fühlte sich unter den warmherzigen, ungestümen Italienern wie zu Hause. Alles erinnerte sie an ihre ferne Heimat, der Gesang, das Temperament der Leute, die glühenden Blicke der Männer und das köstliche Essen. An der Seite des wortlosen, mürrischen Friedrich genoss sie bei herrlichem Wetter all diese Vergnügungen und vermisste seine Unterhaltung gar nicht, hätten sie sich doch ohnehin nicht verstanden.

      Die kirchliche Trauung sollte in Rom stattfinden, zusammen mit der Kaiserkrönung (Friedrich, als deutscher König der Vierte, war übrigens der einzige Habsburger und der letzte Kaiser, der nach alter Sitte in Rom vom Papst – es war Nikolaus V. – gekrönt wurde). Es war ein großer Tag für alle, die mit Friedrich nach Rom gekommen waren. Feierlich schritt der Papst die Stufen der Peterskirche hinunter, um den König zum Eintritt aufzufordern. Begleitet von den Würdenträgern des Reiches zogen Friedrich und der Papst langsam in den Dom ein. Laute Gesänge begleiteten ihren Weg, bis sich endlich Nikolaus auf seinem Thron vor dem Altar niederließ, umgeben von Kardinälen und Bischöfen. Eleonore und Friedrich hatten auf außerhalb des Altarraumes errichteten Tribünen Platz genommen. Beide sollten vor dem Mauritiusaltar vom Bischof von Ostia zwischen dem rechten Arm und dem Schulterblatt gesalbt werden, zuerst der König, dann seine Frau.

      Nach der Salbung führte man das Paar vor den Petersaltar. Mönche zogen dem König ein weißes Kleid über und warteten, bis der Papst ihm ein Schwert übergab, das Friedrich dreimal aus der Scheide zog und schwenkte. Darauf nahm ihm der Papst die Waffe aus der Hand und gürtete sie ihm um, worauf er ihm Reichsapfel und Szepter reichte. Alle hielten den Atem an, als der Papst nun aus den Händen von Friedrichs Bruder Albrecht die Krone des Reiches nahm und sie dem König aufs Haupt setzte. Krone, Szepter und Reichsapfel hatte Friedrich eigens aus Nürnberg nach Rom bringen lassen und sich außerdem, misstrauisch wie er war, noch extra eigene Insignien anfertigen lassen. Man wusste nie, was auf einem so langen und beschwerlichen Zug alles geschehen konnte.

      Unmittelbar nach der Krönung des Kaisers schritt der Papst auf Eleonore zu und krönte auch sie. Die Zeitgenossen berichteten ausführlich über den zauberhaften Anblick, den die liebreizende Prinzessin geboten habe, als sie die Krone aufs Haupt gesetzt bekam. Friedrich und Eleonore knieten nun im Gebet vor dem Altar, während die Gläubigen ein Bitt- und zugleich Dankgebet gen Himmel richteten. Dann erhob sich das Kaiserpaar und küsste dem Papst Hände und Füße. Kirchliche Würdenträger geleiteten die beiden auf ihre Plätze zurück.

      Nikolaus V. zelebrierte nun feierlich die Heilige Messe, wobei Friedrich ministrierte. Als der Segen über das Kaiserpaar und die Gläubigen erteilt worden war, verließen Friedrich und Eleonore getrennt den Petersdom. Die Kaiserin wurde in ihren Palast eskortiert, um sich von den Strapazen der Krönung auszuruhen, Friedrich hingegen trat seinen traditionellen Rundritt durch Rom an. Er hielt dem Papst ehrfurchtsvoll die Steigbügel und führte das Ross des Heiligen Vaters noch einige Schritte am Zügel; eine Szene, die den Zuschauern den Eindruck vermitteln musste, die Macht des Papstes triumphiere über die weltliche, und der jahrhundertelange Streit um die Vorherrschaft sei endgültig entschieden.

      Die Zeremonien waren damit noch lange nicht beendet. Papst und Kaiser ritten gemeinsam hinauf zur Engelsburg, der Kaiser mit der Krone auf dem Haupt, während das Volk in den Straßen jubelte. In der Engelsburg überreichte Nikolaus V. dem Kaiser die goldene Rose von Jericho, und Friedrich schlug dreihundert Adelige zu Rittern. Dann begab er sich auf den Weg zum Lateran, wobei es zu einer kritischen Situation kam: Zuschauer, die sich zu nahe an den Kaiser herandrängten, um ihn in seinem prächtigen, von Gold und Juwelen strotzenden Königsmantel besser zu sehen, ja vielleicht sogar berühren zu können, umringten sein Pferd. Friedrich fühlte sich bedroht, es kam zu einem Handgemenge zwischen seinem Gefolge und den Römern. Als die Situation gefährlich zu werden schien, gab Friedrich seinem Pferd die Sporen und sprengte durch die zurückweichende Menge davon.

      So viel über die Kaiserkrönung berichtet wurde, so wenig ist über die Eheschließung bekannt, die ebenfalls in Rom stattfand. Friedrich berührte diese Feier wenig, er gab sein Jawort, und damit war für ihn der Fall erledigt. Wahrscheinlich fürchtete er sich sogar vor der Hochzeitsnacht, denn nur so ist zu erklären, dass das Ehepaar auch nach der Hochzeit noch in getrennten Palästen wohnte und nicht mehr Kontakt hatte als vorher. Friedrich ging Eleonore nach wie vor aus dem Weg, wo er nur konnte, und die junge Frau wird es wohl auch nicht besonders zu dem griesgrämigen Sonderling hingezogen haben.

      Das Paar setzte seine Reise nach Neapel fort, wo ein Onkel Eleonores residierte. Das merkwürdige Verhalten Friedrichs seiner Frau gegenüber war nicht verborgen geblieben, und auch dem König von Neapel waren Gerüchte zu Ohren gekommen, der Kaiser habe die Ehe noch nicht einmal vollzogen. Kurz entschlossen nahm Alphons Friedrich ins Gebet, befragte ihn, wie es um die delikate Sache stehe und versuchte ihn zu überreden, sie wenigstens in Neapel hinter sich zu bringen. Aber der frischgebackene Kaiser hatte große innere Vorbehalte; er war von der Vorstellung beseelt, Eleonore unmöglich auf italienischem Boden zu seiner Frau machen zu können, da er befürchtete, hier einen »welschen Bastard« mit unbändigem Temperament zu zeugen. Der Himmel sollte ihn vor einem solchen Sohn bewahren! Aber Alphons gab nicht auf. Rauschende Feste und opulente Gastereien sollten den spröden Friedrich animieren, das Beilager mit seiner jungen Frau zu halten. Glanzvolle Bankette wechselten mit Schauspielen, Turnieren und Jagden. Aber all dies konnte die Vorurteile Friedrichs nicht zerstreuen, bis es dem König von Neapel schließlich zuviel wurde: Nach langen, eindringlichen Gesprächen erklärte sich Friedrich endlich bereit, am 16. April 1452 das öffentliche Beilager mit Eleonore zu halten. Mitten auf einem weiten Platz stellte man ein breites Bett auf, das Kaiser und Kaiserin in Anwesenheit des Königs von Neapel und des gesamten Hofstaates gemeinsam bestiegen, beide bis an den Hals bekleidet. Dann zog Friedrich kurz die Bettdecke über