Christina Unger

LEICHENSCHMAUS


Скачать книгу

so! Na, das kann schon mal vorkommen! Wissen Sie denn, wer es getan hat?«

      Sie schaute in keiner Weise so betroffen drein, wie man es in Gegenwart eines Toten erwarten durfte. Auch die Burkhardts hatten vorgestern, als sie ihn zu ihrer toten Katze riefen, weit niedergeschmetterter gewirkt, als in Gegenwart des toten Herrn Wallner. Er würde sie unbedingt näher befragen müssen.

      »Ich bin Polizeiinspektor und kein Hellseher«, antwortete er patzig auf Frau Klampfls Frage, und prompt zog die Alte ein Gesicht. Er war noch keine zehn Minuten da und – Hokuspokus Simsalabim – sollte er den Mörder auch schon aus dem Hut zaubern! Und das, wo noch gar nicht erwiesen war, dass es sich um Mord handelte oder nicht doch um einen Unfall. Was dachten sich die Leute eigentlich bei solch dümmlichen Fragen?

      Zurück im Schlafzimmer stellte ihm Rudolf Wehrschütz die gleiche dämliche Frage wie vorhin Frau Klampfl: »Ihre erste Leiche?«, und schaute genauso mitleidig drein.

      »Magenverstimmung«, entgegnete Paul kurz angebunden und näherte sich dem Toten mit gerunzelten Augenbrauen und professioneller Amtsmiene. Er bückte sich und wollte gerade eine Hand nach dem Körper ausstrecken, als ihn die scharfe Stimme von Rudolf Wehrschütz mitten in der Bewegung stoppte.

      »Hände weg von meiner Leiche!«

      Im ersten Moment direkt erschrocken, riss Paul die Hand zurück. Okay, er hatte keine Handschuhe übergezogen, aber in der Eile hatte er es schlicht und einfach vergessen. Musste ihn dieser Wehrschütz deswegen vor den anderen Kollegen so vorführen? Hatten Gerichtsmediziner einen Besitzanspruch auf Leichen? Gehörten die ihnen persönlich?

      Der Wehrschütz und die Klampfl hatten ihm jetzt echt die ganze Freude verdorben. Da freute man sich, dass man endlich zu einer richtigen Leiche gerufen wurde und schon wollten sie sie ihm madig machen!

      Er hörte Rudolf Wehrschütz sagen: »Der Tod dürfte heute Morgen zwischen vier und halb sechs Uhr eingetreten sein. Ein Unfall kann ausgeschlossen werden.«

       Na, wenigstens etwas!

      »Also doch Mord!«, brachte Paul es theatralisch auf den Punkt. »Und das in unserem friedlichen Keltenberg!« Er senkte den Blick, damit der andere in seinen Augen nicht die klammheimliche Freude sehen konnte. »Können Sie schon etwas über die Tatwaffe sagen?«

      »Es waren mehrere Schläge mit einem stumpfen Gegenstand.«

      »Stumpfer Gegenstand, nicht gerade aufschlussreich. Das kann alles Mögliche sein.«

      »Was wollen Sie? Name und Adresse des Mörders?«

      Unerfahren darin, dass man Gerichtsmediziner generell nicht infrage stellte, schluckte Paul einen weiteren Kommentar hinunter.

      »Gibt es irgendwelche Einbruchsspuren?«, fragte er.

      »Die Kollegen sagen nein.«

      »Dann muss er seinen Mörder gekannt haben. Wer öffnet schon einem Fremden mitten in der Nacht die Tür?«

      »Ich nicht«, sagte Wehrschütz.

      »Ich auch nicht, und ich bin die Polizei!« Paul grinste versöhnlich. »Was meinen Sie, war das Opfer gleich tot?«

      »Nein, es dauerte ein Weilchen. Erster Schlag – das Opfer wankt. Zweiter Schlag – das Opfer geht zu Boden. Dritter, vierter, fünfter Schlag – das Opfer ist tot. Es wurde zu Tode geprügelt.«

      Paul riss mit gespielter Bewunderung die Augen auf. »Klingt, als wären Sie dabei gewesen.«

      »Nichts kann langjährige Berufserfahrung ersetzen, Kollege«, entgegnete Wehrschütz.

      Das waren sehr viele Schläge, sinnierte Paul. Entweder war die Waffe so stumpf oder der Täter verfügte über wenig Muskelkraft.

      »Möglicherweise eine Frau?«

      Wehrschütz zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Das herauszufinden, ist Ihre Aufgabe.«

      Danke vielmals, das weiß ich selber. »Sonst noch etwas, das ich wissen sollte?«

      »Der erste Schlag wurde von oben herab ausgeführt. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Person, die deutlich größer war als das Opfer.«

      »Dann vielleicht doch keine Frau?«

      »Bei der geringen Körpergröße des Opfers kann man das nicht mit Sicherheit sagen, aber wie bereits erwähnt, das herauszufinden …«

      Paul Junghans wandte sich ab und begab sich auf die Suche nach irgendwas Verdächtigem, nach etwas, das die Spurensicherung nicht suchte. Er hatte nämlich etwas ganz Bestimmtes im Visier. Familie Burkhardt war fest davon überzeugt, dass ihre tote Katze durch eine illegale Falle zu Tode gekommen war. Also begann er jedes Zimmer gezielt danach abzusuchen. Und tatsächlich! Wo die Spurensicherer noch nicht vorgedrungen waren, nämlich bis ins Badezimmer, fand er in der Badewanne ein Fangeisen. Der alte Wallner dürfte es vor seinem eigenen Tod noch sehr gründlich gereinigt haben. Er entdeckte keinerlei Blutspuren und sicherlich würde es auch keine Fingerabdrücke mehr darauf geben. Aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr.

      Paul rief nach einem der Kollegen und hielt ihm das Indiz mit spitzen Fingern und einem Papiertaschentuch vor die Nase.

      »Möglicherweise kann dieses Ding Aufschluss über das Motiv des Mörders geben.«

      Familie Burkhardt hatte schon vorgestern versucht, Herrn Wallner bei der Polizei als Mörder ihrer Katze anzuschwärzen, daher war die Familie nicht ganz unverdächtig. Zuerst die Anschuldigung, und jetzt – zwei Tage später – war der mutmaßliche Katzenmörder selber tot. Sehr merkwürdig! Er musste die Burkhardts auf alle Fälle genauer unter die Lupe nehmen. Eine an und für sich unverdächtige, sehr anständige Familie, aber dieser Zufall war ihm doch ein Zufall zu viel.

      »Haben Sie etwas gefunden, das als Tatwaffe infrage kommt?«, wollte Paul von einem Kollegen der Spurensicherung wissen.

      »Wir haben einige Gegenstände gesichert«, antwortete Herbert Stumpf und ließ die Falle in einen Klarsichtbeutel gleiten, den er zu den anderen Gegenständen in einen Koffer legte.

      »Welche zum Beispiel?«

      »Einen alten Baseballschläger, der allerdings voll mit Spinnweben ist und nicht so aussieht, als wäre er kürzlich benützt worden. Eine Tischlampe mit einem gusseisernen Sockel, die auf dem Boden lag, und ein uraltes Nudelholz in der Nähe des Bettes, wo es eigentlich nicht hingehört.« Herbert Stumpf grinste. »Dass es so was heutzutage noch gibt! Noch dazu in einem Männerhaushalt! Aber wir konnten nirgendwo sichtbare Blutspuren darauf finden.«

      »Vielleicht bringt die Forensik etwas ans Tageslicht.«

      »Oder der Täter hat die Waffe mitgenommen.«

      »Das ist sogar wahrscheinlich, falls er nicht ganz dumm war.« Paul wies mit dem Daumen in Richtung Küche. »Ich habe eine volle Tasse Kaffee und Schwarzbrot mit Wurst dort drinnen gesehen. Das Opfer dürfte während des Frühstücks getötet worden sein und sich vorher ins Schlafzimmer geflüchtet haben. Ziemlich früh für ein Frühstück und einen Rentner, der nicht zur Arbeit muss, finde ich.«

      »Senile Bettflucht.« Herbert Stumpf wusste auf alles eine Erklärung.

      »Der Kühlschrank stand auch offen«, wunderte sich Paul.

      »Das Opfer wollte sich gerade ein Gurkerl zum Wurstbrot holen, als es passierte.«

      Paul Junghans ging grinsend nach draußen und konfrontierte Familie Burkhardt, die in ihre Jacken gehüllt fröstelnd herumstand, mit den Fakten.

      »Nach Einschätzung des Gerichtsmediziners war es kein Unfall. Herr Wallner wurde getötet …«

      Weiter kam er nicht, denn das Mädchen begann spontan einen Hexentanz aufzuführen, der absolut nicht zum Ernst der Lage passte. »Endlich hat er gekriegt, was er verdient hat. Juhu!«

      Die ungenierte Freude über den Mord an dem alten Mann irritierte Paul Junghans und er musste das Mädchen auf der Liste seiner Verdächtigen