erlaubte. Schon als junger Mann galt Friedrich als ungewöhnlich prüde, und man munkelte, er wolle gar nicht wissen, was man mit einem jungen Mädchen alles machen konnte. Da war sein Bruder Albrecht aus anderem Holz geschnitzt, der war ein Kerl aus Fleisch und Blut, der die Frauen nahm, wo er konnte, der sich mit Essen vollstopfte und mit Wein voll laufen ließ, bis er umfiel, der das Geld mit vollen Händen unters Volk warf, um es sich dann mit brutalen Mitteln wieder zurückzuholen. Die Leute nahmen ihm sein ausschweifendes Leben nicht übel, im Gegenteil: Albrecht war immer greifbar, im Gegensatz zu seinem älteren Bruder, er mischte sich unters Volk, er war ein Herr zum Anfassen. Er hätte herrschen sollen, nicht der verschlossene Spintisierer Friedrich. So dachten nicht nur die Anhänger Albrechts, so empfand auch er selbst und unternahm alles, um seinem Bruder das Leben schwer zu machen und selbst an die Macht zu kommen.
Friedrich war kein Kämpfertyp. Ihn interessierte nicht, was die Leute über ihn flüsterten; er vergrub sich in seine alchimistischen Versuche, ließ sich die Sterne deuten und war überzeugt, selbst einmal Gold machen zu können. Auf diese Weise konnte er natürlich keine Frau finden, und allmählich regte sich der Verdacht, der König würde überhaupt nie heiraten. Dass dies aber im Interesse der Dynastie ausgeschlossen war, das wusste auch Friedrich und ließ sich nach langen Überlegungen doch dazu überreden, auf Brautschau zu gehen. Es war vor allem der Herzog von Tirol, Siegmund (der Münzreiche), der Friedrich von den positiven Seiten einer Ehe zu überzeugen versuchte. Der Tiroler hatte beste Beziehungen zum burgundischen Hof, und Herzog Philipp III. von Burgund wiederum war mit dem portugiesischen Königshaus verwandt. Was lag also näher, als Fäden in diese Richtung zu spannen, noch dazu, wo man wusste, dass in Portugal Geld in Hülle und Fülle vorhanden war. Geld, das konnte den König locken, kämpfte er doch, solange er denken konnte, gegen ein Heer von Schuldnern.
Natürlich wussten sowohl der Herzog von Tirol als auch der Herzog von Burgund, dass sie den Habsburger in eine gewisse Abhängigkeit bringen konnten, sollte diese Heirat zustande kommen. Sie waren schließlich keine bloßen Wohltäter. Eines Tages würde Friedrich Kaiser werden; dann würde er sich erkenntlich zeigen müssen.
Friedrich war mittlerweile 32 Jahre alt geworden, hager, mit fahlem, dünnem Haar, das schlaff herunterhing und wahrscheinlich auch in seiner Jugend nicht üppiger gewesen war. Man sah ihm den Asketen an, das schmale Gesicht zeigte einen leidenden Ausdruck, von Lebhaftigkeit und Weltaufgeschlossenheit war nichts zu bemerken. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen war er schlank, verabscheute üppiges Essen, Völlerei war ihm in tiefster Seele zuwider, und an den Fress- und Saufgelagen, wie sie so üblich waren, nahm er nicht teil. Sicher war er selbst überrascht, dass sich die hübsche Prinzessin so rasch für ihn entschieden hatte – wahrscheinlich hatte er in seiner misstrauischen Art schon mit einem Korb gerechnet. Die Sache schien verdächtig; gab es vielleicht eine Fußschlinge, in der er gefangen werden sollte? Friedrich wollte keineswegs die Katze im Sack kaufen. Er hielt zwar ein Medaillon mit dem Bildnis Eleonores in Händen, aus dem ihm ein reizendes junges Mädchengesicht entgegenlachte, aber Leinwand war geduldig, wer garantierte ihm schon, dass die Prinzessin nicht verwachsen oder gar verkrüppelt war? Zwar hatte ihm ihr Onkel Pedro, den er in Wien persönlich kennen gelernt hatte, das Gegenteil versichert, aber konnte man ihm trauen, wenn es darum ging, eine Nichte an den zukünftigen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zu verheiraten?
Friedrich, der auf Nummer sicher gehen wollte, beauftragte zwei vertrauenswürdige Geistliche mit einer delikaten Mission: Sie sollten sich auf den weiten Weg durch das unsichere Europa machen, um die Braut in Augenschein zu nehmen und dann zu berichten, wie Eleonore wirklich beschaffen war. Der knauserige König gab den Boten allerdings so wenig Geld mit, dass die beiden ganz und gar nicht wie königliche Brautwerber auftreten konnten. Schmutzig und zerlumpt zogen sie ihres Weges, wurden zu allem Überfluss von Strauchdieben überfallen, die nicht wissen konnten, dass bei den beiden wirklich nichts zu holen war, und kamen endlich nach Portugal, wo man sie als verdächtiges Gesindel aufgriff und ins Gefängnis warf. Nur unter größten Mühen gelang es, dem portugiesischen König glaubhaft zu machen, dass diese abgerissenen Gestalten die Abgesandten des Habsburgers seien. Die beiden Geistlichen schworen alle Eide des Himmels, und schließlich erlaubte man dem einen, Jacob Mocz, den Ehevertrag »per procurationem«, als Stellvertreter Friedrichs, zu unterzeichnen.
Über die Prinzessin konnten die beiden nur Gutes berichten. Eleonore war ganz bezaubernd, mit makelloser Haut und glänzendem braunem Haar, allerdings ungewöhnlich klein und grazil, beinahe zerbrechlich, was fast als Fehler gelten konnte. Die Herrscher bevorzugten robuste Frauen, die jedes Jahr ein Kind zur Welt bringen konnten, ohne Schaden zu nehmen. Für den Fortbestand einer Dynastie war es wichtig, eine große Zahl von Erben zur Verfügung zu haben; der Tod raffte viele Nachkommen schon im Kleinkindesalter hinweg.
Nach ihrer Rückkehr waren die beiden Boten voll des Lobes über die Schönheit und Anmut der jungen Prinzessin und versicherten Friedrich, dass er keine bessere Wahl treffen könne. Aber um ganz sicher zu sein, wollte er auch noch die Sterne befragen: Der Hofastrologe musste ein genaues Horoskop erstellen. Was darin stand, erfüllte ihn mit Genugtuung: Eleonore war die richtige Frau für ihn.
Hektisches Leben erfüllte den Hof von Lissabon, als der Tag der Abreise festgesetzt war. Die Vorbereitungen für die große Reise wurden mit aller Sorgfalt getroffen, jedes Stück, das die Prinzessin in ihre neue Heimat mitnehmen sollte, wurde liebevoll ausgewählt, es sollte ihr an nichts mangeln. Ein Dutzend Schneider fertigte kostbare Kleider an, seidene Schuhe und Täschchen, alles passend, sollten die junge Frau schmücken. Auch Teppiche und weiche Kissen wurden auf die Schiffe verladen. Nach dem Auftreten der beiden bettelhaften Brautwerber war man wohl etwas unsicher, ob die Braut in Österreich nicht vieles entbehren würde.
Solange Eleonore noch zu Hause war, folgte ein Fest auf das andere. Die Heimat feierte sie zum letzten Mal; um zu zeigen, wie man sie liebte. Dichter verfassten neue Theaterstücke, in denen Mohren und Drachen die Hauptrollen spielten, wilde Männer kämpften gegen übermächtige Stiere, allegorische Gestalten versinnbildlichten die Zukunft der Prinzessin, bunte Bilder stellten dar, welch hohe Ehre ihr beschieden sei, da sie den zukünftigen Kaiser zum Mann bekommen würde. Eleonore, auf dem Balkon des Palastes stehend, genoss den Jubel und die Hochrufe, die ihr galten. Aber nur zu bald hieß es Abschied nehmen von den Gespielinnen, vom Bruder, von der Heimat. Eine kleine Flotte war ausgerüstet worden, die nun abfahrbereit im Hafen lag. Sie sollte Eleonore nach Italien bringen, wo ihr zukünftiger Gemahl sie erwartete. Die Fahrt ging die Küsten von Portugal, Nordafrika und Spanien entlang, wobei man sich nicht zu weit aufs Meer hinauswagte: nicht nur die Stürme auf offener See waren gefährlich, es war auch ständig mit Überfällen der Seeräuber zu rechnen, die überall im Mittelmeer ihr Unwesen trieben.
Für die junge Frau wurde die Seereise zum Alptraum. Zwar war die Jahreszeit günstig, aber der Wettergott hatte alle Prophezeiungen Lügen gestraft und schwere Stürme geschickt. Wie Nussschalen schaukelten die Schiffe auf den meterhohen Wellen, wurden hin und her geworfen, bis die Segel in Fetzen von den Masten hingen, und Eleonore und ihre Gefährten mussten froh sein, nicht über Bord gespült zu werden. Kaum hatte sich der Wind gelegt, kaum glaubte die Besatzung wieder Mut fassen zu können, als am Horizont schwarze Schiffe auftauchten: Piraten! So gut es ging, wehrte man sich seiner Haut, versteckte die Prinzessin, damit ihr nicht ein Leid geschehe, konnte aber nicht verhindern, dass die Räuber sich der Schätze bemächtigten, die Eleonore ihrem Mann als Mitgift überreichen sollte. Als der Spuk vorüber war, dankten die Reisenden dem Himmel, dass man mit dem nackten Leben davongekommen war. Von der stolzen Flotte war kaum etwas übrig, es fehlte an allem, vor allem an Trinkwasser, denn die meisten Wasserfässer waren schon in den Stürmen über Bord gegangen. Wie sollte man in der glühenden Sonne den quälenden Durst löschen? Allein die Weinfässer waren heil geblieben, und wollte man nicht verdursten, mussten sie angezapft werden, ein harter Schlag für die Prinzessin, die, obwohl sie aus einem Weinland stammte, dieses Getränk verabscheute.
Die Unglücksfälle und Missstände auf der langen Reise hielten die junge Frau so sehr in Atem, dass sie nicht dazu kam, ihr Vorhaben zu verwirklichen und die Sprache ihres Bräutigams zu erlernen. Sie war fest entschlossen gewesen, Friedrich mit deutschen Worten zu begrüßen. Dass der Bräutigam sich die Mühe machte, seine kleine Braut auf portugiesisch willkommen zu heißen, ist eher unwahrscheinlich. So sollten sich zwei grundverschiedene Menschen verbinden,