1836–37 erscheinen in monatlichen Heften die »Pickwick Papers«, durch die Dickens rasch Bekanntheit als Schriftsteller erlangt. Ebenso seine folgenden Romane entstehen als Fortsetzungsgeschichten in Zeitungen. Oft schreibt er an mehreren gleichzeitig.
Aber Dickens will nicht nur literarischen Erfolg, sondern auch auf gesellschaftliche Missstände hinweisen und den Weg für soziale Reformen ebnen. 1838 erscheint »Oliver Twist« und Dickens wird Herausgeber der liberalen Tageszeitung »Daily News«.
Auf einer erfolgreichen Lesereise in die Vereinigten Staaten bringt Dickens, der unter nicht autorisierten Veröffentlichungen auf dem amerikanischen Kontinent leidet, die Idee eines weltweiten Urheberrechtes auf, aber erntet dafür keine Unterstützung.
1843 veröffentlicht Dickens seine bekannte »Weihnachtsgeschichte«, in der er eine fantastische Handlung mit der moralischen Idee von Solidarität und Nächstenliebe verknüpft.
1856 erlauben ihm seine Einkünfte, den Landsitz Gad‘s Hill Place in Rochester zu erwerben. Am 9. Juni 1865 überlebt Dickens den schweren Eisenbahnunfall von Staplehurst. Diesen übersteht er körperlich unversehrt, wird aber zeitlebens an den Erinnerungen leiden.
1869 macht er eine letzte Lesereise durch Großbritannien, auf der er während einer Lesung einen Schlaganfall erleidet. Am 9. Juni 1870 stirbt Charles Dickens auf seinem Landsitz an einem zweiten Schlaganfall. Er wird am 14. Juni in der Westminster Abbey beigesetzt.
Dickens ist einer der meistgelesenen Schriftsteller der englischen Literatur. Der als Kind Mittelose hinterlässt bei seinem Tode ein stattliches Vermögen.
Charles Dickens bei Null Papier:
1. Kapitel – Ich komme zur Welt
Ob ich mich in diesem Buche zum Helden meiner eignen Leidensgeschichte entwickeln werde oder ob jemand anders diese Stelle ausfüllen soll, wird sich zeigen.
Um mit dem Beginn meines Lebens anzufangen, bemerke ich, dass ich, wie man mir mitgeteilt hat und wie ich auch glaube, an einem Freitag um Mitternacht zur Welt kam. Es heißt, dass die Uhr zu schlagen begann, gerade als ich zu schreien anfing.
Was den Tag und die Stunde meiner Geburt betrifft, so behaupteten die Kindsfrau und einige weise Frauen in der Nachbarschaft, die schon Monate zuvor, ehe wir noch einander persönlich vorgestellt werden konnten, eine lebhafte Teilnahme für mich gezeigt hatten…
erstens: Dass es mir vorausbestimmt sei, nie im Leben Glück zu haben, und
zweitens: Dass ich die Gabe besitzen würde, Geister und Gespenster sehen zu können. Wie sie glaubten, hingen diese beiden Eigenschaften unvermeidlich all den unglücklichen Kindern beiderlei Geschlechts an, die in der Mitternachtsstunde eines Freitags geboren sind.
Über den ersten Punkt brauche ich nichts weiter zu sagen, weil ja meine Geschichte am besten zeigen wird, ob er eingetroffen ist oder nicht.
Was den zweiten anbelangt, will ich nur feststellen, dass ich bisher noch nichts bemerkt habe. – Vielleicht habe ich schon als ganz kleines Kind diesen Teil meiner Erbschaft angetreten und aufgebraucht. Ich beklage mich auch durchaus nicht, falls mir diese schöne Gabe vorenthalten bleiben sollte. Und wenn sich irgendjemand anders ihrer vielleicht bemächtigt hat, mag er sie in Gottesnamen behalten.
Ich kam in einem Hautnetz zur Welt, das später um den niedrigen Preis von fünfzehn Guineen in den Zeitungen zum Verkauf ausgeschrieben wurde. Ob damals die Seereisenden gerade knapp bei Kasse waren oder schwach im Glauben und daher Korkjacken vorzogen, weiß ich nicht; ich weiß bloß so viel, dass nur ein einziges Angebot einlief, und zwar von einem Anwalt, der zugleich Wechselagent war und zwei Pfund bar und den Rest in Sherry geben wollte und es entschieden ablehnte, um einen höhern Preis diese Garantie gegen das Ertrinken zu erwerben. Die Annonce wurde zurückgezogen – denn was Sherry anbelangte, so wurde meiner armen lieben Mutter eigner Sherry gerade damals versteigert.
Das Hautnetz wurde zehn Jahre später in unserer Gegend in einer Lotterie unter fünfzig Personen ausgeknobelt; je fünfzig Bewerber zahlten eine halbe Krone per Kopf, und der Gewinner hatte noch fünf Schillinge daraufzulegen. Ich selbst war gegenwärtig und erinnere mich, wie unbehaglich und verlegen mir zu Mute war, als ein Teil meines eignen Selbsts auf diese Weise veräußert wurde. Ich weiß noch, dass eine alte Dame mit einem Handkorb das Netz gewann und die ausgemachten fünf Schillinge in lauter Halfpennystücken zögernd herausholte.
Es fehlten damals noch zwei und ein halber Penny, was man ihr nur mit einem großen Aufwand an Zeit und Arithmetik begreiflich machen konnte. Tatsache ist, dass die alte Dame wirklich nie ertrank, sondern triumphierend im Bette starb; zweiundneunzig Jahre alt.
Ich ließ mir erzählen, dass sie sich bis an ihr Ende außerordentlich damit brüstete, in ihrem ganzen Leben niemals auf dem Wasser gewesen zu sein, höchstens auf einer Brücke, und dass sie bei ihrem Tee, dem sie sehr zugetan war, stets ihre Entrüstung über die Gottlosigkeit der Seeleute aussprach, die sich auf dem Meere »herumtrieben«.
Es war vergebens, ihr vorzustellen, wie viele Annehmlichkeiten wir, den Tee zum Beispiel mit inbegriffen, dieser Unsitte verdanken. Stets erwiderte sie mit noch größerm Nachdruck und mit instinktivem Bewusstsein von der Gewalt ihres Einwandes: »Man hat sich trotzdem nicht herumzutreiben.«
Um mich aber nicht selbst herumzutreiben und abzuschweifen, will ich wieder zu meiner Geburt zurückkehren.
Ich erblickte in Blunderstone in Suffolk oder daherum, wie man in Schottland sagt, das Licht der Welt. Ich bin ein nachgebornes Kind. Meines Vaters Augen schlossen sich sechs Monate früher, als die meinigen sich öffneten.
Es liegt etwas Seltsames für mich in dem Gedanken, dass mein Vater mich niemals gesehen hat, und noch Seltsameres in der schattenhaften Erinnerung aus meiner ersten Kinderzeit an den weißen Grabstein auf dem Kirchhof. Ich empfand unsäglichen Kummer, dass er dort draußen allein liegen musste in der dunklen Nacht, während unser kleines Wohnzimmer warm und hell war von Feuer und Licht und das Tor unseres Hauses – fast grausam kam es mir manchmal vor – für ihn verriegelt und verschlossen.
Eine Tante meines Vaters, folglich eine Großtante von mir, von der