Kristi Ann Hunter

Entführung ins Glück


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      Über die Autorin

      Kristi Ann Hunter hat zwar Informatik studiert, träumte aber immer davon, einmal Autorin zu werden. Mittlerweile hat sie bereits diverse Preise für ihre Romane eingeheimst und war noch viel häufiger nominiert, z. B. für einen Christy Award.

      Sie liebt dunkle Schokolade (mindestens 85 %!), romantische Komödien und Gesellschaftsspiele. Sie lebt mit ihrem Ehemann und den drei Kindern in Georgia.

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      Für den Schöpfer.

      Er hat uns alle nach seinem Ebenbild erschaffen,

      und doch hat er jeden von uns einzigartig gemacht.

      1. Mose 1,27

      

      Und für Jacob,

      der mich zu jedem meiner Helden inspiriert.

      Prolog

      Hertfordshire, England, 1800

       Es ist kein glücklicher Tag, wenn der Käsekuchen eines achtjährigen Mädchens auf der Erde landet. Und es ist keine Überraschung, wenn das Mädchen es nicht einfach ruhig hinnimmt, dass der Junge, der ihn dorthin befördert hat, darüber auch noch lacht.

      Dicke Tränen traten in Lady Miranda Hawthornes Augen, als sie den Kuchen betrachtete, der jetzt in einem traurigen Haufen auf dem Boden lag. Ihre kleinen Hände ballten sich zu wütenden Fäusten.

      „Du bist ein Esel, Henry Lampton!“ Miranda hob den Kuchen auf und schleuderte ihn mit tränenüberströmten Wangen auf den schadenfroh lachenden Jungen. Als sie sah, wie der cremige Kuchen an seinem Hemd hinabglitt und das Lachen aus seinem Gesicht verschwand, hatte das etwas ausgesprochen Befriedigendes.

      Miranda konnte ihre Rache jedoch nicht lange auskosten, denn ihre Mutter stand plötzlich neben ihr und führte sie entschlossen von den Gästen weg. Mutter sprach kein Wort, bis sie die Tür hinter ihnen zugezogen hatte und sich mit ihr allein im Arbeitszimmer befand.

      „Miranda, eine Dame zeigt ihre Enttäuschung nie in der Öffentlichkeit.“ Mutters Ermahnung klang wie immer ruhig, aber streng.

      Obwohl Miranda wusste, dass ihre Mutter es gut meinte, erschauerte sie jedes Mal, wenn sie die Worte hörte: „Miranda, eine Dame macht nie …“ Gelegentlich hieß es auch: „Miranda, eine Dame macht immer …“ Auch dann folgte so etwas wie: „Miranda, eine Dame schenkt ihren Gästen immer ihre Aufmerksamkeit, auch wenn sie sie langweilig findet.“

      Miranda war inzwischen klug genug, nichts zu erwidern, wenn ihre Mutter sie ermahnte. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass der quälende Vortrag noch länger ausfiel, wenn sie den Versuch unternahm, sich zu verteidigen. Deshalb wartete sie schweigend, bis ihre Mutter sie wieder entließ.

      Statt zu dem Fest zurückzukehren, lief sie jedoch in ihr Zimmer, warf sich aufs Bett und schlug angesichts dieser maßlosen Ungerechtigkeit auf ihr Kissen ein.

      Ein weißes Blatt Papier, das auf dem Tisch neben dem Bett lag, erregte ihre Aufmerksamkeit. Der letzte Brief ihres Bruders war sicher interessanter, als im Geiste eine Liste all der Dinge zu erstellen, die ihr laut Mutters „Lektionen für eine vollendete Dame“ verboten waren.

      Als Griffith vor zwei Jahren ins Internat gezogen war, hatte Mutter es für eine ausgezeichnete Idee gehalten, dass Miranda ihrem Bruder Briefe schrieb, um ihre Handschrift zu verbessern. Die ersten Briefe hatten nur ihren Namen und einen Satz über ihre Lieblingspuppe enthalten, aber im Laufe der Zeit hatte sich zwischen ihr und ihrem Bruder eine echte Freundschaft entwickelt.

      Die Briefe an ihn hatten außerdem den Vorteil, dass Miranda ihrer Verbitterung Luft machen konnte.

      Voller Vorfreude brach sie das Siegel und konnte es nicht erwarten zu lesen, was ihr ältester Bruder in den vergangenen Wochen erlebt hatte.

      Meine liebste Schwester,

      ich hoffe, es geht dir gut. Dein letzter Brief war so lang, dass ich sehr dankbar bin, ein Herzog zu sein. Diese Menge an Papier muss ja ausgesprochen teuer sein. Wenn du dich das nächste Mal in der Kirche langweilst, solltest du vielleicht lieber nicht versuchen, die Rückwand der Bank mit den Füßen einzutreten.

      Miranda runzelte die Stirn. Was hätte sie denn sonst machen sollen? Die Predigt war an jenem Tag besonders langweilig gewesen, und Mutter hatte sie eine Woche zuvor ermahnt, dass eine Dame nie in der Kirche einschlief. Dass Miranda an jenem Nachmittag zur Strafe noch einmal eine geschlagene Stunde auf einem Stuhl hatte still sitzen müssen, war ausgesprochen hart gewesen.

      Marsh hat dafür gesorgt, dass wir einer Gruppe älterer Jungen entkommen sind, die uns zwingen wollten, ihre Aufgaben zu erledigen. Ich bin sehr dankbar, dass Gott noch einen anderen jungen Mann von hohem Rang hierhergeführt hat. Marsh ist ein bisschen wild, obwohl er seinen Herzogstitel schon in seiner Kindheit geerbt hat. Er tut sich fast genauso schwer damit, ein vornehmer Herr zu sein, wie du dich damit tust, eine Dame zu sein.

      Einem Blatt Papier die Zunge herauszustrecken war natürlich völlig sinnlos, aber Miranda empfand es trotzdem als befreiend. Griffith tat zweifellos alles, um seinen Freund ein wenig zu zähmen. Ihr Vater hatte Griffith gut erzogen, bevor er vor drei Jahren auf tragische Weise ums Leben gekommen war.

      Ich weiß, dass es schwer ist, aber streng dich mehr an, Selbstbeherrschung zu lernen. Mutter war vor Sorge ganz außer sich, als du dich auf dem Boden gewälzt und schallend über den Inhalt eines Buches gelacht hast.

      Als sie an diese Szene zurückdachte, verzogen sich Mirandas Lippen zu einem Schmunzeln. Dieses Buch war wirklich ausgesprochen lustig gewesen.

      Miranda, eines Tages wirst du Mutter dankbar sein, dass sie dich in so jungen Jahren schon so gut erzogen hat. Es wäre hilfreich, wenn du versuchen würdest, dir ihre Ermahnungen zu Herzen zu nehmen.

      Glaubte er denn, das würde sie nicht versuchen? Glaubte er, es mache ihr Spaß, auf dem blauen Samtstuhl neben dem Schreibtisch ihrer Mutter sitzen und sich einen Vortrag über das für eine Dame angemessene Verhalten anhören zu müssen?

      Miranda hüpfte vom Bett und ging zu ihrem Schreibtisch unter dem Fenster. Sie nahm eine Schreibfeder und ein Blatt Papier zur Hand und überlegte, wie sie den heutigen Vorfall mit dem Kuchen so beschreiben könnte, dass Griffith ihn verstand.

      Sie versuchte, sich wie eine Dame zu benehmen. Wirklich! Aber wie konnte man seine Gefühle im Zaum halten, wenn man sich freute, wenn man traurig war oder Angst hatte? Musste man diesen Gefühlen nicht irgendwie Ausdruck verleihen?

      Das war wie in den Geschichten, die Griffith ihr immer über seinen Freund erzählte. Marshington verstand, dass man die Regeln manchmal ein wenig beugen musste, wenn man etwas erreichen wollte. Wie damals, als er das Fenster offen gelassen hatte, damit die Arbeitsblätter der älteren Jungen durch den Windzug durcheinandergebracht wurden. Und weil sie das Chaos wieder in Ordnung hatten bringen müssen, hatten sie das Training verpasst, und Marshington und Griffith hatten endlich Cricket spielen können, ohne dass ihnen Bälle an den Kopf geflogen waren.

      Marshington hätte sich bestimmt nicht damit begnügt, Henry mit dem Kuchen zu bewerfen. Er hätte eine Möglichkeit gefunden, den Jungen zu zwingen, ihr ein neues Stück zu bringen. Vielleicht sogar einen ganzen Kuchen.

      Er hätte sie gerettet, statt ihr Vorträge zu halten. Genauso wie er Griffith in seinem ersten Monat im Internat davor bewahrt hatte, von den Älteren schikaniert zu werden.

      Ihr kam eine Idee.

      Sollte sie es wagen?

      Sie tauchte die Feder in die Tinte, hielt aber einen Augenblick inne. Die Feder schwebte lange über dem Briefpapier und ein Tropfen Tinte fiel auf das noch leere Blatt. Sie atmete tief ein, dann senkte sie die Federspitze und begann zu schreiben.

      Lieber Marshington …

      Was sie hier tat, war schockierend, ja sogar skandalös, aber das machte es ja gerade so aufregend. Es war befreiend. Eine kleine Rebellion, ohne dass ihre Mutter davon wusste, die sie unbedingt zu einer Dame erziehen wollte, und ohne die