auf seinem Gesicht ausbreitete. Dann schnappte er nach Luft und griff sich an den Hals. Er vergaß darüber, den Alarmknopf zu drücken, konnte schon nichts mehr sehen und taumelte zurück.
Mylady war nicht untätig geblieben.
Der junge Mann, der sie gestoppt hatte, zog sie am linken Ärmel der Kostümjacke energisch von der Treppe zurück und begab sich damit in akute Gefahr. Agatha Simpson setzte ihren Pompadour ein und legte den Glücksbringer darin auf seinen linken Unterkiefer.
Daraufhin brach der Mann in sich zusammen, vergaß, daß er Beine hatte, fiel gegen die Wand des Korridors und schielte Mylady an, bevor er fast erleichtert die Augen schloß.
»Diese Gimpel«, meinte Agatha Simpson und lächelte boshaft. »Sie halten ältere Menschen stets für hilflos und fallen auf jeden Trick herein.«
»Mylady waren allerdings mehr als überzeugend in der Rolle der vergeßlichen alten Dame«, gab Parker zurück.
»Ich weiß«, lobte sie sich wie selbstverständlich und lächelte wohlwollend Parker an. »Das macht mir so leicht keiner nach. Aber weiter jetzt! Das war nur das Vorspiel...«
*
Der Mann schien sein Tagespensum an Arbeit bereits hinter sich gebracht zu haben.
Er lag wie hingegossen in einem bequemen Sessel, hatte die Beine hochgelagert und schaute sich eine Fernsehsendung an. Bezeichnenderweise handelte es sich um einen älteren Kriminalfilm aus den USA, in dem ein gewisser Al Capone sein Unwesen trieb. Der Betrachter der Szene hatte der Tür den Rücken zugewandt und kam gar nicht auf den Gedanken, unerwünschten Besuch zu bekommen.
»Das waren noch Zeiten«, schwärmte er verhalten und nahm einen Schluck aus seinem Whiskyglas. »Mein Gott, sind die Jungens damals rangegangen.«
»Und mußten schließlich dennoch einsehen, daß Verbrechen sich auf keinen Fall lohnen«, machte Josuah Parker sich bemerkbar. Sein letztes Wort schwang noch in der Luft, als der große, schwere Mann blitzschnell die Beine von der Kante einer Aktenablage nahm und sich umwandte. Anschließend starrte er Lady Agatha und Parker wie Weltwunder an.
»Nun fragen Sie nur nicht, wie ich hereingekommen bin, junger Mann«, raunzte Mylady ihn an. »Fragen dieser Art kann ich schon nicht mehr ausstehen.«
»Ihre beiden Mitarbeiter waren so entgegenkommend, Mylady und meiner Wenigkeit den Weg zu weisen«, sagte Parker, um die erwartete Frage endgültig zu unterbinden. »Wie zu sehen ist, geben Sie sich bereits Ihrer Freizeit hin.«
»Verdammt, wer sind Sie?« brüllte der Mann und stand auf;
»Sie haben die Ehre, Mylady einige Fragen beantworten zu dürfen«, antwortete der Butler. »Fragen, die sich auf einen gewissen Lem Stiller beziehen.«
»Lem Stiller?« Der korpulente Mann runzelte die Stirn. »Was haben Sie denn mit dem zu tun?«
»Er vertraute sich, wenn auch notgedrungen, Lady Simpson an«, erklärte Parker, die Tatsachen ein wenig vereinfachend. »In diesem Zusammenhang ist von zwei Männern zu berichten, die den gerade erwähnten Mister Stiller zu Ihnen bringen sollten.«
»Sie sind doch niemals von der Polizei«, erwiderte James Falconer. »Was mischen Sie sich eigentlich in meine Angelegenheiten. Ich hab’ große Lust, Sie an die frische Luft setzen zu lassen.«
»Genieren Sie sich nicht, junger Mann«, forderte Lady Agatha ihn umgehend auf.
»Ich ... ich vergreif mich doch nicht an altem Schrott«, brüllte Falconer los, um diese Einschätzung umgehend zu bereuen. Agatha Simpson wurde prompt aktiv und warf ihm einen Aschenbecher an den Kopf, das heißt, genau traf sie nicht.
Das schwere Glasgefäß, das mit Zigarrenstummeln gefüllt war, landete auf der Brust des Gangsters. Asche wallte hoch und nahm dem Mann vorübergehend die Sicht.
»Jetzt reicht’s mir aber«, schnaufte Falconer gereizt. »Alles hat seine Grenzen.«
Er warf den nicht gerade leichten Sessel zur Seite und wollte sich auf Lady Agatha stürzen. Dabei übersah er Butler Parker, der in seiner diskreten Art ein wenig zur Seite getreten war. Der Butler benutzte den bleigefüllten Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes als eine Art Hemmschuh. Er legte ihn von hinten um den Hals des Mannes und bremste seinen Schwung nachhaltig.
James Falconer verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings gegen seinen Schreibtisch. Dabei quiekte er überraschend hell.
»Sie sollten sich auf keinen Fall unnötig chauffieren, Mister Falconer«, riet Parker ihm. »Meine Wenigkeit möchte noch mal betonen, daß Mylady plante, mit Ihnen ein durchaus freundliches Gespräch zu führen.«
Falconer richtete sich wieder auf und stöhnte verhalten. Er befingerte seinen Hals und blickte Parker und Lady Agatha noch mal sehr intensiv an. Dabei flackerten seine Augen.
»Ich glaub’s einfach nicht«, sagte er dann ein wenig heiser. »Ich glaub’s einfach nicht.«
»Das ist Ihre Sache, junger Mann«, machte Mylady ihm klar. »Beantworten Sie jetzt umgehend meine Fragen, die Mister Parker Ihnen stellen wird.«
»Parker? Butler Parker?« Falconer schluckte.
»Und Lady Agatha Simpson«, stellte der Butler genau vor.
»Sie sind das?« Falconer holte tief Luft.« Sie ...?«
»Ich weiß, junger Mann, daß Sie schon oft von mir gehört haben«, meinte die ältere Dame sichtlich zufrieden. »Aber jetzt zur Sache. Mister Parker, meine Fragen!«
»Sie hatten die Absicht, Mister Lem Stiller einem Verhör zu unterziehen«, erinnerte der Butler in seiner höflichen Art. »Würden Sie Mylady anvertrauen, über welches Thema Sie mit ihm sprechen wollten? Könnte es sich möglicherweise um die Frauenfalle und um einen Frauenjäger handeln?«
*
Chief-Superintendent McWarden, fünfundfünfzig, untersetzt, mit leichtem Bauch erinnerte wegen seiner vorstehenden Basedowaugen an eine stets leicht gereizte Bulldogge. Er leitete im Yard eine Spezialabteilung, die sich mit organisiertem Verbrechen befaßte. McWarden war ein hervorragender Kriminalist, doch er suchte immer wieder das altehrwürdige Haus der Lady Simpson in Shepherd’s Market auf, um sich hier Rat zu holen.
Er brauchte aber auch oft die aktive Hilfe seiner Gastgeberin und des Butlers. Mylady und Parker waren schließlich an keine Vorschriften gebunden und konnten wesentlich freier agieren als er.
Dafür nahm McWarden mehr oder weniger gern in Kauf, daß Agatha Simpson keine Gelegenheit ausließ, sich an ihm zu reiben. Er wußte letztendlich, daß sie es nie sonderlich ernst meinte, zudem verschaffte sie ihm so die Möglichkeit, ihre schottische Sparsamkeit anzusprechen und auf die Probe zu stellen.
An diesem späten Nachmittag hatte der Chief-Superintendent sich eingefunden, um einen reinen Höflichkeitsbesuch abzustatten, wie er behauptete.
»Sie brauchen also wieder mal meine Hilfe«, sagte Lady Agatha prompt und lächelte. »Ich kenne das schon, mein lieber McWarden. Sie sind ratlos.« »
»Zur Zeit habe ich keine Probleme«, erklärte McWarden und nickte, als Parker ihm einen Sherry anbot. Der Butler übersah den vorwurfsvollen Blick der Hausherrin, die solch ein Angebot natürlich für überflüssig hielt.
»Sie haben demnach also Urlaub«, stellte Mylady fest.
»Ich könnte ihn jederzeit nehmen. Wir haben hier in der Stadt alles fest im Griff, Mylady. Bis vielleicht auf eine Kleinigkeit.«
»Aha, jetzt lassen Sie die Katze aus dem Sack.« Sie lehnte sich zufrieden zurück.
»Diese Kleinigkeit kann ich aber meinen Mitarbeitern und dem zentralen Computer überlassen«, fuhr McWarden fort. »Es geht um reine Ermittlungen.«
»Die sich auf eine ganz bestimmte Person beziehen, Sir?« schaltete der Butler sich ein. Ihm war klar, daß der Chief-Superintendent nicht nur zufällig vorbeischaute.
»Unser Computer ist bereits dabei,