Dr. phil.
Dozent und Leiter Institut für Kooperationsforschung und -entwicklung
Fachhochschule Nordwestschweiz
Hochschule für Angewandte Psychologie
Riggenbachstrasse 16, CH-4600 Olten
Schumann, Frank
Projektleiter
Diakonisches Werk Berlin Stadtmitte e. V.
Fachstelle für pflegende Angehörige
Am Südstern 8–10, D-10961 Berlin
Sollberger, Daniel, PD Dr. med. Dr. phil.
Stv. ärztlicher Direktor und Chefarzt ZPP/ZPS
Erwachsenenpsychiatrie Baselland
Bienentalstrasse 7, CH-4410 Liestal
Stadler, Christina, Prof. Dr. phil. Dr. med.
Klinische Professorin und Leitende Psychologin
Klinik für Kinder und Jugendliche der Universitären Psychiatrischen Kliniken
Wilhelm Klein-Strasse 27, CH-4002 Basel
Steffgen, Georges, Prof. Dr. rer. nat.
Professor für Sozial- und Arbeitspsychologie
Université du Luxembourg
Department of Behavioural and Cognitive Sciences
11, Porte des Sciences, L-4366 Esch-sur-Alzette
Tammen-Parr, Gabriele
Projektleiterin
Pflege in Not – Beratungs- und Beschwerdestelle bei Konflikt und Gewalt in der
Pflege älterer Menschen
Diakonisches Werk Berlin Stadtmitte e. V.
Wilhelmstr. 115, D-10963 Berlin
Theurillat, Thomas, lic. phil. hum.
Arbeitspsychologe, Geschäftsführer und Coach
ONEDAY Coaching GmbH
Jungfraustrasse 38, CH-3800 Interlaken
Walter, Marc, Prof. Dr. med.
Chefarzt und stv. Klinikdirektor
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
Wilhelm Klein-Strasse 27, CH-4002 Basel
Weichbrodt, Johann, Dr. sc.
Senior Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Teamleiter
Fachhochschule Nordwestschweiz
Hochschule für Angewandte Psychologie
Riggenbachstrasse 16, CH-4600 Olten
Wolff, Kira, Dr. med.
Oberärztin
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
Zentrum für Psychosomatik und Psychotherapie ZPP
Wilhelm Klein-Strasse 27, CH-4002 Basel
Geleitwort: Gebt mir einen Virus und ich werde die Welt aus den Angeln heben – ein philosophischer Kommentar
Olivier Del Fabbro
Im Jahre 1982 schreibt der französische Philosoph und Soziologe Bruno Latour einen Artikel unter dem Titel »Gebt mir ein Laboratorium und ich werde die Welt aus den Angeln heben« (Latour 2006). Fast vierzig Jahre später kann analoges zur aktuellen Lage der »Welt« behauptet werden, die durch das wilde Treiben von einem ihrer Bewohner, des neuartigen Coronavirus, betroffen ist.
In den Science and Technology Studies ist Bruno Latour bekannt als Mitbegründer der Akteur-Netzwerk-Theorie, die davon ausgeht, dass jegliche Realitätsform strukturiert ist durch das Verhalten von Akteuren, die in Interaktion zusammen sogenannte Netzwerke bilden. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Akteure und Netzwerke technisch, natürlich, menschlich oder sozial sind. Was zählt, ist einzig und alleine, was Akteure tun. Latour wollte die »Welt aus den Angeln heben«, indem er zeigt, dass kleine Akteure, wie zum Beispiel die von Louis Pasteur erforschten Mikroben Ende des 19. Jahrhunderts, unser gängiges Verhältnis von Innen und Außen, Mikro- und Makrostruktur hinterfragen. Das heißt, erstens wurden die von Pasteur erforschten Mikroben samt Laboratorium nach außen in die Gesellschaft transportiert, indem Pasteur seine Experimente vor den Augen der Öffentlichkeit demonstrierte. Zweitens, und wichtiger für unseren Kontext, wollte Latour zeigen, inwiefern es Pasteur gelang, mit Hilfe seiner Mikroben gesamte Diskurse und politische Maßnahmen zu beeinflussen. Winzig kleine Mikroorganismen werden zu Akteuren, die makroskopische Netzwerke wie Politik, Journalismus und Medizin beeinflussen und gar lenken (Latour 2011; Sarasin et al. 2007).
Ist Latours Geschichte nicht passend, um sie auf die Folgen des neuartigen Coronavirus-Ausbruchs projizieren zu können? Wir müssen nur ein Wort durch ein anderes ersetzen: das Laboratorium durch das Virus. Während Pasteur noch darum bemüht war, ersteres nach außen an die Öffentlichkeit zu tragen, gewinnt das Coronavirus ganz ohne Petrischale und Wissenschaftler in weißen Kitteln an Prominenz und Mächtigkeit. Wer ab jetzt noch als Philosoph an der sogenannten »agency« nicht-menschlicher Akteure zweifelt, muss hinter dem Mond leben. Denn nicht nur verbreitet das Virus sich biologisch rasch, es hebelt zugleich die Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, das Soziale, ja fast möchte man sagen: »das Leben an sich«, zumindest das menschliche, aus. Dass letzteres passiert, ist eine Tragik der Natur, eine Katastrophe, das Traurigste schlechthin. Dass aber alles andere auf der Kippe steht, ist selbstverschuldete Unmündigkeit von Einzelnen und Gesellschaften, denen es schwerfällt, aus der Geschichte zu lernen.
Die in Krisenzeiten von ganz oben vorgegeben sozialen Verhaltensregeln unterscheiden sich je nach Land nur graduell, aber sie zielen alle auf das gleiche ab: Ansteckungen zu vermindern. Was am Leben gehalten werden muss, ist aber nicht nur das Leben selbst, sondern auch das Leben des Gesundheitssystems. Betten und Beatmungsgeräte müssen bereitgestellt werden können, die Notaufnahme darf nicht überlastet werden, Kliniken dürfen nicht selbst zu Infektionsherden werden, und so weiter. Schließlich gibt es ja auch noch »normale« Kranke, die einer Behandlung bedürfen. Doch wen gilt es nun zu retten: das Gesundheitssystem oder das Individuum, oder beides? Aber Moment mal: Sollte das erste nicht für letzteres da sein? Seit wann müssen denn Individuen das Gesundheitssystem am Leben halten? Dass immer noch Menschen unsicher sind, mit welcher Krankheit man sich in die Notaufnahme begibt und mit welcher man besser beim Hausarzt aufgehoben ist, kommt leider häufig vor; auch schon vor Corona-Zeiten. Doch liegt das Problem wirklich bei diesen Menschen? Handelt es sich hier um die gleiche Problematik wie beim Toilettenpapier? Hamstern bis zum geht nicht mehr, und wenn es hart auf hart kommt und der Staat und die Einkaufsläden Menschen im Stich lassen, dann ist wenigstens noch Toilettenpapier da, um sich vor Gewalt, Chaos und Elend zu schützen. Alle diejenigen, die zu Beginn der Ausgangssperren versucht haben, Toilettenpapier zu kaufen, weil sie eigentlich ganz »normal« weiter konsumiert haben und nur wie immer das gekauft haben, was nötig