De Spatzen, die kommen ooch alle heit,
De dankbaren Vejelchen, denen Du teechlich
Uff Deinem Balkon det Futter jestreit! – –
Au Backe, nu hätt ick beim vielen Quatschen
Beinahe det Jratulieren verdöst! –
Na also Heinrich, ick drick Der de Patschen
Und winsch Der, dass De den Tach ieberstehst.
Denn biste morjen frieh noch am Leben,
Nach der Strapaze noch uff dem Kiehn, Dann wird's noch manchet Jubiläum jeben, Trotz Fachinger Wasser und trotz Insulin!
Dr. E. H......(der andere H......, weeste, der Leibtierarzt von de Sammetbrieder).
*
Welchen Widerhall Zille im Volke gefunden, erläutern wohl am besten diese kleinen Beispiele und manche Erlebnisse, die in andern Kapiteln geschildert sind. Viele hundert solche Geschichten ließen sich erzählen. Und sie wirken noch überzeugender als die Menschenmassen auf den Zillefesten, als die vielen Zillebälle, die zur Karnevalzeit in ganz Deutschland, in den schlesischen Bergen wie in hinterpommerschen Städten, in Thüringen und im Hannoverschen gefeiert werden. Und auch die Ausstattungen so vieler Kneipen mit Zillebildern reden eine deutliche Sprache.
Das liebste an seiner Berühmtheit aber ist Zille doch jene Liebe des Volkes, wie sie sich immer wieder in solchen kleinen Erlebnissen äußert.
Wenn man berühmt ist ...
»Berühmtheit ist eine schöne Sachel« meinte Heinrich Zille, »aber nicht immer! ... Manchmal nutzt sie einem ja. Man braucht nicht mehr überall so lange zu warten wie sonst. Die Verleger freuen sich mächtig, wenn man kommt – denn sie haben ja bloß Vorteile von den Berühmten und kein Risiko. Man kriegt auch manchmal 'n bißken mehr Geld für seine Arbeit und kann auch öfter mal 'n armen Deibel 'ne Freude machen oder da, wo's nötig ist, ein bißken nachhelfen – Menschen aus dem größten Druck rausholen.
Aber – die Berühmtheit hat auch ihre Schattenseiten. Verflucht unangenehme Schattenseiten – für den, der berühmt ist.«
Und Zille erzählte mancherlei Unangenehmes und Bitteres aus den letzten Jahren, als seine Popularität ihn zu einer maßgebenden Persönlichkeit der Reichshauptstadt, zu einem bestimmten Begriff gemacht hatte:
»Manchmal habe ich ja auch meinen gründlichen Ärger gehabt über meine Berühmtheit. Die ganze Welt denkt, ich habe nun so viel Geld gescheffelt, dass ich gar nicht mehr weiß, wohin damit. Jawohl – 'ne Villa im Grunewald hätte ich.
Na – hier seh'n Sie meine Villa.«
Er machte eine Handbewegung und ließ seine Blicke durch die große Stube laufen.
»Vier Treppen hoch – in dem alten Hause aus den achtziger Jahren. Höhenluft!« lächelte er und wies auf die Dächer mit den vielen Schornsteinen. »Hier mein großer Arbeits- und Eßtisch mit der elektrischen Lampe. Da mein Bett – mein Ruhe- und mein Sorgenlager. Da mein Arbeitsschrank mit der Klappe, an der ich zeichne und tusche. Die Staffelei und der Kleiderschrank – und der kleine Schrank mit den Andenken und den Photos von lieben Freunden. Ja, ja – Wieviel sind davon nicht mehr lebend zu seh'n ... Und denn da hinten meine kleinen Freunde, meine Vögelchen!
20. Die Stütze.
Nach dem Original.
Ja, ja, seid man stille! Ich denke an euch!«
Er geht hin zu ihnen und klopft mit dem Finger an die Stäbe der Vogelbauer.
Und dann weist er auf die Tür zum Nebenzimmer:
»Da liegen meine Bücher – und meine Mappen und sonst mancherlei. – Und dann ist noch 'ne Küche da – und ein Zimmer für meinen Sohn und meine Schwiegertochter.
Det is nu meine Grunewaldvilla!«
Und nun erzählte er, wie seiner Schwiegertochter in den benachbarten Geschäften ganz unerhörte Preise abgefordert wurden nach seinem siebzigsten Geburtstag.
»Die Geschäftsleute sagten: ›Na, Professor Zille is doch jetzt 'n reicher Mann! Der hat doch mindestens Hunderttausende verdient. Der hat doch 'ne Villa im Grunewald und duht doch bloß so, als wenn er hier wohnen muss. Der kann doch zahlen! Der duht bloß so, als ob er noch nischt hat!‹
Meine Schwiegertochter musste in eine andere Gegend zum Einkaufen gehen, wo sie keiner kannte!«
*
»Unzählige Bettelbriefe kamen, als sie von mir soviel in den Zeitungen schrieben.
Manche schrieben ganz frech, ich sollte ihnen ein kleines Kapital stiften zu einer neuen Existenz, zu einem kleinen Laden.
Andere wollten Geld haben für eine kleine Badereise. Sie möchten sich doch auch mal ein Stück Welt anseh'n.
Ich schrieb ihnen zurück:
21. »Ick habe meinen Weihnachten!«
Pfefferkuchen nach einem Zillebild.
Ich bin doch nich Ihr Bankier!
Was die Leute wohl glauben, für wen man alles sorgen soll und sorgen kann!
Und dann die fürchterlichen Menschen, die selber kamen!
Da wohnt da drüben einer, in der Nachbarschaft. Läuft rum mit 'n Hut ohne Krempe. Der geht schon lange bloß auf Fahrt.
Eines Tages klingelt's. Ich gehe an die Tür. Der Schnorrer steht da und sagt bloß:
›Ick bin schon dreiundsechzig Jahr!‹
›So – und ich bin siebzig!‹ antwortete ich. Aber der Kerl wollte nich weichen, wollte sich in die Türe drängen. Wahrscheinlich hatte er auch gehört, ich wäre reich ...«
Zille lachte belustigt auf und sah unter seinen buschigen Brauen mit seinen munteren Augen vor:
»Reich! Ja, wer mich hier so sieht, mang dem vielen Geld!«
Er hatte auf seinem langen Arbeitstisch lauter Päckchen von Kleingeldscheinen geordnet und klopfte zärtlich auf einige: »Ja – man möchte ja so gern an recht viel arme Biester denken. Alle sollen se wat haben ... Das da is für de Lise aus Moabit. Als sie noch nich in die Schule ging, habe ich sie mit ihrer Mutter gezeichnet. Vater war nich da. Jetzt hat sie selber schon ein paar Bälger. Aber 'n Vater hat sie ooch nich dazu. –
Gott ja – wie det so is! Die Marie aus de Fennstraße hat ja auch schon mehrere. Die hat ja nu einen Vater für ihre Göhren. Aber den muss sie noch mit pflegen wie 'n kleines Kind: er is verschütt' worden im Kriege ...
Na – überhaupt der Krieg! Der hat uns wat feines gebracht ... Die meisten Päckchen, die gehen an Witwen aus der großen Zeit. –«
Und ein wehmütiger, von Ironie bewegter Zug zuckte in seinem Gesicht, als er von der »großen« Zeit sprach.
»Nicht alle begnügten sich mit Briefen oder ließen sich an der Tür abfertigen. Einer, der ganz patent aussah, drang ganz dreist bis in mein Zimmer vor. Meine Schwiegertochter, die sonst alle erst abfängt, ist doch kränklich, das arme Wesen – und da hatte sie dem aufdringlichen Kerl wohl nicht energisch die Tür gewiesen.
Da stand er plötzlich in meinem Zimmer:
Er sei abgebaut. Sei Bankbeamter. ›Die Künstler haben doch in der Inflation so schöne Geschäfte gemacht bei der Handelsgesellschaft!‹
›Ich nicht!‹ antwortete ich ihm. ›Ich nich!‹