Klaus Barski

Sweet Florida Keys


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«Vielleicht möchte ich kein Liebesgedicht von dir.»

      «Du würdest etwas verpassen. Meine Gedichte strotzen nur so vor Leidenschaft und Liebesschwüren.»

      «Bisher hat mir keiner ein Gedicht geschrieben», sagte sie und summte ihr «Du schwarzer Zigeuner».

      Am Waldrand angekommen, setzten wir uns ins Böschungsgras. Ihr Kleid schob sich dabei so weit hoch, daß ich die weißen, verlockenden Innenseiten ihrer Oberschenkel sehen konnte. Mir wurde ganz warm.

      «Willst du mit mir gehen?» fragte ich ohne Umschweife.

      Sie errötete, guckte verlegen zu Boden, nahm einen Grashalm in ihren schnuckeligen Mund und stammelte: «Vielleicht … Ja, doch.»

      «Dann mußt du mich küssen», sagte ich und legte meinen Arm auf ihre Schulter.

      «Küssen?» sagte sie überrascht und schob meinen Arm sanft beiseite. «Ich habe noch nie einen Mann geküßt.»

      Sie stand auf, rief ihren Hund und lief ganz schnell hinunter zur Aue-Schleife. Ich war von ihrer Reaktion überrumpelt worden und brauchte einen Moment, bis ich sie verfolgte und dann einholte. Da blieb sie plötzlich abrupt stehen und küßte mich blitzschnell auf die rechte Wange … Lachte hell auf und lief weiter.

      «Ich muß pünktlich zu Hause sein. Auf Wiedersehen, Peter!» rief sie und war verschwunden.

      Ich rief ihr entrückt nach: «Ich liebe dich!»

      Als ich meinen Eimer holte und nach Hause ging, jubelte alles in mir. Ich war wie von Sinnen. Zu Hause setzte ich mich aufs Sofa, holte Papier und Bleistift und fing an zu dichten.

      Gegenüber von uns auf der Birkumstraße stand das Möbelhaus Krawitz. Ein langgestrecktes, eingeschoßiges Gebäude mit vier Schaufenstern. Über jedem Fenster stand mit blauer Schreibschrift «Möbelhaus Krawitz». Also viermal. Das machte Eindruck. Der Krawitz war wer in Birkum.

      Jeden Nachmittag gegen vier Uhr fuhr Krawitz’ Geselle den vorher sorgfältig gewaschenen, auf Hochglanz polierten schwarzen 180er-Mercedes vor das Haus. Der alte Krawitz und seine Frau Emmi traten feierlich auf die Straße. Er in einem grauen Maßanzug und sie im eleganten Kostüm. Bei diesem Abfahrtsritual stellte sich das erfolgreiche, satt aussehende Paar vor das Gebäude und musterte befriedigt die Schaufenster.

      Dann ging der alte Krawitz zum Mercedes und öffnete seiner Frau die rechte Tür. Sie stieg kokett ein, und er schloß sorgfältig zu. Dann er, umständlich, auf der Fahrerseite. Der Motor wurde gestartet, und sie fuhren ab, zum Strandcafé. Dort war der beste Tisch, mit Aussicht zur Wesermündung, für sie reserviert. Für eine kleine Kaffee-und-Kuchen-Orgie.

      Am Wochenende, wenn Mutti zu Hause war, beobachtete sie, hinter der Gardine versteckt, die Krawitz-Abfahrt. Jedesmal sagte sie überwältigt: «Der Krawitz, der stellt was dar. Das sieht man solchen Leuten schon im Gesicht an, daß sie wer sind!»

      Der junge Krawitz war ein Großmaul und Angeber. Als verhätscheltes Kind vermögender Eltern kannte er den Mangel an Kleingeld nicht. Er besaß alles, wovon ich nur träumte: Fahrrad, Fernlenkauto, Filmprojektor, Mikroskop, eine Voigtländer-Kamera und sogar eine Sammlung richtiger St. Pauli-Fickfotos. Die hatte er einem Schiffszimmermann abgekauft, und gegen entsprechendes Honorar verlieh er sie an uns junge, sexhungrige Kerle. Oftmals nahm er mich gönnerhaft mit in die Wohnung der Eltern. Ich durfte für ein paar Stunden an seinem Besitz teilhaben. Davon träumte ich tagelang und kroch ihm dafür ganz schön in den Arsch.

      Familie Krawitz hatte sogar ein Dienstmädchen. Wie die reichen Leute im Kino. Das Dienstmädchen trug eine Spitzenhaube und eine weiße Schürze mit Rüschen. Sie nannte Frau Krawitz respektvoll «Chefin».

      Der junge Krawitz hielt sich auch schon für ’nen Chef und kommandierte ständig die anderen herum. Alle mußten nach seiner Pfeife tanzen. Das stand ihm einfach zu.

      «Peter», sagte er oft zu mir, «auf der Welt gibt es nur zwei Typen: die Macher und die Arschlöcher. Schade, du wirst wohl zur zweiten Gruppe gehören.»

      Ich sagte nichts dagegen. Daß er ein Großmaul war, war für mich nur eine Art Krankheit. Im stillen wußte ich: Irgendwann werde ich es schaffen und es allen in Birkum zeigen!

      In meinen Träumen war ich bereits Bewohner der Aue-Allee. Mein Umzug war lediglich eine Frage der Zeit.

      Mit feurigem Herzen schrieb ich mein Gedicht «Liebesschwur für eine Göttin!» fertig. Es gefiel mir gut. Aber wie würde sie es finden?

      Ich kaufte im Schreibwarenladen ein teures Blatt «Elefantenhaut». Sorgfältig schrieb ich die sechzehn Zeilen in Schönschrift drauf. Der letzte Satz lautete:

      Und lieb dich voller Leidenschaft

       Bis hin zur letzten, ew’gen Nacht!

      Ich steckte das Gedicht in einen Umschlag und nahm es am nächsten Tag mit zur Schule. Vorne am Tor wartete ich mit klopfendem Herzen auf Sie.

      Dann kam Meta, die «blonde Göttin», kichernd angeschlendert, Arm in Arm mit ihrer besten Freundin, der dicken, lustigen Veronika.

      Ich drückte ihr den Umschlag mit den hastigen Worten «Für dich, Geliebte!» in die Hand und rannte wie ein Besessener in das Schulgebäude.

      Vom Klassenfenster aus beobachtete ich dann heimlich die beiden. Sie verzogen sich in eine Ecke des Schulhofs und öffneten neugierig den Umschlag. Meta las Veronika mein Gedicht vor, und beide kicherten aufgeregt. Meta faltete das Blatt sorgfältig zusammen und steckte es in ihre Schultasche.

      Es hat ihr gefallen, sagte ich mir. Ich merkte, daß ich mich regelrecht nach ihr verzehrte. Das mußte wahre Liebe sein …

      Ein paar Minuten vor Unterrichtsbeginn kam Meta in die Klasse. Ich saß hinten in der letzten Bank. Sie vorne in der zweiten. Gott, sah sie wieder schön aus!

      Sie lächelte und nickte mir unauffällig zu.

      Himmel, sie nahm meine Liebe an! Meta … Süßes!

      Aus Mutters Blumenvase klaute ich eine Rose, und am Nachmittag saß ich auf der Böschung der Aue-Schleife. Dort wartete ich mit der Rose in der Hand und träumte von Metas blauen Augen, ihrem goldenen Haar, ihrem Schmollmund, ihrem …

      Und dann stand sie auf einmal vor mir, glücklich lächelnd, wie ein Engel. In weißer Bluse und weißem Rock.

      Ich reichte ihr die Rose. Sie nahm sie und legte die Blüte an ihre Lippen. Dabei summte sie «Du schwarzer Zigeuner». Ich fand das Lied gar nicht mehr so beschissen …

      Dann balancierte sie langsam über die blanken Steine des fast ausgetrockneten Flusses.

      «Wozu die Rose?» fragte sie mich mit unschuldigem Augenaufschlag.

      «Ein Zeichen meiner Liebe», sagte ich und balancierte hinterher.

      Als ich sie am anderen Ufer erreichte, hielt ich sie fest, drehte sie zu mir und küßte sie. Meine Zunge drang in ihren Mund ein. O köstliches, berauschendes Spiel … Ich faßte ihr behutsam unter die Bluse und streichelte zärtlich ihre Brust. Sie ließ es geschehen. Wir spürten unsere Wärme und hämmernden Herzen. Ich drückte sie vorsichtig in das hohe Böschungsgras, um noch mehr, noch leidenschaftlicher von ihr zu kosten. Glück, trunkene, süße Illusion, Moment der höchsten Glückseligkeit, bleib doch für immer!

      Danach verbrachten wir jede freie Minute zusammen. Immer häufiger ging ich nach der Schule zu Meta nach Hause, um gemeinsam mit ihr Schularbeiten zu machen.

      Ihre Mutter sah genauso aus wie Meta, nur zwanzig Jahre älter. Sie war von meinem Erscheinen amüsiert. Wahrscheinlich, weil sie zwei Töchter im Haus hatte, und ein junger Kerl darum etwas ganz anderes, besonderes war.

      «Was willst du machen, wenn du mit dem Abi fertig bist?» fragte sie mich.

      Meta sah neugierig zu mir rüber.

      «Journalist will ich werden. Ich fange als Volontär beim Bremerhavener Tageblatt an», erwiderte ich, überzeugt, dort Karriere zu machen. «Als Hobby schreibe