Andreas Zwengel

HAUSER - IMMER FESTE DRUFF!


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nicht mehr diesen cholerischen Teint.

      Selbstbeherrschung und Verstellung gehörten für den Anwalt zum Handwerkszeug seines Berufs. Wer Boris Schneider besser kannte, wusste, dass er zum Ausgleich und zur Psychohygiene Jahreskarten fürs Stadion besaß. Die einzige Großveranstaltung, die der Anwalt nicht zur Kontaktpflege besuchte. Sein Verhalten bei den Spielen der Eintracht eignete sich auch kaum dazu, neue Freunde zu finden. Er befleißigte sich dort einer Sprache, die Hooligans peinlich berührt abrücken und Väter ihren Söhnen die Ohren zuhalten ließ. Wie für viele andere Fußballfans auch diente ihm ein Stadionbesuch als Therapie und Katharsis. Die Unterwürfigkeit, mit der er seinen Mandanten begegnen musste, ließ er auf dem Parkplatz zurück.

      »Ich habe mich über Sie informiert, Hauser. Man erzählt sich interessante Dinge über Sie. Angeblich sind Sie mindestens so clever wie Sherlock Holmes. Sie wissen schon, so Zeug wie: Sie hielten sich die letzten drei Monate auf Madagaskar auf, hatten als Siebenjähriger einen Reitunfall und ihr Cousin dritten Grades mütterlicherseits ist ein direkter Nachfahre des Dalai Lama.« Schneider lachte herzlich über seinen eigenen Scherz.

      Hauser spielte mit dem Gurt seines Beutels und zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie auf sowas stehen, kann ich natürlich damit dienen: Sie wurden auf Helgoland geboren, haben eine Lehre als Einzelhandelskaufmann gemacht, waren zweimal verheiratet und haben einen siebzehnjährigen Sohn, der sich nur an Ihrem Geburtstag meldet. Sie mögen schnelle Autos, waren dieses Jahr auf Teneriffa und Kreta, sprechen drei Sprachen und üben sich in Ihrer Freizeit in Kalligrafie. Außerdem sind Sie patriotischer Frankfurter und verehren die Eintracht.«

      Schneider war sprachlos und sogar Melanie hob überrascht eine Augenbraue. »Du lieber Himmel, das ist alles richtig«, entfuhr es Schneider ehrfürchtig. »Melanie, hast du das gerade mitgekriegt?«

      »Ich war anwesend.«

      »Der Mann ist ein verdammtes Genie. Woher wissen Sie das alles über mich?«

      »Berufsgeheimnis.«

      »Kommen Sie schon!«

      Hauser wies auf den Laptop. »Ihr Facebook-Account ist offen.«

      »Haben Sie etwa meine Einträge gelesen?«

      »Ich dachte, wenn es die ganze Welt darf, dann würden Sie es mir auch zugestehen.«

      Schneider schien in Schnappatmung verfallen zu wollen, doch dann vollzog er einen innerlichen Kurswechsel und begann schallend zu lachen. »Das ist genau die clevere und kaltschnäuzige Vorgehensweise, die ich mir wünsche«, sagte er und wies auf den freien Sessel vor seinem Schreibtisch. »Ich habe ein Problem, bei dem Sie mir behilflich sein könnten, aber dazu müsste ich weiter ausholen.«

      Hauser stellte seinen Beutel neben den Sessel und setzte sich. Er streifte die Schuhe von seinen Füßen und brachte sich in eine halb sitzende, halb liegende Position.

      Boris Schneider sah zu, wie der Detektiv sich gemütlich einrichtete. »Äh, so lange wird die Geschichte vielleicht doch nicht.«

      Hauser machte lächelnd eine auffordernde Handbewegung loszulegen und faltete die Hände vor dem Bauch.

      »Also, Sie sollen fünf Personen für mich ausfindig machen.«

      »Das ist quasi mein Job«, sagte Hauser und rechnete sich aus, was ihm ein dauerhaftes Arrangement mit einem Promi-Anwalt einbringen könnte. Wer Klienten wie den alten Ludlow betreute, der rechnete sicher einen ordentlichen Stundensatz ab. »Worum geht es? Eine Erbschaft?«

      »Äh, ja, das ist tatsächlich der Fall.«

      »Obwohl natürlich Ehebruch mit fünf beteiligten Personen noch viel interessanter wäre«, grinste Hauser und bemerkte Melanies Augenrollen. Es hielt es für angebracht, ein paar Pluspunkte bei ihr zu sammeln. Das würde er als Nächstes in Angriff nehmen.

      Schneider nahm eine Akte von dem Stapel rechts von ihm, legte sie vor sich und begann zu erzählen, ohne den Hefter aufzuschlagen. »Es handelt sich um eine Erbschaftsangelegenheit. Ein Mandant hat vor seinem Tod verfügt, dass ein Teil seines Nachlasses an fünf Menschen weitergegeben wird, ohne dass seine leiblichen Verwandten davon erfahren. Um moralischen Bedenken Ihrerseits vorzubeugen, kann ich versichern, bei Letzteren handelt es sich um sehr vermögende Menschen, die keine Erbschaft benötigen, um auch weiterhin als steinreich zu gelten. Natürlich würden sie aus reiner Gier alles dafür tun, um auch an dieses Geld zu gelangen.« Schneider machte ein Gesicht wie kurz vor der Heiligsprechung. »Es geht nur darum eine Erbschaft an die richtigen Personen zu verteilen, nämlich an diejenigen, die den Verstorbenen gemocht und unterstützt haben. Sie wären ein moderner Robin Hood, Herr Hauser.«

      »Robin Hood finde ich gut. Kann Ihr Mandant denn nicht vererben, an wen er will? Gibt es kein Testament?«

      »Er hat es nie schriftlich festlegen lassen, nur ich wusste von diesem Wunsch. Außerdem sind die Verwandten wie gesagt vermögend und könnten mit teuren Anwälten einen jahrzehntelangen Rechtsstreit anzetteln. Die fünf Begünstigten hätten keine Chance, zu Lebzeiten an das Geld zu kommen.«

      »Fünf Erben und Sie können keinen von ihnen finden? Das klingt merkwürdig. Man hinterlässt doch Spuren, selbst bei einem Umzug.«

      »Ich weiß es leider nicht.« Boris schob den Schnellhefter über den Tisch. »Fünf Personen. Drei Frauen und zwei Männer. Zwei davon ein Ehepaar.«

      »Welche Art von Ehepaar?«

      »Bitte?«

      »Mir fallen drei Kombinationsmöglichkeiten ein.« Hauser hob die Hand, um sie einzeln aufzuzählen.

      »Die … äh … altmodische«, stammelte der Anwalt.

      »Und wie haben Sie diese fünf Personen verloren?«

      »Sie sind einfach verschwunden, irgendwann am frühen Montagmorgen. Alles, was ich über sie weiß, ist in dieser Akte enthalten. Melanie hat einiges an Vorarbeit geleistet und die Personen überprüft.«

      Hauser beugte sich vor, zog den Hefter vom Tisch und blätterte ihn rasch durch.

      »Die haben alle im selben Haus gewohnt«, sagte Hauser stirnrunzelnd, »und an keiner Adresse, an der man einen vermögenden Mann vermuten würde.«

      »Das ist richtig.«

      »Der Fall könnte doch interessanter sein, als es auf den ersten Blick aussieht«, sagte Hauser. »Ich vermute mal, die sind nicht gemeinsam in den Urlaub gefahren. Sind sie freiwillig mitgegangen oder hat man sie entführt?«

      Boris machte ein Gesicht, als sei er noch gar nicht auf die Idee gekommen.

      »Vielleicht wäre es hilfreich, wenn ich mehr über den Verstorbenen wüsste«, fuhr Hauser fort. »Es hat doch nichts mit Ludlow zu tun, oder?«

      »Nein, überhaupt nicht. Ich habe durchaus noch weitere Klienten.«

      »Genau genommen haben Sie diesen Klienten nicht mehr. Zumindest, sobald Sie seinen Nachlass abgewickelt haben.«

      »Danke für die Erinnerung«, sagte Boris sarkastisch.

      »Gern geschehen«, antwortete Hauser so unbefangen, als würde er Untertöne nicht bemerken. »Ob die Witwe Ludlow weiterhin Ihre Dienste in Anspruch nimmt, ist auch nicht sicher.«

      »Jedenfalls hat das Verschwinden der Fünf nichts mit dem Namen des Verstorbenen zu tun. Das versichere ich Ihnen.« Boris Schneider rutschte unruhig auf seinem Sessel herum. Der Gesprächsverlauf gefiel ihm nicht, das merkte jeder außer Hauser.

       »Wie können Sie da so sicher sein?«

      »Ich weiß es eben«, beharrte Schneider.

      »Woher?«

      »Können wir es bitte darauf beruhen lassen?«

      »Ich dachte nur, es könnte hilfreich sein, wenn ich sämtliche Informationen zu diesem Fall hätte. Auch wenn Ihnen manche Fakten unwichtig erscheinen, können sie in bestimmten Situationen vielleicht entscheidend weiterhelfen«, sagte Hauser, während er weiter die Akte durchblätterte. Als nach einer