den Armen und trug ihn davon.
»Dupa ...«, begann er wieder, aber etwas in seinem Kopf schien zu verhindern, dass er den Satz vollendete. Wenn sie ihn später fragte, nachdem er sich beruhigt hatte, wusste er wahrscheinlich nicht einmal mehr, was er sagen wollte. Das Beste war, ihn nicht zu fragen.
Sie brachte Aipu in Sicherheit. Der Vakuschacht im Stiel trug sie beide hinauf in die Wohnanlagen. Aipus gegenwärtiges Lieblingszimmer war der Schutzraum unter dem Boden der kleinen Robotküche. Dort verkroch er sich.
Dupa Emuladsu sah ihm zu, wie er das Licht löschte, die Luke schloss und sie verriegelte.
»Schlaf gut, Aipu!«
*
Die Wellenrutsche füllte den wichtigsten Raum der Wohnung komplett aus. Die Emuladsu-Kinder saßen rundherum auf dem obersten Rand.
Dupa gesellte sich zu ihnen.
»Zwei Dinge sollt ihr euch merken«, sagte sie. »Erstens: Aipu ist gerne für sich allein. Es gibt Zeiten in seinem Tagesablauf, da stört ihn die Nähe anderer, und sie macht ihn möglicherweise krank. Nehmt darauf Rücksicht!«
Sie sah die Jungen und Mädchen der Reihe nach an und gab jedem einen Wink. Sie stießen sich von der Welle ab, auf der sie saßen, ließen sich in das Wellental rutschen und nahmen auf der nächsten Welle Platz.
»Das Zweite ist genauso wichtig. Ecaitan wurde so wie alle Planeten des Sternenrads von Beben und Gravitationsstößen heimgesucht. Wir haben nichts davon mitbekommen, weil unsere Maschinen Katastrophen verhindern. Im Sternenrad sind wir vollkommen sicher.«
Die Kinder hörten es nicht zum ersten Mal. Das Sternenrad war der einzige Ort im Universum, der ihnen Sicherheit und Geborgenheit gab. Es schützte sie vor Verfolgung und Tod und trat, wenn es gar nicht anders ging, mit ihnen die Flucht an. Daneben hatte das Sternenrad ein paar andere Vorzüge wie die Möglichkeit, eine große Flotte dorthin zu transportieren, wo die Cairaner Vorsorge treffen mussten.
Andere Völker davon abzuhalten, Krieg zu führen, war eine der wichtigsten Aufgaben.
»Auch zukünftig wird es zu Begegnungen kommen, die unseren vollen Einsatz erfordern«, sagte Dupa. »Ich werde dann ein paar Tage abwesend sein, vielleicht auch ganz viele Tage. Dann liegt es an euch, die Familie zu behüten. Vor allem Aipu. Er ist der Jüngste und braucht eure Obhut.«
Parko hob zwei Hände. »Wir sind zu schwach, Mutter!«
»Aus dem Garten in die Tiefe zu springen, dazu seid ihr aber stark genug?«
Sie schwiegen beschämt, denn sie erkannten, was Dupa meinte. Die eigenen Hände zu schädigen durfte nicht sein. Wie hatte sie es genannt? Selbstverstümmelung!
Die Kinder richteten ihre Gespürhände auf sie. Instinktiv erwarteten sie eine wichtige Botschaft von ihr, eine Hilfestellung. Es wurde nichts daraus. Die Sitzflächen der Wellenrutsche vibrierten. Etwas Wichtiges kündigte sich an.
»Dupa Emuladsu, du bekommst Besuch!«, meldete die Steuereinheit ihrer Wohnkugel. »Ein Mediker macht dir seine Aufwartung.«
»Führ ihn herein!«
Es rauschte im Vakuschacht. Dupa stieß sich von der Sitzfläche ab und rutschte die Wellen hinab bis zum Boden. Fast gleichzeitig mit der Ankunft des Besuchers kam sie unten an. Der Schacht öffnete sich, ein Shenpadri wand sich heraus und glitt über den Boden.
Der Körper des schlangenartigen Wesens war mit weißem Gefieder bedeckt, durch das sich ein rubinrotes Muster zog. In dem schmalen Mund schillerten Zähne. Hinter dem Kopf trug der Shenpadri einen Ring aus Metall mit verschiedenen Instrumenten, die ihn als Mediker auswiesen. Zwei schwarze Flecken an der Stirn verrieten Dupa, mit wem sie es zu tun hatte.
»Willkommen in unserem Heim, Shandertul«, empfing sie ihn.
Der Mediker nahm eine Maske vom Instrumentenring und stülpte sie sich über den spitzen Mund. Sie transformierte die Ultraschallwellen, mit denen die Shenpadri untereinander kommunizierten, in für Cairaner hörbare Laute.
»Ich grüße dich und deine stattliche Kinderzahl.« Der Mediker blickte nach oben in die Runde.
Dupa hatte ihre Emuladsus gut erzogen. Sie grüßten einzeln und nacheinander zurück.
Der Shenpadri wandte sich ihr zu. »Ich vermisse Aipu.«
»Er ist dabei.« Dupa deutete nach oben an den Saum der Wellenrutsche. Im Schatten der Wandbehänge stand halb versteckt der Junge.
Aipu kannte den Mediker nicht von Angesicht zu Angesicht. Shandertul hatte ihm das Korrektiv-Organoid implantiert, um sein Handicap zu beseitigen. Zu wesentlichen Verbesserungen hatte es nicht geführt. Eher zum Gegenteil.
»Wir müssen reden«, sagte der Shenpadri. »Noch ist Zeit.«
Dupa verstand ihn so, als müssten sie sich beeilen.
»Komm mit!«
Sie geleitete ihn zu einer schmalen Rampe, die hinab zu den persönlichen Räumen der Familienmitglieder führte. Davor lag ein Zimmer mit reinweißen Polstern und Kissen. Dupa bot dem Shenpadri einen Platz an. Er legte sich darauf und drehte sich zusammen, bis er in eine der Kuhlen passte.
»Wie viel Geröll liegt in deinen Händen?«, fragte sie.
»Ich kann es kaum tragen«, antwortete der Mediker. Es blieb so schrecklich wenig Zeit für Aipu und dessen Probleme.
»Hängt es mit dem Ort zusammen, den wir erreicht haben?«
»Ja und nein.«
Dupa Emuladsu erfuhr, dass sie in M 13 angekommen waren, einem Kugelsternhaufen in der Galaxis Milchstraße, die in den Datenbanken des Sternenrads als besonders gefährlich eingestuft wurde.
In der Milchstraße lebten Völker wie Terraner und Arkoniden, die den Frieden gefährdeten oder sogar aktiv zerstörten. Deshalb kamen die Cairaner persönlich zur Bleisphäre, die das Panarchiv von Aithuriad als wichtigstes Ziel der Mission auswies. Dupa als Kosmopsychologin gehörte zu den wichtigsten Cairanern und Cairanerinnen im Fall einer Konfrontation. Dann musste sie sich nicht nur um die Angehörigen von Fremdvölkern auf Ecaitan kümmern, sondern auch um das Ruhigstellen aggressiver Arkonidenkämpfer im Bereich der Bleisphäre.
»Die Kommunikation mit Aipu nähert sich einem kritischen Punkt. Er ist verschlossen, ängstlich und in sich gekehrt. Seine Geschwister sind allesamt aufgeweckt.«
»Das war der Grund für die Implantation des Korrektiv-Organoids«, erinnerte Dupa den Mediker. »Wie bewertest du den Erfolg?«
Der Shenpadri gab einige Laute von sich, die sie nicht recht zu deuten wusste, und bewegte den schmalen Kopf hin und her. Hatte sie ihn mit dieser Frage in die Enge getrieben?
»Es war ein Versuch«, lenkte er ein. »Das Ergebnis ist so und so. Er ist weltzugewandter als vorher, aber er agiert und reagiert unberechenbar. Mal so und mal so.«
»Wenn du weißt, wie du das Problem lösen kannst, sag es jetzt!«
»Einen Gesichtspunkt habe ich noch nicht erwähnt, Dupa. Wir bekommen Besuch. Draußen vor dem Schirm sammeln sich Flotten unterschiedlicher Milchstraßenvölker. Das Erscheinen des Sternenrads wird weitere auf den Plan rufen. Sie werden versuchen, auf unseren Planeten zu landen. Und da kommt Aipu ins Spiel. Seine Reaktionen sind nicht vorhersehbar. Wird er Eindringlingen den Untergang bringen oder ihnen helfen? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, was nicht geschehen darf.«
»Ihm darf nichts geschehen. Löse das Problem!« Dupa wurde ungeduldig.
»Die Mediker Orsaidds haben mehrere Stunden diskutiert. Sie empfehlen die Implantation eines weiteren Korrektiv-Organoids. Es würde das Persönlichkeitsbild des Jungen tief greifender ändern als das erste. Er wäre dann ein Kind, so wunderbar wie alle deine Kinder.«
Mehr sagte er nicht.
»Wo ist der Haken, Shandertul?«
Der Shenpadri zögerte kurz. »Er wäre nicht