Malte Detje

Im Zweifel für Gott


Скачать книгу

Fragen sind hingegen nicht so leicht zu beantworten. Etwa die Frage: Bin ich ein guter Ehemann? Da fällt es schon schwerer, eine eindeutige Antwort zu geben. Denn mir fällt ganz Verschiedenes ein. Ich sehe vor meinem inneren Auge, wie ich spätabends noch einmal unsere Küche putze. Aber da sind eben auch die vielen anderen Momente, in denen ich nicht so liebevoll mit meiner Frau umgegangen bin, wie ich es sollte.

      Genauso ist es mit der Frage: Bist du sportlich? Mir fallen die Momente ein, in denen ich mir nach Feierabend noch die Joggingschuhe zuschnüre und in die Dunkelheit loslaufe. Aber weitaus zahlreicher sind jene Augenblicke, die ich lieber auf dem Sofa vor der Playstation verbringe, anstatt etwas für meine Gesundheit zu tun. Vielleicht geht es dir ähnlich.

      Es gibt also Fragen, die objektiv leicht zu beantworten sind und bei denen unser Blick nach außen geht. Und es gibt Fragen, bei denen der Blick nach innen geht und die subjektiv große Unsicherheiten auslösen. Hier bin ich mir nie sicher.

      Wie ist es bei den entscheidenden Fragen des Glaubens? Wenn Gott so weit entfernt scheint, dass ich mir unsicher geworden bin, ob ich überhaupt noch ein Christ bin. Gehöre ich immer noch zu Jesus?

      In welche der beiden Kategorien sollen wir diese Frage einsortieren? Ehering oder Playstation? Natürlich fallen mir sofort Tausende Begebenheiten aus meinem Leben ein, in denen ich mich nicht jesusgemäß verhalten habe, wo mir Gott, der Griff zur Bibel oder das Aufstehen zum Gottesdienst nicht wichtig waren. Oder wo ich nicht so liebevoll gehandelt habe, wie es unter Christen eigentlich Standard sein sollte. Ich kann auf mein Herz blicken und werde mir schnell unsicher. Einen großen Glauben empfinde ich nicht und auch der Gegenwart Gottes war ich mir lange nicht mehr bewusst.

      Aber glücklicherweise gehört diese Frage in die andere Kategorie. Ich blicke nach außen auf objektiv feststehende Tatsachen und weiß: Ja, ich gehöre noch zu Jesus.

      Deine Identität als Kind Gottes beruht nicht auf dem, was in deinem Herzen geschieht, sondern darauf, was Christus am Kreuz von Golgatha vollbracht hat. Dieses Kreuz ist kein subjektives Gefühl, sondern objektiv eingerammt in den Boden der Realität. Zu diesem Mann von Golgatha gehören wir durch das Wasser der Taufe. Hier wurden wir mit Jesus verbunden (vgl. Römer 6,3-5). Wir gehören nun zu ihm, auch wenn es sich manchmal nicht so anfühlen mag. Das Kreuz Christi und meine Taufurkunde sind mein geistliches Pendant zum Ehering. Ich blicke darauf und weiß: Ich gehöre immer noch zu Jesus.

      Da war es wieder da!

      Wen wir weg von unserem eigenen Empfinden und hin zu Jesus blicken, bewirkt das seltsamerweise oft, dass in unserem Inneren wieder etwas passiert, wie es bei Christina in der Geschichte von Bo Giertz der Fall war. Das ist eine Erfahrung, die viele Christen machen.

      Ich hatte das Privileg, die Beerdigung einer Dame aus dem Seniorenkreis unserer Gemeinde zu gestalten, die in ihren Neunzigern verstorben war. Ich kannte die Frau recht gut. Zwei Monate bevor ihr Leben endete, vertraute sie mir bei Kaffee und Kuchen ihre Lebensgeschichte an.

      Als junges Mädchen spielte der christliche Glauben in ihrem Leben eine große Rolle. Sie war in einer Pfingstgemeinde aktiv und spürte diesen starken Glauben in ihrem Herzen. Die Gegenwart Jesu war für sie so real, obwohl um sie herum die Welt aus den Fugen geriet. Es waren die schweren Kriegsjahre. Wie viele andere Frauen dieser Generation teilte sie das Schicksal, dass ihr Verlobter zum Kriegsdienst eingezogen wurde und an dem Angriffskrieg auf die Sowjetunion teilnahm.

      Es war eine Zeit großer Ungewissheit. Würde er wieder sicher und wohlbehalten nach Hause kommen? Oft stand sie mit anderen Frauen in der Küche bei der Hausarbeit und stellte sich diese Frage. Sie hätte allen Grund gehabt, sich Sorgen zu machen. Doch bei ihr war es anders.

      Jesus schenkte ihrem Herzen die klare Gewissheit, dass sie ihren Mann wohlbehalten wiedersehen würde. Alles würde gut ausgehen. Da war nicht der Hauch eines Zweifels. Was für ein starker Glaube! Jesus war fühlbar da. Und so geschah es auch. Jahre später hielt sie ihren gesunden Mann in den Armen.

      Von diesem Glauben ihrer Jugendzeit erzählte sie mir mit Sehnsucht, denn seitdem war vieles anders geworden. Der Glaube war nicht mit einem Mal verschwunden, aber er war über die Jahrzehnte verblasst. Jesu Gegenwart war zu einer Erinnerung geworden. Das Gefühl war schon lange nicht mehr da.

      Doch während sie mir das zweite Stück Kuchen auftat – worüber man mit Damen dieser Generation lieber nicht streitet –, vertraute sie mir ihr kleines Geheimnis an. »Wissen Sie was, Herr Pastor, neulich, da war es wieder da. Da haben wir im Seniorenkreis darüber gesprochen, dass wir ja alle nicht die Menschen sind, die wir sein sollten. Aber dass ja gerade deshalb Jesus in die Welt gekommen ist, um uns zu erlösen. Und da war es wieder.«

      Ehrlich gesagt konnte ich mich an besagten Moment gar nicht erinnern. Er wird nicht sonderlich spektakulär gewesen sein. Auch die Botschaft war nicht spektakulär und kannte keine rhetorischen Raffinessen. Es war das Evangelium mit einfachen Worten. Und es war dieses Evangelium, das in ihr wieder Gefühle freisetzte.

      So verließ sie wenige Wochen später dieses Leben, aber meine Erinnerungen wird sie nie verlassen. Ihr Zeugnis wird mir immer bleiben. Jesus ist in die Welt gekommen, um Sünder selig zu machen (vgl. 1. Timotheus 1,15). Sünder, in deren Herzen nur Asche übrig geblieben ist. Dieser Jesus war ihre Hoffnung. Und er ist deine.

      Im Christentum geht es also um das, was in Gottes Herzen ist. Doch wie erfährst du etwas davon? Wie zeigt Gott dir die Liebe, die in seinem Herzen wohnt? Wie kommuniziert er mit dir? Wir gehen zurück zum Anfang, zu der Geschichte von Christina.

      Christina erlebt, dass Gott fern ist und schweigt. Er redet nicht mehr mit ihr. Sie hat eine bestimmte Vorstellung davon, wie Gott spricht: Gott lässt in ihrem Herzen ein Gefühl seiner Gegenwart und Nähe entstehen, sodass sie seine Liebe unmittelbar spürt. Gott im Himmel bräuchte nur mit den Fingern zu schnipsen und dieses Gefühl entstünde sofort wieder in ihrem Herzen. Aber genau das tut er nicht.

      Viele Christen stellen sich Gottes Kommunikationsverhalten so vor wie Christina. In der Bibel zeigt uns Gott aber ein anderes Bild.

      Gott liebt Mittel

      Wenn Gott in der Bibel mit Menschen kommuniziert, dann tut er das in der Regel nicht unmittelbar, indem er direkt ein Gefühl in ihren Herzen entstehen lässt. Gott kommuniziert viel lieber anhand von Mitteln. Er ist ganz verliebt in die kleinen und großen Dinge dieser Welt, die aus Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und all den anderen Elementen und Atomen zusammengesetzt sind, die ich mir im Chemieunterricht nie merken konnte. Er hat ein Faible für süße Früchte, die an Bäumen wachsen. Er kann sich an dem Anblick eines bunten Regenbogens nach dem Sturm gar nicht sattsehen. Er liebt es, im Matsch zu spielen.

      Von den ersten Seiten der Bibel an begegnet uns ein Gott, der seine Liebe in Dinge einhüllt, die wir mit den Augen sehen, mit der Hand fühlen und mit dem Mund schmecken können. Gott liebt diese Mittel. Das beginnt schon bei Adam und Eva. Aus lauter Liebe schafft Gott die ersten Menschen. Er lässt sie aber nicht in einer Geisterwelt leben, sondern in einem wunderschönen Garten. Der Tod war noch nicht da. Denn unsere Vorfahren bekamen von Gott obendrein ein ewiges Leben geschenkt.

      Aber wie tat Gott das? Durch ein bloßes Fingerschnipsen? Nein. Gott benutzte dafür ein Mittel. Er stellte in den Garten Eden nicht nur den Baum der Erkenntnis, von dem er Adam und Eva zu essen verbot. Er schuf ebenso einen zweiten Baum, den Baum des Lebens, der so wunderschön aussah, dass man wohl minutenlang staunend vor ihm stehen konnte. An diesem Baum wuchsen Früchte, so lecker und süß, dass es all unser Vorstellungsvermögen überschreitet (vgl. 1. Mose 2,9). Gott schenkte Adam und Eva das Leben. Aber er tat das nicht unmittelbar, sondern durch eine süße Frucht. Gott liebt Mittel, um uns seine Liebe zu zeigen. Hier zeigt er seine Liebe durch Essen.

      Die biblische Geschichte nimmt in diesem Sinne weiter ihren Lauf. Als Noah nach der Sintflut die Arche verlässt, liegen hinter ihm düstere Tage, an denen er Gottes Zorn eingehüllt in Wassermassen