Petra Schier

Ein Weihnachtshund auf Probe


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sich schmerzhaft in ihren Unterleib. »Runter von mir, raus aus der Wanne, du Scheusal!«, schrie sie aufgebracht.

      Otter leckte ihr begeistert das Gesicht.

      Warum denn, ist doch toll hier drin!

      »Was ist denn hier ...? O je, Otter!« Emma unterdrückte ein Lachen und kam ihrer Mutter zur Hilfe, indem sie versuchte, den freudig bellenden Hund aus der Wanne zu heben. »Wie bist du denn bloß in die Badewanne gekommen?«, gluckste sie.

      Na, wie schon, so ein Wannenrand ist doch kein Hindernis für mich.

      Mit vereinten Kräften schafften sie es, Otter aus der Wanne und auf den Badteppich zu hieven. Andrea schnappte sich ein Handtuch und wickelte sich darin ein. »Dieses Vieh ist einfach losgesprungen! Nicht mal im Bad ist man vor ihm sicher. Das geht wirklich zu weit, Emma. Und schau, was er hier für eine Sauerei angerichtet hat. Alles ist nass und ...«

      »Ich wische das auf, Mama.« Emma streichelte Otter über das triefende Fell. »Aber zuerst muss ich Otter abtrocknen, damit er nicht das ganze Haus nass macht. Sonst schimpft Papa nachher wieder.«

      Sie nahm ein altes fleckiges Badetuch aus dem Regal und begann, Otter abzurubbeln, was er sich nur allzu gerne gefallen ließ.

      »Papa schimpft also? Und was ist mit mir? Soll ich vielleicht alles ruhig hinnehmen?«, fragte Andrea. Ihre Wangen waren noch immer gerötet vor Arger. Fahrig strich sie sich ihr dunkelblondes kinnlanges Haar hinter das Ohr. »Erst heute Morgen hat er sich in irgendeiner Pfütze gewälzt und mit seinen Dreckpfoten den ganzen Flur versaut. Und jetzt das.« Andrea machte eine ausholende Geste, die das gesamte Badezimmer einschloss. »Ich bin doch nicht seine Putzfrau!«

      »Ach Mama! So schlimm ist das doch auch wieder nicht.«

      Finde ich auch. Wasser ist einfach toll. Wozu die ganze Aufregung?

      Emma faltete das nasse Badetuch und legte es auf die Heizung. Dann machte sie sich daran, den Boden zu wischen. »Otter mag halt Wasser so gerne.« Sie beobachtete, wie ihre Mutter sich abtrocknete und anzog. »Du hast da einen Kratzer am Bauch.«

      Andrea sah sie finster an.

      »Okay, okay, wir gehen ja schon. Komm, Otter.« Emma wrang den Wischlappen aus und hängte ihn über den Wannenrand, nahm den Hund am Halsband und zog ihn mit sich in ihr Zimmer.

      Vorsichtshalber schloss sie die Tür.

      »Was bist du nur für einer.« Sie drohte ihm scherzhaft mit dem Finger.

      Hä? Warum?

      Otter ließ sich auf sein Hinterteil sinken und hechelte. Es sah aus wie ein breites Grinsen.

      »Du weißt doch, dass du nicht ins Bad darfst. Jetzt ist Mama sauer und wird Papa davon erzählen, und dann ...« Emma seufzte und setzte sich vor ihre altmodische Frisierkommode, die noch von ihrer Uroma stammte und auf die sie sehr stolz war.

      Ach komm, kein Grund, so traurig zu schauen.

      Otter stand auf, kam auf sie zu und leckte ihr die Hand. Dann kroch er unter die Kommode und legte sich auf Emmas Füße.

      Sie gluckste und wackelte mit den Zehen.

      Vor zehn Tagen hatten sie Otter aus dem Tierheim geholt. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, zumindest bei Emma und ihrem kleinen Bruder Tommi. Ihre Eltern waren etwas zurückhaltender gewesen und hatten mit dem Tierheim eine vierwöchige Probezeit vereinbart. Zwischen Weihnachten und Neujahr würde die Entscheidung fallen, ob Otter für immer bei ihnen bleiben durfte.

      Wenn das allerdings so weiter ging ...

      Dabei war Otter wirklich ein lieber Hund und gut erzogen obendrein. Er war als Welpe ins Tierheim gekommen, und die Pfleger hatten das komplette Programm der Hundeschule mit ihm absolviert. Er gehorchte aufs Wort ... außer, wenn er Wasser sah. Dann geriet er außer Rand und Band. Wasser war Otters Element. Gleich am ersten Tag war er in den Dorfweiher gesprungen, obwohl dieser fast schon zugefroren war. Sie hatten sich aber nichts dabei gedacht, denn Otter hatte zur Hälfte Labradorblut in sich, und diese Rasse war ja bekannt für ihre Vorliebe für Wasser. Aber inzwischen war klar, weshalb man Otter seinen ungewöhnlichen Namen gegeben hatte.

      Wieder seufzte Emma und begann, ihr halblanges kastanienbraunes Haar zu bürsten. Sie liebte den Hund mittlerweile von ganzem Herzen, aber die Zeichen standen derzeit wirklich übel für ihn.

      2. Kapitel

      »Stimmt es, dass Otter zu Mama in die Wanne gesprungen ist?«, fragte Tommi, während er sich aus seinem Winteranorak schälte und sich die Mütze so heftig vom Kopf zog, dass sein dunkelblondes Haar wild nach allen Seiten abstand.

      Rasch legte Emma einen Finger an die Lippen. »Pst! Fang bloß nicht davon an, wenn Papa in der Nähe ist.«

      »Schade, dass ich über Nacht bei Jannik war«, redete er jedoch unbekümmert weiter. »Das hätte ich gerne gesehen.«

      »Aber auf Papas Donnerwetter hättest du bestimmt gerne verzichtet. Wasch dir die Hände und geh dann schon mal in die Küche, es gibt gleich Essen.« Emma sah Tommi kopfschüttelnd nach. Hoffentlich fing er nicht gleich wieder davon an. Aber böse konnte man ihm auch nicht sein, immerhin war er erst elf, vier Jahre jünger als sie.

      Emma folgte ihrem Bruder in die Küche und nahm ihrer Mutter einen Stapel Teller aus der Hand. Während sie den Tisch deckte, sagte sie in Tommis Richtung: »Kannst du morgen Nachmittag mit Otter spazieren gehen? Andy hat mich zum Schlittschuh fahren in die Eishalle eingeladen.«

      »Oh oh!« Tommi grinste abfällig. »Andy-Schmandy! Ist der jetzt dein Freund? Der hat doch mehr Gel in den Haaren, als in eine Tube reingeht! Klebst du dann an ihm fest? Bussi, Bussi!« Tommi spitzte die Lippen und machte laute Kussgeräusche.

      Andrea schüttelte den Kopf. »Tommi, es reicht. Emma hat dich nur etwas gefragt.«

      Tommi streckte Emma die Zunge raus. »Klar geh ich mit Otter spazieren. Macht doch viel mehr Spaß, als in die blöde Eishalle zu fahren.«

      »Das sagst du nur, weil ich besser Schlittschuh laufen kann als du.« Emma grinste. »Und Andy hat gar nicht so viel Gel in den Haaren. Du meinst Andre, aber der«, ihr Blick verdunkelte sich kurz, »ist auf diesen Frankreichaustausch gefahren und hat sich nicht mal von mir verabschiedet.«

      »Ich sag doch, der ist blöd!« Tommi ließ sich auf seinen Platz fallen.

      Nachdem Emma den Tisch fertig gedeckt hatte, setzte auch sie sich. Andrea trug Schüsseln mit Eintopf und Weißbrot auf. »Wo bleibt Karl denn nur?«, murmelte sie vor sich hin. »Ich habe ihm doch vorhin schon Bescheid gesagt.«

      »Andrea!« Karl Rehlmann stieß die Küchentür auf und sah zuerst seine Frau, dann Emma und Tommi äußerstmisstrauisch an. »Warum ist die Tür zu meinem Arbeitszimmer abgeschlossen?«

      »Setz dich erst mal.« Leicht nervös schöpfte Andrea ihm Suppe auf den Teller. Dabei bemühte sie sich, ungezwungen zu lächeln. »Weißt du, ich habe sauber gemacht und den Teppich mit Teppichreiniger ...«

      »Den teuren neuen Teppich? Der war doch gar nicht schmutzig«, wunderte sich Karl und schob sich einen Löffel Eintopf in den Mund.

      »Ach, weißt du ...«

      »Papa, Jannik hat mir seine Eisenbahn gezeigt«, rief Tommi dazwischen. »Er sagt, er wünscht sich vom Weihnachtsmann einen richtigen Bahnhof und Teile für die Landschaft und einen zweiten Zug mit richtigen Güterwaggons.«

      Andrea sah ihren Sohn dankbar an. Emma musste ein Schmunzeln unterdrücken. Manchmal war Tommi doch fixer, als man glaubte. Das erneute Donnerwetter wegen der Schlammspuren in Pfotenform, die den Teppich im Arbeitszimmer seit dem Mittag verunzierten, würde noch früh genug über sie hereinbrechen.

      »Ich schmeiß ihn raus!«, brüllte Karl eine knappe Stunde später im Arbeitszimmer und stemmte die Hände in die Seiten. »Wisst ihr, was der Teppich gekostet hat? Dieser Köter ist unmöglich. Nein, schlimmer, er ist ein Ungeheuer! Er kommt sofort zurück ins Tierheim.«