Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 4 – Familienroman


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besser verstehen«, äußerte er zögernd.

      »Wenn ich groß bin?«

      »Ja.«

      »Wenn ich groß bin, lasse ich mich bestimmt nicht scheiden«, sagte Jochen mit fester Stimme.

      Siegfried Werner wollte über diesen allzu weit in die Zukunft reichenden Beschluss lächeln. Doch es gelang ihm nicht, denn sein kleiner Sohn schaute ihn ernst und traurig an. Die Angst war in dem Kinderherzen geblieben. Jochen fürchtete sich davor, geschiedene Eltern zu haben. Er konnte sich auch nicht vorstellen, von seiner Mutti getrennt zu werden.

      *

      Lilo hatte tiefe Schatten unter den Augen, als sie den Abendbrottisch abräumte. Sie war trotz ihrer Kopfschmerzen aufgestanden und hatte etwas zu essen gemacht. Jochen saß bereits in der Badewanne.

      Siegfried räusperte sich. »Vielleicht fahre ich morgen zu Rita, Lilo. Oder nein, das wäre zu kurz anberaumt. Ich muss auch erst die Entwürfe für die neue Seifenwerbung fertig machen. Aber in acht Tagen möchte ich dann bestimmt zu ihr fahren.«

      »Natürlich. Du brauchst mich doch nicht um Erlaubnis zu fragen.«

      »Hättest du etwas dagegen, dass ich Jochi mitnehme?« Die Frage wollte nicht so ohne Weiteres über seine Lippen.

      »Jochen? Warum denn?«

      »Ich möchte, dass er Rita kennenlernt. Er kam vorhin zu mir und war recht unglücklich. Durch einen dummen Zufall hat er eine Unterhaltung zwischen uns mitangehört. Er weiß bereits, dass wir die Absicht haben, uns zu trennen.«

      Lilo erschrak.

      »Wirklich? Versteht er das überhaupt?«

      »Seine Schulfreundin Anja, deren Eltern geschieden sind, hat ihm allerlei erzählt. Jochen ist sogar einmal heimlich bei Frau von Lehn gewesen.«

      »Bei der Dame mit dem Tierheim?«, fuhr Lilo ärgerlich auf.

      »Ja, Lilo. Er scheint ihr sein Herz ausgeschüttet zu haben. Er behauptet, das ganze habe sich nachts abgespielt. Das wird wohl nicht stimmen.«

      »Nachts? Das ist unmöglich. Vielleicht war es ein bisschen dunkel. Angenehm ist es mir nicht, dass er ausgerechnet bei Frau von Lehn war. Sie hat so eine Art, sich in alles einzumischen.«

      Siegfried hob die Schultern. »Frau von Lehn ist mir nicht wichtig. Aber mein Jochi!«

      »Wie meinst du das?« Lilo hatte eben das Tischtuch zusammengelegt. Sie ließ nun die Hände sinken und sah ihren Mann forschend an.

      »Jochi möchte lieber bei mir bleiben. Ich war selbst verwundert.«

      »Was soll denn nun werden?«, fragte Lilo tonlos.

      »Ich finde, man muss die Wünsche eines Kindes respektieren. Deshalb will ich Jochi mitnehmen. Rita und er sollen Freundschaft schließen.«

      »Du sagst, Frau Hellmann sei an Kindern nicht interessiert!«

      »Wenn sie Jochi sieht, wird sie ihn sofort ins Herz schließen. Die beiden verstehen sich bestimmt auf Anhieb.«

      »Dass es ihm gar nichts ausmacht, sich von mir zu trennen!« Lilos Stimme klang rau und fremd.

      »Jungen fühlen sich halt mehr zum Vater hingezogen. Er wird dich natürlich einmal besuchen.«

      »Ja.« Lilo wandte sich ab und legte das Tischtuch weg. Eine Träne rann über ihre Wange. Hastig wischte sie sie mit dem Handrücken fort.

      Siegfried Werner war zufrieden mit sich. Er fand, er verhalte sich seiner Frau gegenüber durchaus korrekt und fair. Die Aussicht, seinen Jungen behalten zu können, stimmte ihn glücklich.

      »Ich gehe nach oben, um Jochen die Haare zu waschen«, sagte Lilo leise und ging hinaus.

      Warum macht sie ein so trauriges Gesicht, dachte der Mann. Warum spricht sie nicht endlich in aller Offenheit über ihre eigenen Pläne?

      Etwa eine Viertelstunde verging. Dann rief Jochen nach seinem Vater. Der Junge lag im Bett und duftete nach Sauberkeit und Seife.

      »Gute Nacht, Jochi. Vorhin habe ich mit Mutti schon ausgemacht, dass wir zwei nächste Woche zu Tante Rita Hellmann fahren.«

      »Hm. Mutti hat mich gefragt, ob ich wirklich mitkommen will.«

      »Möchtest du?«

      »Du sagst doch, dass sie nett ist. Ich fahre gern mit dir im Auto weg.«

      »Nächstes Wochenende, Jochi. Ehrenwort.«

      »Prima, Vati.«

      Die Aussicht auf den Ausflug mit dem Vati ließ Jochens Kummer ein wenig in den Hintergrund treten. Siegfried Werner war überzeugt, dass nun alles in schönster Ordnung sei. Er umarmte seinen Jungen und löschte das Licht.

      *

      Die Zuneigung zwischen Klaus Magnus und seinem Sohn vertiefte sich rasch. Der Vater erzählte dem Jungen von seiner verstorbenen Mutter und zeichnete ein zartes, märchenhaftes Bild von Gabi Renz, wie er es selbst im Herzen bewahrt hatte.

      »Wir würden sie lieb haben, wenn sie noch bei uns wäre«, sagte Klaus und schob seine Hand in die des Vaters.

      Die beiden wanderten durch den Wald von Sophienlust. Die Nachmittagssonne sandte schräge Strahlen durch die grünen Wipfel.

      »Sehr lieb«, bestätigte der Mann.

      »Weißt du, jetzt verstehe ich, warum Jochens Eltern mich nicht so gern leiden mochten wie ihn.«

      »Wir wollen trotzdem dankbar sein, dass sie dich aufgenommen haben. Sie sind für dich Onkel und Tante, weil Jochens Mutter und deine Mutter Schwestern waren.«

      Klaus Magnus schwieg eine Weile und hing seinen eigenen Gedanken nach. Das ständige Beisammensein mit seinem Sohn hatte ihm völlig neue Erkenntnisse vermittelt. Unmerklich hatte er sich zugleich innerlich von Lilo Werner entfernt. Immer klarer war die Erkenntnis geworden, dass es in erster Linie ihre Ähnlichkeit mit Gabi gewesen war, die ihn gefesselt hatte. Was Klaus über das Verhalten seiner Pflegemutter berichtet hatte, trug außerdem dazu bei, dass er Lilo mit anderen Augen zu betrachten begann. Es beschämte ihn jetzt, dass er die Abwesenheit ihres Mannes gewissermaßen ausgenutzt hatte.

      Sie wird mich verstehen, dachte er. Wir haben uns hinreißen lassen, aber glücklicherweise nicht zu weit. Frau von Schoenecker hat recht. Es geht um die Kinder. Klaus kommt mit mir, und Jochen wird bei seinen Eltern bleiben.

      »Warum sagst du nichts, Daddy?«

      »Ich habe mir etwas überlegt.«

      »Etwas Schönes?«

      »Hm … Dass es nicht mehr lange dauert, bis wir abreisen.«

      »Kommen wir nie mehr wieder?«

      »Doch, Klaus. Und wir werden dann auch Sophienlust besuchen.«

      »Das ist gut.« Der Bub seufzte erleichtert auf. »Ich gehöre doch zu den glücklichen Kindern von Sophienlust. Schau, da drüben ist unser Märchenwald. Mein Namensbäumchen kann ich dir zeigen. Jedes Kind hat einen solchen Baum.«

      Klaus führte seinen Vater zu der Baumschule, die an der Stelle angelegt worden war, wo ein Waldbrand gewütet hatte. Viele der jungen Bäume trugen einfache Schilder, auf denen die Namen von Kindern standen, die einmal in Sophienlust gewesen waren oder sich noch immer dort aufhielten.

      »Hier, Klaus Werner steht darauf, Daddy.«

      »Bald müssen wir das ändern, Junge. Du wirst Klaus Magnus heißen, genau wie ich.«

      »Damit alle Leute wissen, dass du mein Daddy bist?«

      »Ja, Klaus.«

      »Du – Daddy?«

      »Ja, Klaus?«

      »Wer kocht eigentlich für uns in Südafrika?«

      »Ich habe eine Köchin, Klaus. Sie wird sehr lieb zu dir