Kristi Ann Hunter

Entführung ins Glück


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Der Name war schrecklich. Genau aus diesem Grund hatte er ihn für diesen Auftrag gewählt. Dieser Name würde ihn davon abhalten, sich in seiner Haut zu wohl zu fühlen und zu vergessen, dass er sich als Dienstbote des mächtigen Herzogs von Riverton in diesem Haus aufhielt und nicht als sein Freund.

      Sobald die Familie zur Tanzveranstaltung aufgebrochen war, hatten die Dienstboten das Haus für die Nacht vorbereitet. Während die letzten Hausmädchen in den oberen Stockwerken beschäftigt waren, bereitete Marlow das Schlafzimmer für Griffiths Rückkehr vor – nein, für die Rückkehr Seiner Durchlaucht.

      Er hatte das Zimmer des Herzogs gleich nach seiner Ankunft an diesem Nachmittag durchsucht. Alles in ihm sträubte sich vehement gegen den Gedanken, dass sein ältester Freund Kenntnis von den verräterischen Aktivitäten haben könnte, die sich auf seinem Landsitz abspielten, aber Marlow konnte es sich nicht leisten, diese Möglichkeit außer Acht zu lassen.

      Zunächst einmal war jeder verdächtig.

      Die unbewohnten Schlafzimmer waren leicht zu durchsuchen und konnten schnell von seiner Liste gestrichen werden. Diese Zimmer regelmäßig zu benutzen wäre zu auffällig. Seine Zielobjekte benutzten für ihre schändlichen Aktivitäten wahrscheinlich einen viel öffentlicheren Raum. Es war immer am leichtesten, sich vor aller Augen zu verstecken.

      Vor Lady Mirandas Zimmer blieb er mit der Hand auf dem Türgriff stehen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich daran erinnerte, dass sie aus ihrem Zimmer marschiert war, als zöge sie in eine Schlacht.

      Ihre leidenschaftliche Entschlossenheit hatte ihn überrascht. Er wusste, dass er viel zu lange unter falschen Identitäten gelebt hatte, aber ihm war nicht bewusst gewesen, dass allein schon der Anblick von ehrlichen Gefühlen eine so starke Wirkung auf ihn haben würde.

      Die Sekunden verstrichen und seine Hand lag weiterhin auf dem Türgriff. Er musste ihr Zimmer durchsuchen. Nur weil sie eine schöne Frau mit leidenschaftlichen Emotionen war, schloss sie das nicht von vornherein von jedem Verdacht aus. Einige würden sie deshalb sogar für besonders verdächtig halten. Seine Instinkte sagten ihm, dass sie aus dem gleichen Holz geschnitzt war wie ihr Bruder, aber er konnte es sich nicht leisten, dieser vagen Intuition zu vertrauen. Er brauchte Beweise.

      Entschlossen zog er die Hand zurück. Er wollte sich gerade mit der Hand durch die Haare fahren, doch dann fiel ihm ein, dass er diese zu einem Zopf zurückgebunden hatte. Diese perfekte – und lästige – Frisur war ein wichtiger Teil seiner Tarnung und musste für den Fall, dass ihn jemand sah, tadellos bleiben. Er machte seiner Frustration Luft, indem er auf dem Absatz kehrtmachte und seine Jackenaufschläge mit einer unwirschen Bewegung zurechtrückte.

      Mirandas Zimmer wäre morgen auch noch da. Er könnte seine Suche in den öffentlicheren Räumlichkeiten beginnen und sich später mit seinem sonderbaren Zögern auseinandersetzen. Dass er Zweifel hatte, hieß nicht, dass sie unschuldig war, sondern nur, dass er sich bei seiner Untersuchung von seinen Instinkten leiten ließ. Er war sich fast sicher, dass der Gesuchte ein Mitglied des Personals war. Deshalb wollte er lieber mit den Zimmern anfangen, zu denen fast alle Dienstboten Zugang hatten.

      Als er geräuschlos die Treppe hinunterging, glaubte er diese Erklärung fast selbst.

      2

       Habe ich dich eben etwa mit Mr Ansley tanzen sehen?“

      Miranda drehte sich um. Ihre Freundin, Mrs Cecilia Abbot, die frühere Miss Cecilia Crosby, stand lächelnd vor ihr. Die beiden Frauen hatten sich in der Ecke dieses Ballsaals schon oft flüsternd unterhalten.

      „Ja.“ Miranda trat neben Cecilia und beobachtete gemeinsam mit dieser den Saal, während sie sich unterhielten. „Er wollte wissen, ob meine Schwester gern auf die Jagd geht. Offenbar plant seine Familie einen Jagdausflug.“

      „Der arme Mann! Mit Ausflügen in die Natur wird er Georginas Interesse bestimmt nicht wecken.“

      Dass er keinen Titel hatte, stellte ein viel größeres Hindernis dar als seine Liebe zur Jagd, aber Miranda war Cecilia dankbar, dass sie das nicht so deutlich aussprach. „Sie hat mir heute Morgen erst gesagt, dass sie sich schon allein deshalb auf London freut, weil es dort nicht so viel Natur gibt. Dort beschränken sich die Aktivitäten im Freien darauf, im Hyde Park spazieren zu fahren und durch die Lustgärten zu schlendern.“

      „Hm.“ Cecilia blickte sich im Saal um, bevor sie Miranda aus dem Augenwinkel anschaute. „Du hast auch mit Lord Osborne getanzt.“

      Miranda errötete leicht. Sie hatte gehofft, dass das niemandem aufgefallen wäre. „Ja, das stimmt.“

      Cecilia räusperte sich. „Hat er sich ebenfalls nach Georgina erkundigt?“

      Wenn ihr jemand anders diese Frage gestellt hätte, hätte Miranda wahrscheinlich gelogen. Selbst im Gespräch mit ihren zahllosen anderen Freundinnen hätte sie gelacht und erzählt, wie entzückend der Tanz gewesen wäre. Aber Cecilia hatte keinerlei gesellschaftliche Ambitionen. Sie war nicht einmal während der Saison nach London gezogen, sondern lieber in Hertfordshire geblieben, um einen Mann zu finden, der sie so liebte, wie sie war.

      Die Glückliche!

      Miranda strich mit ihrem Handschuh über ihren Rock und schaute den Tänzern zu. „Er hat gefragt, ob wir über die Wintermonate in die Stadt ziehen werden. Er hat angeboten, mit uns auf dem Serpentine Schlittschuh zu laufen, falls er zufriert.“

      „Was für ein grauenhafter Grund, um den ganzen Winter in London festzusitzen!“ Cecilia verzog angewidert das Gesicht.

      „Mr Quinn hat sich wiederum erkundigt, ob Georgina das Theater genauso sehr liebt wie ich.“ Miranda lächelte und hoffte, dass es natürlich aussah. Wenn sie die Stirn zu sehr runzelte, würde sie nur ungebetene Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „Wenigstens hat er sich erinnert, dass ich gern ins Theater gehe.“

      Cecilia betrachtete sie mitfühlend. „Sie tanzen nicht alle nur wegen Georgina mit dir. Oder wegen deines Bruders, des Herzogs. Das weißt du doch.“

      „Möglich. Aber ich habe heute Abend deutlich mehr Aufforderungen zum Tanz bekommen, als bei den üblichen Bekannten der Familie und Ehemännern von Freundinnen zu erwarten gewesen wäre“, erwiderte sie.

      „Das liegt daran, dass du allen anderen einen Korb gibst.“

      „Nicht allen.“ Miranda schaute zu, wie ihre Schwester sich auf der Tanzfläche drehte und Lord Eversly anlächelte, der fast dreißig Kilometer entfernt wohnte. War er etwa den ganzen Weg nur deshalb gekommen, um Georgina kennenzulernen?

      Miranda kannte diese Männer seit mindestens vier Jahren. In dieser Zeit hatten sie es kaum für nötig befunden, ein Wort mit ihr zu wechseln. Geschweige denn, mit ihr zu tanzen.

      Georginas Schar von Bewunderern war im Laufe des Abends stetig gewachsen. Zufriedenheit und Abscheu rangen in Miranda um die Vorherrschaft, während sie eine Hand auf die Perlenverzierungen an ihrem Kleid legte.

      „Wird es in London die ganze Zeit so sein, Cecilia? Ich bin nicht sicher, ob ich diese Demütigung ertragen kann. Alle werden mich mit ihr vergleichen und dabei werde ich nicht gut abschneiden. Im Gegenteil, alle werden mich für eine alte Jungfer halten.“

      Miranda zwickte sich in den Finger, um die Tränen zurückzudrängen.

      „Eine Dame zeigt in der Öffentlichkeit nie ihre Gefühle.“

      Die Erinnerungen an die häufigen Ermahnungen ihrer Mutter erschienen ihr so real, als stünde diese neben ihr. Sie vernahm diese Worte sogar in Mutters Stimme.

      „Du bist ganz gewiss keine alte Jungfer. Es ist erst deine vierte Saison. Und es gibt mehr vermögende Frauen, die lieber warten. Nur die Verzweifelten tun so, als müsse man unbedingt in der ersten Saison einen Mann finden.“

      Miranda schwieg. Was Cecilia sagte, stimmte. Miranda hatte mehr Angst davor, dass vor allem ihre feste Entschlossenheit, einen Mann zu finden, dem es um sie ging und nicht nur um die Beziehungen ihrer Familie, sie um eine glückliche Ehe bringen würde. Was sollte sie tun, wenn ihre Schwester vor ihr die große Liebe fand?

      „Außerdem“,