Sigrid-Maria Größing

AEIOU


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auch sein Neffe Johann geladen war. Der König war bester Stimmung, denn er freute sich in der Heimat zu sein und vor allem auf das bevorstehende Wiedersehen mit seiner Gemahlin. Als man genug gespeist und noch mehr getrunken hatte, kam Albrecht auf eine galante Idee: Zur allgemeinen Überraschung ließ er an die Gäste bunte Blumenkränze verteilen. Auch Johann wurde selbstverständlich ein Kranz überreicht. Kaum hatte er diesen in Händen, schleuderte er wutentbrannt das Gebinde von sich und rief zornig aus, dass er zu alt sei, um mit Blumen abgespeist zu werden. Er wolle endlich das bekommen, was ihm zustünde. Albrecht war genauso wie die übrigen Gäste von der Reaktion seines Neffen überrascht und versuchte Johann zu besänftigen. Aber der sprang auf und stürzte voller Zorn aus dem Saal.

      Mit einem Schlag war die gute Stimmung tiefer Bestürzung gewichen, wobei man aber noch nicht ahnen konnte, welche Tragödie sich am nächsten Tag abspielen sollte. Und als sich die Gäste verabschiedeten, wusste keiner, dass er den König zum letzten Mal lebend gesehen hatte.

      Albrecht zog am 1. Mai 1308 mit seinem Gefolge weiter. Als er aber an den Zusammenfluss von Aare und Reuß kam und sich schon zu Hause fühlte, entließ er seine Getreuen, um die letzte Strecke, die ihm von Kindheit an so vertraut war, ganz allein weiterzureiten. Plötzlich stürmten Reiter auf ihn zu, unter denen er seinen Neffen Johann erkannte. Albrecht ritt nichts Böses ahnend der Gruppe entgegen um sie zu begrüßen. Bevor er aber noch ein Wort sagen konnte, traf ihn schon der erste Hieb, den Johann ausführte und der dem König den Schädel spaltete. Um bei der Ausführung seiner Tat auf Nummer sicher zu gehen, hatte Johann noch Rudolf von Wart, Rudolf von Balm, Walter von Eschenbach und Konrad von Tegerfeld angeheuert, die ebenfalls auf den vom Pferd gestürzten König einstachen. König Albrecht hatte nicht die geringste Chance gehabt, diesem Mordanschlag lebend zu entkommen. Als Johann und seine Mordgesellen den Rossen die Sporen gaben, lag Albrecht tot in seinem Blut.

      Die Verwirrung im Reich, die durch die Freveltat Johanns entstanden war, war zunächst riesengroß. Viele empfanden unverhohlene Freude über die Ermordung des unbeliebten Königs, der die Rechte der Adeligen, wo es nur gegangen war, geschmälert hatte. Diese Leute fühlten sich von einem Unterdrücker befreit und konnten Johann nicht genug danken. Andere wiederum weinten bittere Tränen und verurteilten den Königsmord zutiefst als das größte Verbrechen, das Menschen begehen konnten.

      Johann, der den Beinamen »Parricida« (Königsmörder) erhielt, hatte es vorgezogen, nicht die politischen Reaktionen abzuwarten, sondern sich durch Flucht einem Gerichtsverfahren zu entziehen. Dabei dauerte es bis September 1309, bis die offizielle Achtung des Königsmörders in Speyer durch den neuen König Heinrich von Luxemburg bekannt gegeben wurde. Zu dieser Zeit weilte Johann jedoch wahrscheinlich schon in einem Kloster in Pisa, wo er wie ein Gefangener gehalten wurde, denn auch hier wurde er als Mörder zutiefst verachtet. Jahre später soll er sich angeblich an König Heinrich von Luxemburg wegen einer Begnadigung gewandt haben.

      Die Familientragödie im Hause Habsburg stürzte das Reich erneut in große politische Schwierigkeiten. Das zukunftsweisende Werk, das vor allem zu einer großen Verwaltungsreform geführt hätte, das Albrecht I. begonnen hatte, blieb unvollendet. Persönliche Gier eines ungeduldigen jungen Mannes nach Macht und Besitz hatten die Habsburger über ein Jahrhundert zur Bedeutungslosigkeit im Reich absinken lassen. Es dauerte lange, bis sie sich von diesem schweren Schlag erholten.

       Zum Kaiser nicht geboren

      FRIEDRICH III.

      Ein bildhübsches junges Mädchen war sie, die portugiesische Königstochter Eleonore, verwöhnt, bewundert und geliebt. Ein Mädchen, von dem die europäischen Prinzen nur träumen konnten, denn es brachte außer Schönheit auch noch Geld mit in die Ehe: Eleonores Elternhaus war der Palast König Eduards des Bekenners, eines der reichsten Herrscher von Europa.

      Was mag wohl in der kapriziösen Prinzessin vor sich gegangen sein, als sie bei der Nachricht, der Habsburger König Friedrich habe um sie geworben, den folgenschweren Ausspruch tat: »Den will ich und sonst keinen!« Die junge Eleonore hatte damit ihr weiteres Schicksal festgelegt, wohl aus einer augenblicklichen Laune heraus, denn hätte sie gewusst, was eine Ehe mit dem eingefleischten Junggesellen bedeutete, hätte sie wohl nie und nimmer so entschieden.

      Eleonore hatte zwar als kleines Kind politische Wirren und Intrigen miterlebt, dann aber unter der Obhut ihres Bruders ein Luxusleben ohne Sorgen und Nöte führen können. Ihr frühes Leben war von düsteren Schatten umwölkt gewesen: ihre Mutter hatte sich in Portugal nie wohl gefühlt und sich auch an ihren Mann nicht gewöhnen können. Nach Eduards überraschendem Tod im Kampf war sie eines Tages spurlos verschwunden. Zurück blieben minderjährige Kinder, die das Glück hatten, dass sich ihr Oheim gewissenhaft und liebevoll um sie kümmerte, nachdem er die Regierungsgeschäfte übernommen hatte. Und nun war die kleine Prinzessin am Hofe ihres Bruders Alphons umschwärmter Mittelpunkt; die Kavaliere machten ihr verliebte Augen, waren charmant und ritterlich und erwiesen ihr jede nur mögliche Aufmerksamkeit. Sie konnte haben, was ihr Herz begehrte, und zu allem Überfluss schien ihr das Schicksal noch eine besondere Gunst zu erweisen: der Mann, der eines Tages die Kaiserkrone tragen sollte, warb um ihre Hand. Mit ihm Kaiserin zu werden – welch verlockende Aussicht! Der Kaiser war der wichtigste Mann in Europa – was war dagegen die Krone Frankreichs? Denn auch der französische Dauphin hatte durch Boten seinen Wunsch übermitteln lassen, die Prinzessin zu ehelichen. Frankreich! Das Land besaß für Eleonore keinen Reiz, es war zu bekannt und zu nahe. Die Ferne lockte sie, in ihren Jungmädchenträumen erschien der fremde Mann in Österreich geheimnisvoll anziehend. Was konnte ihr der spätere französische König schon bieten? Luxus? Den war sie ohnehin gewöhnt, und dass man in Frankreich noch mehr Komfort haben könnte als am heimatlichen Hof, davon machte sie sich keine Vorstellung. Das Land am Atlantik war durch den Überseehandel reich geworden, und die Seefahrer hatten aus den fernen Ländern mitgebracht, was man nur erträumen konnte. Kostbare Teppiche aus dem Orient bedeckten die Marmorböden in den Palästen, Seidentapisserien zierten die Wände, wohlig konnte man sich in den weichen Kissen räkeln und köstliche Süßigkeiten genießen, wie sie dem gemeinen Volk noch lange verwehrt bleiben sollten. Auch in Frankreich sollte es dies alles geben, so war Eleonore berichtet worden, auch die französischen Adeligen wussten zu leben und sorgten durch Turniere und andere Lustbarkeiten für Abwechslung. Aber all das war der Prinzessin bekannt, das barg kein Geheimnis für sie: so wie sie ihr bisheriges Leben geführt hatte, so würde es auch sein, wenn sie dem Dauphin die Hand reichte.

      Wie oft mag Eleonore in ihrem späteren Leben an der Seite eines langweiligen, eigenbrötlerischen Mannes ohne Humor und ohne Charme, als sie im düsteren, kalten Palast in Wiener Neustadt die Tage verrinnen sah, an die Entscheidung gedacht haben, die sie so leichtfertig als fünfzehnjähriges halbes Kind getroffen hatte! Oft mag sie ihre Worte unter bitteren Tränen bereut und sich nach dem fröhlichen, abwechslungsreichen französischen Hof gesehnt haben, wenn sie in einsamen Nächten wach lag und die Stunden zählte. Und dabei hatte sie selbst entschieden! Das konnten nicht viele heiratsfähige Königstöchter zu ihrer Zeit. Meist schlossen die Eltern die Eheverträge, und den Töchtern blieb nichts übrig, als sich wohl oder übel zu fügen, mochte der zugedachte Mann noch so alt und hässlich sein. Eleonore hatte selbst gewählt, und der Mann ihrer Wahl war wohl selbst erstaunt darüber, dass seine Werbung sofort ihre Zustimmung gefunden hatte.

      Friedrich, zu Königsehren dadurch gekommen, dass sein Neffe, der junge Ladislaus Postumus, nach dem frühen Tod seines Vaters Albrecht V. noch nicht regierungsfähig war, war alles andere als ein attraktiver Mann, der ein junges Mädchen hätte betören können. Für seine Zeit ungewöhnlich groß, überragte er die meisten seiner Zeitgenossen um Haupteslänge und schritt wohl deshalb leicht vorgebeugt durchs Leben. Schon von weitem wirkte er missmutig, ja griesgrämig. Für Freundschaften hatte der misstrauische Mann wenig übrig, und für Liebschaften überhaupt nichts. Man wunderte sich schon am Hof über ihn, dass er sich so gar nicht für die charmanten Frauen erwärmen konnte, von denen so manche versuchte, sein Herz zu gewinnen. Aber keiner war es bisher gelungen, den eisernen Hagestolz aus der Reserve zu locken. Im Gegenteil, er verurteilte das lockere Leben der jungen Adeligen, die vor ihrer offiziellen Verheiratung reichlich Erfahrung in den Betten willfähriger Damen sammelten und auch nach dem heiligen Sakrament ihr Treueversprechen nicht