Michael Donkor

Halt


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etwas zu sagen. Für den Fall, dass ich was Verkehrtes sage. Oder etwas, das ihnen nicht gefällt. Und dieses komische Geräusch von Amma macht die Sache nicht besser. Wa te

      »An deiner Stelle würd ich so eine Wissenschaftlerlupe nehmen und sie damit angucken.«

      »Immer noch so albern, he?«

      »Du bist albern, wenn man’s genau nimmt. Was soll das? Du sitzt einfach da und fragst sie nicht mal, warum sie sich so aufführt?«

      »Würde sie mir überhaupt antworten? Braucht sie ja nicht.«

      »Liebe Schwester, wenn jemand so eisern schweigt, muss man sich eben etwas einfallen lassen. Schleich dich irgendwie bei ihr ein, um sie zum Reden zu bringen«, zischte Mary. »Ständig bekomm ich zu hören, dass du die Schlauste bist, weil du noch die alte Schulbildung abgekriegt hast. Aber die ist dir im Flugzeug wohl aus dem Kopf gefallen.«

      »Und was weißt du schon von Flugzeugen? Ach, jetzt fällt’s mir wieder ein: Du jettest ja ständig um die Welt, wie eine Miniausgabe von Naomi Campbell.«

      »Aboa!« Mary lachte. Aboa war auch Mutters Lieblingsschimpfwort; mit diesem Schimpfwort hatte Belinda an dem Abend gerechnet, als Mutter nach der Arbeit in ihr Zimmer getorkelt kam und auf dem Kissen verkohlten Stoff vorfand. Wie dämlich von Belinda, auf eine solche Gemeinheit zu warten. Natürlich hatte Mutter nur stumm das Aschehäufchen vom Kissen gewischt und war dann zur Spüle getappt, um sich das schwarze Zeug von den Händen zu waschen. Belinda wusste noch, wie sie dem Wasser gelauscht hatte und dem Schrubben des Schwamms, und dachte, jetzt ist Mutter nicht mehr zu helfen, allem Waschen zum Trotz.

      »Nie. Wieder. Mary. Lass die Schimpfwörter sein.«

      »Das soll ein Schimpfwort sein? Ich hab noch viel bessere auf Lager.«

      »Versprich mir, dass du’s sein lässt. Sonst hält man dich für verkommen, und das bist du nicht. Du bist ein anständiges Mädchen. Versprochen? Nie wieder.«

      »Jetzt tu nicht so dramatisch und red endlich mit dem Mädchen. Ich will mehr über sie wissen. Wenn du das nicht endlich packst, hätte ich dir nie erlauben sollen, von hier wegzugehen. Das ist doch für uns alle nur Zeitverschwendung, wenn du nichts Interessantes herausfindest.«

      »Maame? Du willst mir das erlaubt haben?!«

      »Agoo! Me pa wo kyew, agoo

      Das Geschrei der Schreinerstochter im Hintergrund, während Mary vor sich hin gluckste, ließ Belinda noch breiter lächeln. »Grüß Afua von mir, w –«

      »Ich mach Schluss, weil meine kleine Freundin jetzt mit mir eine Pause einlegt. Sie hat ein paar kleine Jungs in Sokoban verprügelt, die ihr nachgerufen hatten, sie wär hässlich oder sowas, und hat aus Rache ihren Fußball mitgenommen. Und so können wir jetzt Ball spielen. Er ist ein bisschen oll und kaputt, was erklärt, warum die Jungs sich nicht richtig gewehrt haben, als ausgerechnet ein Mädchen ihnen den Ball weggenommen hat. Was soll’s. Du und ich hatten nie einen Ball, stimmt’s, Belinda? Ich bin schon ganz aufgeregt.«

      »Gratuliere.«

      »He? Was hör ich da für eine tiefe, dunkle Stimme? Gratuliere: Du klingst wie ein großer, dicker alter Hund oder ein großer, dicker alter Mann. Lass dich nicht so hängen. Du hast zwar keinen Ball, im Gegensatz zu mir, aber du kannst immer noch mit deiner Amma spielen.«

      »Ja.«

      »Genau. Ich weiß es. Vertrau deiner Mary. Ich sag immer die Wahrheit.«

       8

      Am nächsten Nachmittag bat Belinda Nana um die Küchenwaage. Sie erschrak nicht, als sie zu hören bekam, diese sei »elektronisch«, während Nana ihr eine Schürze umband. Die kleine gläserne Platte, die ihr präsentiert wurde, blinkte gemein, wie der Taschenrechner von SS2. Belinda straffte die Schultern.

      »Me pa wo kyew, lassen Sie mich bitte die bofrot backen und sagen Sie Ihrer Amma bitte, ungefähr in einer halben Stunde kann sie die dann probieren. In dem oberen Wohnzimmer oder wie immer Sie das nennen. Zur Abwechslung? Und ich mache den Kaffee in diesem Runterdrückding, das sie immer benutzt.«

      Belinda fragte sich, ob Nanas hoffnungsvolles Lächeln und ihr eigenes harmonierten. Vielleicht verharrte das Lächeln deswegen noch lange auf ihren Lippen, nachdem Nana gegangen war und Belinda allein Eier in der Schüssel aufschlug, sich Teigreste vom Finger leckte und die süße Rührmasse in prasselndes Öl gab. Auch nach dem Backen blieb das Lächeln, als sie die Bällchen mit der zarten Kruste auf einem Teller arrangierte und Servietten zu Fächern faltete. Ihre Hände glitten von allein in die gerundeten Tragegriffe des Frühstückstabletts, und Belinda fiel ein, wie sie Mary beigebracht hatte, das Essen nicht mehr auf dem Kopf zu balancieren, sondern ordentlich zu tragen. Sie lächelte immer noch, als sie das Gebäck und den Kaffee hinaufbrachte und sich bei jedem Schritt bemühte, das Porzellan nicht klirren zu lassen. Als sie Amma sah, verkrampfte sich ihr Gesicht.

      Amma blickte zur Zimmerdecke empor und ignorierte die Mutter, die vor ihr kauerte und sich nun mühsam erhob. Der himmelwärts gerichtete Blick konzentrierte sich offenbar auf die Stuckranken, die sich über die weiße Fläche zogen.

      Belinda presste die Lippen zusammen, lockerte sie langsam wieder und atmete aus. »Sollte … sollte dir eigentlich nicht neu sein. Gibt’s hier in jedem Zimmer. Ich dagegen habe bisher noch nie solche Muster und Verzierungen an Decken gesehen. Das ist sehr hübsch, aber ich frage mich, wer ist überhaupt auf die Idee gekommen, sowas dort oben anzubringen? Wer hat das als Erster gemacht und warum?«

      »Du willst deiner Schwester also nicht helfen, eh? Sie hat das extra für dich gebacken, und –«

      »Klar, Belinda, natürlich. Danke.« Amma entwand das Tablett Belindas festem Griff und stellte es auf den Couchtisch. Belinda kam ihr Geruch so sauber und blumig vor, all den schmutzigen Schwarz-, Schlamm- und Grautönen zum Trotz, die das Mädchen trug. »Das ist wirklich nett – danke –, und du brauchst mich gar nicht so zu bevormunden, Mum.«

      »Ich wollte dich nur –«

      »Wir müssen doch nicht über jede Kleinigkeit diskutieren.«

      »Schon gut, Amma. Schon gut. Hier will niemand nervig sein.«

      »Ich will ja nicht. Ich bin es einfach.«

      »Aber nein. Belinda hat etwas zubereitet, das du genießen sollst. Nur darauf kommt es jetzt an. Dass du’s genießt. Das schaffst du doch, eh?«

      Der letzte Laut war so gedehnt, dass Belinda an ihren Ohrläppchen zupfte, als könnte es helfen, etwas richtig Weiches zu berühren. Amma drehte sich im Sessel dem Tablett zu. Sie ließ die Ellbogen auf ihren Beinen ruhen, die sie spreizte wie ein Mann, und beugte sich vor, um den Stempel der Kaffeekanne nach unten zu drücken.

      »Du willst wahrscheinlich keinen Kaffee, Be?«

      »Nein. Nein danke, meine ich. Mir ist er zu stark, auch wenn ich weiß, dass du ihn so magst.« Amma runzelte die Stirn, senkte leicht den Kopf. »Ich hoffe, er schmeckt dir.«

      »Bestimmt.« Amma kippte Milch hinein, lehnte sich zurück und wartete offenbar auf die nächste Geste, den nächsten Satz. Da nichts kam, schüttelte sie den Kopf und lutschte glänzende Tropfen von ihrem kleinen Finger. Sie streckte die Hand aus und biss in einen bofrot. Belinda tat der Krapfen fast leid, der diesem Angriff nicht standhielt. Wobei sie sich selbst natürlich noch mehr leidtat.

      Die Ausstattung des oberen Zimmers war in Belindas Augen möglicherweise der Grund, warum das Gespräch zwischen den beiden, die standen, und der einen, die saß, derart ins Stocken geriet. Dieses zweite Wohnzimmer wirkte überhaupt nicht wohnlich, sondern überkandidelt. Belinda hatte nur einmal ein Museum besuchen dürfen, anlässlich eines kulturhistorischen Pflichtausflugs, für den Mutter eisern gespart hatte. Das hier war auch ein Museum. Festliche Kenteschals waren hinter Glas erstarrt und machten die Wände regenbogenbunt. Daneben hingen riesige Gemälde von blutroten Sonnenuntergängen und Kolabäumen, Krüge tragenden