ich vorschlagen, daß wir zu mir fahren?« fragte sie zurück.
»Einverstanden.«
Stefanie konnte nicht ahnen, daß Ralph vor ihrem Haus auf sie warten würde. Er hatte sich dazu entschlossen, weil er unbedingt mit ihr sprechen wollte.
Als er ihren Wagen halten sah, wollte er schon auf sie zugehen, aber dann sah er den Mann, der diesem Wagen ebenfalls entstieg. Ein schlanker, hochgewachsener Mann war es, ohne Kopfbedeckung, doch in der Dämmerung war es nicht zu unterscheiden, ob sein Haar grau oder blond war.
Für den von Eifersucht geplagten Ralph stand es in diesem Augenblick fest, daß es in Stefanies Leben doch einen anderen Mann gab, aber es konnte ihn nicht beruhigen, daß es nicht Peter war. Ihn brachte es aus dem Gleichgewicht, als dieser Mann mit Stefanie das Haus betrat. Im Schatten eines Baumes auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehend, beobachtete er, wie hinter ihren Fenstern das Licht aufflammte, wie sie dann die Jalousien herabließ. Er wartete mehr als eine Stunde, daß ihr Begleiter wieder aus der Türe treten würde, aber er wartete umsonst.
Stefanie und Professor Weissenberger hatten sich eine ganze Stunde unterhalten, bis sie die Frage stellte, wie lange er Peter noch an Lebensdauer geben würde. Ihre Stimme zitterte dabei, sosehr sie sich auch zusammennahm.
»Ein paar Monate«, erwiderte er. »Genau kann es niemand sagen. Was immer wir auch unternehmen, es werden nur Versuche sein, Stefanie. Ich will Sie nicht täuschen. Er muß diese Krankheit schon längere Zeit in sich tragen. Es kann eine langsame Entwicklung gewesen sein, doch jetzt wird sie rapide fortschreiten. Dr. Norden hat dies sehr genau erkannt.«
»Ich habe nicht mit einer besseren Nachricht gerechnet. Ich fürchte mich nur davor, wie er reagieren wird, wenn sich keine Besserung einstellt.«
»Wir haben uns zu einer medikamentösen Behandlung entschlossen, die ihm Besserung vortäuschen wird«, erklärte Professor Weissenberger zögernd.
Stefanie wußte, was er meinte. Opiate! Ja, diese Behandlung würde ihm wohl die Ängste nehmen, aber er würde sie immer häufiger in Anspruch nehmen müssen. Und er würde immer mehr verfallen. Er würde sich im Spiegel sehen und diesen Verfall feststellen. Der Hochstimmung würde das Tief folgen und eines Tages das Ende.
Sie würde ihn nicht im Stich lassen, so schwer diese Wochen auch sein würden. Sie dachte an den lustigen, lebensfrohen Peter, mit dem sie so übermütig hatte lachen können, daß Ralph manchmal nur nachsichtig den Kopf geschüttelt hatte. Das Lachen würde ihr in Zukunft schwerfallen.
*
Peter machte sich keine Gedanken. Er fühlte sich so wohl wie schon lange nicht mehr und war froh, daß er in die Klinik gegangen war.
Er war felsenfest davon überzeugt, daß dies der erste Schritt zu seiner Genesung war.
Die Ärzte hingegen zerbrachen sich den Kopf, wie die Behandlung durchgeführt werden könnte, ohne daß er dahinterkam, welche Medikamente ihm verabreicht wurden.
Dr. Norden hatte dann die Idee, ihm die Kapseln in einer neutralen Dose zu geben. Er brachte ihm auch vorsichtig bei, daß hin und wieder eine Infusion nötig sein würde.
»Hauptsache, es hilft«, meinte Peter, der sich jetzt in einem euphorischen Zustand befand.
»Sie dürfen keinesfalls mehrere Tabletten am Tag nehmen«, erklärte Dr. Norden. »Das wiederum könnte eher schaden als nützen.«
»Jetzt möchte ich aber wissen, um was für eine Krankheit es sich handelt«, sagte Peter.
»Um eine vegetative Dystonie«, sagte Dr. Norden. Immerhin konnte er sicher sein, daß Peter ähnliche Symptome feststellen würde, wenn er auf den Gedanken kam, sich darüber zu informieren. Aber auf solchen Gedanken kam Peter gar nicht. Medizin interessierte ihn überhaupt nicht. Ihm war es nur wichtig, daß ihm geholfen wurde und daß er mit Stefanie so fröhlich beisammen sein konnte wie früher.
»Es wäre auch vorteilhaft, wenn Sie einige Wochen in einem milderen, gleichmäßigeren Klima zubringen würden. Viel frische Luft, vitaminreiche Ernährung, und nur das essen, was Ihnen schmeckt und bekommt«, sagte Dr. Norden.
»Welche Gegend schlagen Sie vor?« fragte Peter.
»Vielleicht den Schwarzwald. Jedenfalls kein Hochgebirge, und Skifahren sollten Sie vorerst auch nicht.«
Dr. Norden war heilfroh, daß Peter nicht eindringlichere Fragen stellte, die ihn in Verlegenheit bringen konnten.
»Ich werde ein folgsamer Patient sein«, sagte Peter, »aber eine richtige Krankheit ist das doch nicht.«
Er sollte in dem Glauben bleiben, solange es möglich war. Es blieb nur zu hoffen, daß nicht irgendein Außenstehender diesen Glauben erschütterte.
*
Kaum war Peter wieder daheim, rief er Stefanie an. Sie war insgeheim darauf schon vorbereitet. Er sagte ihr, daß er ein paar Tage hatte verreisen müssen, daß ihm dies aber gut bekommen sei, und er entschuldigte sich bei ihr, weil er sich an jenem Abend so schlecht gefühlt hatte.
»Das kann jedem passieren, Peter«, sagte Stefanie. »Mir war auch nicht gut.«
»Können wir uns heute sehen?« fragte er.
»Ja, gern.«
»Allein?«
»Wenn du es willst?«
Eine größere Freude konnte sie ihm nicht machen. Er wollte sie um sieben Uhr von ihrer Wohnung abholen. »Wir gehen ganz schick aus«, sagte er. »Ich habe auch eine Überraschung für dich.«
Sie erwähnte Ralph nicht, aber sie überlegte beklommen, was er seinem Bruder wohl sagen würde.
Peter triumphierte. Er fühlte sich als Sieger, und daraus wollte er auch kein Geheimnis machen.
Als Ralph aus der Fabrik kam, fragte er: »Wo hast du gesteckt, Peter?«
»Ich habe mich ein bißchen erholt. Wie du siehst, ist es mir gut bekommen. Ich brauchte Tapetenwechsel, um Abstand zu gewinnen.«
»Wovon?« fragte Ralph.
»Wir können nicht immer wie siamesische Zwillinge zusammenhängen. Es tut mir leid, wenn du eine Enttäuschung hinnehmen mußt, Ralph, aber ich werde Stefanie heiraten.«
Ralphs Gesicht erstarrte zu einer steinernen Maske. »Hast du sie schon gefragt?« stieß er hervor.
»Das werde ich heute abend tun, aber sie wird mir keinen Korb geben, nachdem sie zugestimmt hat, mich allein zu treffen. Ohne deinen Begleitschutz«, fügte er anzüglich hinzu. »Ich werde mir auch eine eigene Wohnung nehmen.«
»Wie du willst, und wie ist es mit deiner Tätigkeit in der Fabrik?«
»Legst du Wert darauf? Ich muß mich erst noch auskurieren. Es ist eine vegetative Dystonie. Nichts Besonderes, aber Dr. Norden hat mir Schonung verordnet. Und schließlich kann ich mit meinem Geld ja machen, was ich will.«
Der seltsame Glanz in seinen Augen irritierte Ralph, aber Peters Erklärung hatte ihn so erschüttert, daß er sie nur als Ausdruck des Triumphes deutete.
»Ja, dann kann ich dir und Stefanie nur Glück wünschen«, sagte er heiser.
»Und du wirst dich nicht einmischen?« fragte Peter lauernd.
»Ich werde nicht den eifersüchtigen Rivalen spielen«, sagte Ralph.
»Ich liebe Stefanie. Ich liebe sie wirklich. Du bist gar nicht fähig, eine Frau so zu lieben. Bei dir kommt zuerst doch immer die Arbeit.«
»Die muß ja wohl auch sein, sonst wären wir längst am Ende«, sagte Ralph kühl. »Das Geld gibt sich schneller aus, als es verdient ist.«
»Was nützt das Geld, wenn man am Leben vorbeigeht. Ich werde Stefanie ein schönes Leben bereiten. Ich will nicht, daß sie arbeitet.«
Ralph äußerte sich nicht dazu. Er ging zu seinem Arbeitszimmer. An der Tür drehte er