Nicholas Mailänder

Er ging voraus nach Lhasa


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auf, jeder für sich eine Scercen-Eisnase.“23

      Am 16. September erreichten Beigel, Kraus und Bauer die Gratschneide des Sporns und hackten sich dann zwei Tage lang einen Weg um und über die Eistürme des horizontalen Gratstücks. Bauer und Beigel kämpften sich den darüber liegenden Steilaufschwung hinauf. Weiter oben sah sich selbst der hartgesottene Eugen Allwein – damals einer der weltbesten Eiskletterer – einem unlösbar scheinenden Problem gegenüber:

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      Die Ostwand des Kangchenjunga. Der Nordostsporn zieht schräg rechts hoch zum Nordgrat.

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      Die Expeditionsmannschaft (v. l. n. r.): Peter Aufschnaiter, Wilhelm Fendt, Paul Bauer, Joachim Leupold, Alexander Thoenes, vorne: Eugen Allwein, Col. Tobin, Karl von Kraus.

      Derartige Kühnheit war im Höhenbergsteigen ein Novum: Paul Bauer und seine Freunde lösten die Probleme im Himalaya mit derselben Unverfrorenheit, mit der sie daheim in den Alpen die abweisendsten Eiswände angingen. Dazu kam, dass jeder Meter des Aufstiegs für die Träger begehbar gemacht werden musste. Das bedeutete mühsamen Wegebau auf einer Meereshöhe von 5500 und 6500 Metern! Fixseile wurden keine eingesetzt. Deshalb wurden die Träger durch ihre „Sahibs“ sowohl im Auf- als auch im Abstieg sorgsam gesichert.

      Damit waren die großen technischen Schwierigkeiten des Aufstiegs überwunden. Peter Aufschnaiter notierte, wie es dann weiterging:

      Mittwoch, 2. Oktober

      Wir gehen alle mit Ketar und Pasang ohne Bauer nach Eislager III. Der Lawinenhang ist tief verschneit. Alisi [Allwein] geht voraus. Ich gehe sehr langsam. Im EL III starker Wind. Zelt aufschlagen. Gleich in die Schlafsäcke.

      Donnerstag, 3. Oktober

      Kraus und Alisi gehen nach oben, kehren bei 7400 m um und kommen ganz kaputt zurück. Eishöhlenbau. Nachmittag kommt Bauer, Beigel mit Lewa und Cheten. Wir ziehen in die Eishöhle um. Sie mussten ganz neu spuren.

      Zwei Tage harren Aufschnaiter und seine Freunde in der Eishöhle aus.

      Sonntag, 6. Oktober

      Windig. Unten dichte Wolkendecken, oben Schleier. Beigel und ich gehen nach unten. Beigel soll nach Nepal. Ich soll Proviant nachschieben. Es ist ziemlich windig und neblig. Tiefes Spuren. Besonders am Horizontalstück vor dem Steilhang. Der Steilhang bricht ab, als Beigel mit den Überschuhen hineinsteigt. […] Im EL II ist kein Proviant außer etwas Tee und Schokolade. In der Nacht schneit es die Höhle zu.

      Montag, 7. Oktober

      Dass der Rückzug der Expedition nach diesem furchtbaren Wettersturz geordnet vollzogen wurde und ohne Unfall über die Bühne ging, ist eine der größten Leistungen im Himalaya-Bergsteigen.

      Die Engländer hatten sehr gut erkannt, was Paul Bauer und seine Leute am Kangchenjunga vollbracht hatten, und feierten die deutsche Mannschaft, als hätte sie den Gipfel erreicht. Bedeutende britische Blätter wie die London Times und der Manchester Guardian hatten ausführlich und an prominenter Stelle über das Unternehmen berichtet.

      Der