Andreas Zwengel

HAUSER - IMMER FESTE DRUFF!


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und blickte sanftmütig zur Decke hinaus.

      »… er ist vollkommen unschuldig.«

      Später, nachdem sich der Trubel gelegt und die Reporter die Suche nach ihm aufgegeben hatten, verließ Hauser die Damentoilette des Polizeireviers. Er setzte seine Sonnenbrille auf, als glaubte er wirklich, dadurch nicht erkannt zu werden. Die Pressemeute dürfte längst weitergezogen sein. Sie hatten ihre Story bekommen, wahrscheinlich auch Stellungnahmen von Lessing und Bornemann, sowie Interviews mit fast allen Beteiligten. Da konnten sie es bestimmt verschmerzen, dass er sich klammheimlich aus dem Staub gemacht hatte. Ein paar Tage lang würde sein Telefon klingeln, aber das ließ sich ignorieren.

      Er sah die Ausgangstür schon vor sich, als Kathrin Bornemann aus einer offenen Bürotür erschien, als habe sie dort auf ihn gelauert. Die Kriminaloberrätin respektierte Kompetenz und harte Arbeit. Schon allein deshalb stellte jemand wie Hauser eine einzige Provokation für sie dar. Ihr Gesicht blieb ausdruckslos, während er sich mit der Hand nervös durch den Nacken fuhr. Dann zuckte es leicht um ihre Mundwinkel, und schließlich nickte sie anerkennend. »Alles, was recht ist, das war die erbärmlichste Show, an der ich jemals teilnehmen durfte.«

      Im Auftrag von Boris

      Hauser lebte streng nach der Maxime, dass Planung nur der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum sei. Deshalb verzichtete er darauf, dem Universum allzu lenkend ins Handwerk zu pfuschen. An diesem Morgen musste er allerdings feststellen, dass mangelnde Planung die Abwesenheit von Kaffee, Brot und Milch am Frühstückstisch zur Folge haben konnte. Also machte er sich zu einer Uhrzeit, die er trotz Sonnenschein definitiv noch zur Nacht zählte, auf den Weg zur Bäckerei seines Vertrauens.

      Wenn er seine Wohnung verließ, lauschte er zuerst in den Flur hinaus, ob seine Nachbarn unterwegs waren. Er fand Smalltalk unglaublich schwer und anstrengend, obwohl dabei doch nur die üblichen Belanglosigkeiten ausgetauscht wurden.

      Hauser war in der Straße bekannt und wurde wie ein zutrauliches Haustier behandelt. Die Leute hielten ihn für einen Exoten und Exzentriker, doch niemand verspürte den Drang, sich über ihn lustig zu machen. Er wurde selbst von Leuten toleriert, die Toleranz nicht unbedingt zu ihren Kernkompetenzen zählten. Vielleicht lag es an der Gleichmütigkeit und an dem völligen Mangel an Aggression, die er ausstrahlte.

      Hauser mochte die Großstadt. Er konnte sich nicht vorstellen, auf dem Land zu leben. Nicht einmal eine kleinere Stadt kam für ihn infrage. Und wie die meisten Frankfurter hatte Hauser nichts dagegen, wenn die Weltgeschichte einen großen Bogen um die Stadt machte. Sollte sie ihr Anliegen doch in Offenbach vorbringen.

      Als er aus der Bäckerei trat, einen Becher Kaffee in jeder Hand und ein Frikadellenbrötchen zwischen den Zähnen, entdeckte er Melanie Beck auf der anderen Straßenseite. Seine unbezahlbare Souffleuse lehnte an einem Laternenpfahl, der mit mehreren Schichten aus Aufklebern und Kleinanzeigen beklebt war, sodass man erst ab einer Höhe von zwei Metern aufwärts das Metall sehen konnte. Auf dem gepflasterten Parkstreifen vor ihr stand ein schmutziger Corsa. Sie schien auf ihn zu warten.

      Hauser war überrascht, sie so schnell wiederzusehen. Er berichtigte sich: Tatsächlich war er überrascht, sie überhaupt noch einmal wiederzusehen. Er stellte die beiden Kaffeebecher aufs Autodach und nahm das belegte Brötchen aus dem Mund, um ein ausgesprochen selbstzufriedenes Grinsen aufzusetzen. »Ich weiß um meine Wirkung auf …«

      »Oh bitte, ersparen Sie mir das. Ich bin bestimmt nicht freiwillig hier. Mein Chef möchte Sie sprechen.«

      »Boris Schneider?«

      »Ich habe nur den einen Chef.«

      »Weshalb will er mich sehen?«

      »Ihre Leistung hat ihn sehr beeindruckt.« Der Spott in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

       Hauser war überrascht. »Dann hast du ihm nicht erzählt, wie es abgelaufen ist?«

      »Nicht die Vorstellung auf dem Polizeirevier. Die Ermittlungsarbeit, die Sie vorher geleistet haben.«

      »Ach so. Worum geht es?«

      »Das weiß ich nicht. Eine Modeberatung können wir wohl ausschließen. Ich nehme an, er hat einen Auftrag für Sie. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Aber ich würde die Angelegenheit gern rasch hinter mich bringen. Also, einsteigen!«

      Melanie startete den Motor. Kaum hatte Hauser auf dem Beifahrersitz Platz genommen, galt seine ganze Aufmerksamkeit dem Kaffee, den er unbedingt in den Bechern behalten wollte. Das Brötchen hatte er vor dem Einsteigen mit vier raschen Bissen verschlungen und nun trank er abwechselnd aus beiden Bechern, um den Pegel darin rasch zu senken. An der Ampel vor der Friedensbrücke schüttete er die Kaffeereste in einem Becher zusammen, damit er eine Hand zum Festhalten am Türgriff nutzen konnte. Die Fahrt dauerte weniger als zehn Minuten, was nicht an der Kürze der Strecke lag, sondern an der Geschwindigkeit, mit der Melanie diese zurücklegte. Glücklicherweise waren dem Kleinwagen Grenzen gesetzt, was die Beschleunigung betraf, und so blieben sie die meiste Zeit auf der eigenen Fahrspur. Trotzdem war Hauser anschließend der Meinung, genug Aufregung für diesen Tag gehabt zu haben.

      Das Büro von Boris Schneider lag am nördlichen Mainufer, in einem der gläsernen Paläste, die auf dem ehemaligen Gelände der Degussa errichtet worden waren. Gebäude und Lage unterstrichen noch einmal die Exklusivität von Schneiders Kanzlei und damit auch die seiner Kunden. Der Mann schien ausgezeichnet zu verdienen. Eine Eigenschaft, die Hauser bei seinen eigenen Klienten sehr schätzte.

      Melanie fuhr in die Tiefgarage und stellte den Corsa zwischen Fahrzeugen ab, die etliche Preisklassen über ihm lagen.

      »Ich muss dich bei der Gelegenheit auch mal zu mir einladen«, sagte Hauser, als sie mit dem gläsernen Aufzug ins Obergeschoss fuhren.

      »Ich wohne hier nicht, ich arbeite hier nur«, gab sie giftig zurück, als hätte er ihr irgendetwas unterstellt. Als der Aufzug hielt, blickte Hauser weiter nach oben.

      »Was ist über uns?«

      »Dort befindet sich die Privatwohnung von Herrn Schneider.«

       Hauser pfiff beeindruckt. »Ein Penthouse am Main. Langsam verstehe ich, warum dein Boss auf keinen Fall in den Knast wollte.«

      Er trabte fröhlich hinter ihr her durch die Glastür und den verlassenen Empfangsbereich. Außer Melanie schien um diese Uhrzeit noch niemand hier arbeiten zu müssen. Sie erreichten ein lichtdurchflutetes Büro mit einer phänomenalen Aussicht durch die riesige Panoramascheibe. Hauser gab einen anerkennenden Laut von sich. Als er sich in dem Raum umschaute, stellte er fest, dass die Inneneinrichtung trotz der Flusslage nicht aus nautischen Objekten bestand, sondern eher den Eindruck erweckte, Schneider habe einen Hessenshop geplündert. Hausers Blick blieb an der erdrückenden Fülle an Devotionalien hängen, die eine tiefe Verbundenheit mit der Stadt Frankfurt und dem umgebenden Bundesland ausdrückten.

      »Einen Moment, ich hole Herrn Schneider«, sagte Melanie und ließ ihn allein. Hauser sah sich um, spazierte am Schreibtisch entlang und tippte beiläufig auf dem Laptop herum. Er sammelte einige herumliegende Zettelblöcke ein und steckte sie in seinen Beutel. Für jemanden, der von seinen Notizen abhängig war, durfte der Nachschub nicht abreißen. Kein Gratiskugelschreiber war vor ihm sicher und mit Post-its könnte er ganze Räume tapezieren. Ohne dass ihm das bewusst gewesen wäre, hatte er in den vielen Jahren seiner Detektivarbeit noch nie für Büromaterial bezahlt.

      Boris Schneider kam telefonierend herein, beendete das Gespräch und knipste ein professionelles Lächeln an. »Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, mich zu bedanken«, sagte er und packte die Hand des Detektivs, bevor dieser sie richtig ausstrecken konnte. Dann bewegte er Hausers Arm auf und ab, als müsste er eine störrische Wasserpumpe bedienen. Hauser wurde zusehends unwohl. Schnell befreite er sich aus dem Griff und ging auf Abstand. Die Freundlichkeit des Anwalts war alarmierend. Er sah hilfesuchend zu Melanie, die sich im Hintergrund hielt, ihm aber keine Signale zur Flucht gab.

      Schneider marschierte um seinen Schreibtisch herum und ließ sich in den Stuhl fallen. »Kommen wir zum Geschäft!«

      Hauser fiel