die einzige Dekoration, die das gänzlich in Weiß gehaltene Zimmer aufhellt, ist der bunte Blumenstrauß aus Plastik, der einsam auf einen kleinen Hocker gestellt wurde.
Axel ist kein Junge, der sich leicht unterkriegen lässt, auch wenn er geschwächt ist und sich manchmal vor Magenschmerzen krümmt – von einem Klinikum lässt er sich nicht langweilen. Und so fasst Axel einen Beschluss: Er verlässt seine weiße Zelle und sucht nach etwas Abwechslung. Na, wenn er nur gewusst hätte, in welches Abenteuer sich da noch stürzen würde ...
Axel war klug genug, sich heimlich in Alltagsklamotten zu werfen, um weitgehend unbemerkt durch die eintönigen Gänge der unüberschaubar großen Klinik zu schlendern. Alles, was der Junge eigentlich wollte, war, einen Weg nach draußen zu finden, etwas spazieren gehen und rechtzeitig zurückkehren, noch bevor jemand sein Wegbleiben bemerke und ihn suchen ging. Der Plan hätte ja sogar aufgehen können, hätte er sich nicht schon nach wenigen Minuten verlaufen. Jetzt raste er schon förmlich durch die Gänge, versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren und ja nicht aufzufallen.
Was jetzt? Jemanden fragen?
Das kam für den mutigen Axel definitiv nicht infrage, schließlich nahm er alles selber in die Hand und ließ sich sehr ungern helfen. Ihm zugutekam das Glück, dass an diesem Dienstag ungewöhnlich wenig los war und er sich so keinem großen Publikum aussetzen musste. Er durchlief Dutzende Türen, hastete durch etliche Gänge, aber kein Ausweg war in Sicht. Die Informationstafeln an jeder Ecke waren auch nicht sehr hilfreich, zu kompliziert die ganzen Wegbeschreibungen. Diese blöde Erwachsenensprache!
Es könnte oft so viel einfacher sein, sich zu verständigen ...
Und dann geschah das, was er erst nicht glauben wollte. Am anderen Ende eines weiteren Korridors stand plötzlich ein in einen riesigen Mantel gehüllter Mann, auf seinem Haupt ein kaffeebrauner Hut mit gigantischer Krempe, mit dem Rücken zu Axel. Als ob das nicht schon verdächtig genug gewesen wäre, hielt der groß gebaute Mann ein Messer, nein, ein Skalpell in seiner linken Hand. Woher er das hatte? Er hatte es offensichtlich geklaut ... Die mysteriöse Gestalt schaute sich zwar um, vergaß aber, nach hinten zu schauen – ein großes Glück für Axel. Allgegenwärtig dachte dieser nämlich nur noch eines: „Verfolgen!“
Axel war ein Meister im unauffälligen Verfolgen, dachte er zumindest. Er ging dem Mann hinterher, Gang für Gang, und dachte, nicht bemerkt worden zu sein, doch dann bliebt der Mann ganz plötzlich stehen und unserem Junior-Detektiv gefror das Blut in den Adern. Ob ihn seine Schritte, die vielleicht doch nicht so leise gewesen waren, wie er gedacht hat, verraten hatten?
Der Mann drehte sich ganz langsam um. Zum Vorschein kam ein durch eine große Sonnenbrille verhülltes Gesicht, die Hutkrempe bis in die Stirn gezogen. Ein grauer Stoppelbart wuchs rund um den ungewöhnlich roten Mund des Unbekannten, der sich jetzt mit langsamen Schritten auf Axel zu bewegte, während unser mutiger Patient in Jeans und T-Shirt wie angewurzelt noch immer auf haargenau demselben Platz stand.
Der Fremde vermochte eine ganz gewisse Kraft auszuüben, eine, die Axel zu versteinern wusste. Doch dann kam der rettende Gedanke. „Lauf!“, schoss es ihm durch den Kopf, während der Koloss bereits die Hand, in der er das Messer hielt, hochhob. Eine Verfolgungsjagd begann, die der geschwächte Axel sicherlich nicht für sich hätte entscheiden können, wäre da nicht plötzlich ein ordentlicher Aufprall und ein metallenes Klirren zu hören gewesen. Unser verzweifelter Axel blieb zwar stehen, konnte sich aber unter keinen Umständen umdrehen.
Stille.
Diese wurde von einer warmen, aber sehr tiefen Stimme unterbrochen „Axel Juranek?“
Wusste der gefährliche Unbekannte etwa auch schon, wie Axel hieß? Reflexartig drehte sich der mutige Junge um und ... erblickte den im Mantel umhüllten Mann auf dem Boden, überwältigt von einem Polizisten, hinter dieser Szenerie eine Krankenschwester mit einem weiteren Polizisten.
„Wir haben ihn überwältigt, stellen ihn an der Wache ab“, raunte der zweite Polizist in seine Jacke. „Glückwunsch, kleiner Ausreißer.“
Axel konnte nur staunen.
„Dank dir sind wir einer heißen Spur auf die Schliche gekommen.“
Die Sonnenbrille des Fremden wurde vom ersten Polizisten abgenommen, erboste, tiefblaue Augen schauten Axel erzürnt an. Schließlich brach Axel zusammen, die Besinnung verlierend ...
Später sollte sich herausstellen, dass der Fremde Markus Achter war, ein von der Polizei gesuchter Verbrecher, berüchtigt für seine gefährlichen und fahrlässigen Taten, etwa ein geplanter Mord an einem der Ärzte in einer unscheinbaren Klinik, an einem ebenfalls so ordinären Dienstag ...
Ernad, aus Linz, Österreich
*
Rache ist süß
Krachend schlug die Schlafzimmertür zu. Benji Joel Klows Schädel brannte wie Feuer, denn Taro, sein Opa, hatte ihm zuvor einen kräftigen Schlag mitten ins Gesicht verpasst, bevor er ihn rückwärts zu Boden stieß. Benji Joel Klow hatte nämlich seit zwei Tagen den Haushalt nichts mehr gemacht. Nun lag er da wie ein toter Vogel, der aus dem Nest gefallen war, und bewegte sich kaum. Der fahle Mondschein sickerte durch das Dachfenster und im Mondlicht konnte man deutlich den großen Lindenbaum im Garten erkennen. Da ertönten zwölf Glockenschläge der Kirchturmuhr.
Ding, Dong, Ding, Dong … Es war Mitternacht. Irgendwo draußen hörte man ein leises Rascheln und der Wind blies durch das offene Fenster und ließ es klappern. Es war bitterkalt.
Nachdem er sich von dem Schrecken erholt hatte, stand Benji Joel Klow langsam auf. Er taumelte rückwärts über den knarrenden Holzboden und stolperte dabei aus Versehen über etwas Hartes. Benji Joel Klow rappelte sich blitzschnell wieder auf und landete direkt in dem Ehebett, das einmal seinen Eltern gehört hatte. Seine Mutter Lilith Antong wurde nämlich aufgrund psychischer Probleme in eine Irrenanstalt eingewiesen und saß dort schon 13 lange Jahre, und das nur, weil sie so um ihren verstorbenen Ehemann Livian Klow trauerte, der wegen eines schweren Autounfalls gestorben war.
Benji lag immer noch mucksmäuschenstill im Bett und rieb sich den Schädel. „Hoffentlich keine Gehirnerschütterung oder Schlimmeres“, jammerte er leise vor sich hin.
Plötzlich krachte die Eingangstür ins Schloss. „Wer kann das um die Zeit noch sein?“, fragte sich Benji ratlos.
„Wo warst du, Yara?“, brüllte Taro.
Entsetzt wirbelte Yara zum Wohnzimmer herum. Dort saß Benjis Opa Taro gemütlich ihn einem Armsessel. In der rechten Hand hielt er seinen Kaffee und trank genüsslich ein paar Schlückchen, wobei ihm ein bisschen auf sein Hemd tropfte. In der linken Hand hielt er seinen schwarzen, alten Gehstock. Taro starrte Yara mit großen Augen an. Irgendwie sah es so aus, als würde er sie gleich auffressen. Mit seinem dicken, roten Pullover und seiner weiten, schwarzen Schlabberhose sah er aus wie ein zusammengefallener Sack.
Yara schluckte. Sie suchte nach einer Ausrede, doch sie brachte kein einziges Wort heraus. Schließlich war sie es nicht gewohnt, angeschrien zu werden, und sie hatte auch ein wenig getrunken.
„Du kannst in Benjis Zimmer übernachten, ich denke, er schläft schon, aber ihr könnt euch ja morgen kennenlernen. Wir reden morgen wieder und ich werde es deinen Adoptiveltern weiterleiten, dass du so lange unterwegs warst! Übrigens, sein Zimmer ist gleich um die Ecke, dann die Treppe rauf.“
„D…daankke“, stotterte Yara. Sie war völlig überrascht, dass Taro so launisch sein konnte.
Benji hatte alles belauscht, doch wer war diese Person? Langsam wurde es ihm ein bisschen unheimlich, schließlich würde in wenigen Sekunden irgendeine fremde Person in seinem Zimmer schlafen. Benji beschloss, einen Plan auszudenken, doch dafür war es zu spät. Langsam, ganz langsam bewegte sich die Türklinke und die Tür glitt auf.
Im Mondschein konnte er ein wunderschönes Mädchen mit vielen Locken erkennen, aber Benji hatte trotzdem riesige