Werken: »German-Soviet Relations between the Two World Wars 1919–1939«; »The Bolshevik Revolution 1917–1923«, 3 Bände; »The Interregnum 1923–1924«.
Mit der gleichen Periode, die Rosenberg dargestellt hat, beschäftigen sich die Werke von Erich Eyck: »Bismarck, Leben und Werk«, 3 Bände; »Das persönliche Regiment Wilhelms II. Politische Geschichte des deutschen Kaiserreichs von 1890–1914«; »Geschichte der Weimarer Republik, vom Zusammenbruch des Kaiserreichs bis zur Wahl Hindenburgs 1918–1925«.
Über die Wirksamkeit des deutschen Generalstabs sind besonders nach dem Ende des zweiten Weltkrieges zahlreiche Bücher im Inland und auch im Ausland veröffentlicht worden, von denen nur das bereits erwähnte Buch von Hallgarten, ferner das Werk von Richard Görlitz »Der deutsche Generalstab« und das umfassende Buch von John W. Wheeler-Bennett »The Nemesis of Power« genannt seien. Das auch deutsch erschienene Werk von Wheeler-Bennett hat in Deutschland heftige Kritik hervorgerufen, ohne daß bisher von deutscher Seite eine von der Tradition abweichende Darstellung erschienen ist. Im Jahre 1936 veröffentlichte Wheeler-Bennett bereits ein Buch über den russischdeutschen Friedensvertrag von 1918 »Brest-Litowsk, the forgotten Peace«, in diesen Zusammenhang gehört auch das im Jahre 1939 erschienene Buch von Bernhard Menne »Krupp or the Lords of Essen«.
Da die deutsche Hitlerbiographie nach dem Kriege noch nicht geschrieben wie auch die Gestalt Hindenburgs noch nicht behandelt wurde, muß man auf die im Ausland erschienenen Bücher von Konrad Heiden, Emil Ludwig und Rudolf Olden verweisen.
Die Haltung des Generals Groener und vor allem seine Beziehungen zu Friedrich Ebert im Winter 1918–19 sind gerade in der letzten Zeit Gegenstand lebhafter Erörterungen und Auseinandersetzungen geworden, ohne daß aber eine Korrektur der Auffassungen Rosenbergs vorgenommen werden müßte. Der Darstellung John W. Wheeler-Bennetts in »The Nemesis of Power« hat Professor Gerhart Ritter in einem Aufsatz widersprochen, der in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« vom 20. April 1955 erschienen ist. Über Groener selbst erschien jüngst eine Lebensbeschreibung seiner Tochter Dorothea Groener-Geyer.
Über die Beziehungen des Kaiserreichs und der Republik von Weimar zum Vatikan findet man wertvolle Aufschlüsse in Friedrich Wilhelm Foersters Selbstbiographie »Erlebte Weltgeschichte 1869–1953«; dies Buch gibt gleichzeitig Aufschlüsse über die von Rosenberg behandelte Periode. Ferner ist zu nennen: Konstantin Prinz von Bayern, »Der Papst, ein Lebensbild«.
Über die monarchistische Bewegung in der Republik von Weimar berichtet Walter H. Kaufmann mit reichen Quellenangaben in »Monarchism in the Weimarer Republic« im Jahre 1953 in New York.
Herrn Professor Dr. Ludwig Bergsträßer und Frau Lotte Rosenberg-Snierzcynski bin ich für Hilfeleistung beim Zustandekommen dieser Ausgabe zu großem Danke verbunden.
Dr. Kurt Kersten
I. ENTSTEHUNG
DER WEIMARER
REPUBLIK
I. KAPITEL
Die gesellschaftlichen Kräfte unter Bismarck
Das Reich Bismarcks, 1871 in Versailles gegründet, ist 1919 im gleichen Versailles zerstört worden. Die in Weimar geschaffene Republik, die darauf folgte, knüpft zwar in vielen bedeutsamen Einzelheiten an das alte System an. Aber sie ist doch etwas im Wesen Neues: die entscheidende Neuerung liegt nicht in der Absetzung des Hohenzollernhauses und der anderen Dynastien. Das Reich Bismarcks wäre mit einem gewählten Reichspräsidenten durchaus denkbar. Das Neue liegt auch nicht darin, daß in der Republik Sozialdemokraten Minister werden können, denn sie wurden es bereits in der letzten Periode des Kaisertums. Ebensowenig machen die Grenzen des Versailler Friedens die entscheidende Veränderung aus: Bismarck hätte sein Reich auch ohne Elsaß-Lothringen gründen und Deutschlands Beziehungen zu den Polen und zu Österreich anders gestalten können. Sondern die entscheidende Neuerung liegt in der Zertrümmerung der alten preußischen Armee durch die militärische Niederlage im Westen, durch die Revolution und durch die Versailler Friedensbedingungen.
Bismarcks Reich und das preußische Heer gehören untrennbar zusammen. Bismarck hat es immer als seine wichtigste Leistung betrachtet, daß er den König von Preußen und die preußische Armee für die nationale Einheitsidee Deutschlands gewann. Er sah den Fehler von 1848 darin, daß das Bürgertum aus eigener Kraft, ohne Rücksicht auf die deutschen Dynastien und vor allem ohne Rücksicht auf das historisch gewordene Preußen, die Reichsgründung vollziehen wollte. Bismarck ging anders vor: Er hat die militärische Aristokratie Preußens mit dem deutschen Bürgertum vereinigt, an die Spitze des Ganzen das Hohenzollernhaus gesetzt und so das Reich seiner Prägung gegründet1. Die Geschichte des neudeutschen Kaisertums besteht aus der wechselseitigen Anziehung und Abstoßung dieser beiden von Bismarck zusammengefügten Kräfte. Das Ende war da, als der preußische Militäradel 1918 zusammenbrach und das Bürgertum die Herrschaft antrat.
War der Gedanke Bismarcks, das historische Preußen in den Dienst der deutschen Einheitsidee zu stellen, an sich falsch? War 1871 die Situation so, daß das Deutsche Reich lebensfähig nur als ein rein bürgerlicher Staat auf liberal-parlamentarischer Grundlage hätte gegründet werden können und nicht anders? Standen »Junkertum« und Bürgertum zueinander wie Feuer und Wasser, zwischen denen ein Kompromiß unmöglich war? Ist Bismarck einem romantischen und dynastischen Phantom nachgejagt und hat er ihm seine bessere Überzeugung zum Opfer gebracht? Diese Fragen bejahen wäre sehr einfach, aber auch sehr falsch. Die Revolution von 1848/49 hatte bewiesen, daß das deutsche Bürgertum nicht imstande war, aus eigenen Kräften zu siegen. Die agrarischen und militärischen, die dynastischen und bürokratischen, und selbst die kirchlichen Gewalten der alten Ordnung waren doch in Deutschland viel stärker, als es im Jubel der Märztage erschien. Und hinter dem Bürgertum tauchte als neue politische Klasse das städtische Proletariat auf. Es war bereit, zusammen mit dem Bürgertum gegen die herrschenden feudalen Gewalten zu kämpfen. Aber es hatte daneben seine eigenen Ziele, die nicht die Ziele der bürgerlichen Liberalen waren. Die Explosivkräfte, die in der Arbeiterbewegung steckten, sind damals von außenstehenden Beobachtern vielfach klarer erkannt worden als von den Arbeitern selbst.
Unter diesen Umständen lag für einen sozial-konservativen Realpolitiker wie Bismarck der Gedanke nah, das Bürgertum durch ein vernünftiges Kompromiß mit den alten Gewalten zu versöhnen, durch das gemeinsame Wirken beider Kräfte die nationale Einigung zu schaffen, und so zugleich dem »roten« Umsturz ein festes Bollwerk entgegenzusetzen. Wer so 1871 in Bismarcks Position kalkulierte, schätzte die vorhandenen Kräfte Deutschlands gar nicht so falsch ein. Die deutsche Arbeiterklasse hat selbst unter den für sie beispiellos günstigen Voraussetzungen vom November 1918 die Staatsmacht nicht übernehmen können. Ebensowenig hätte sie es früher in anderen Situationen tun können. Und im deutschen Bürgertum war von einem die Kronen und Adelsprivilegien wegfegenden Jakobinergeist bis zum Vorabend der Revolution 1918 nicht viel zu merken. Bismarcks Idee brauchte also weder am Widerstand der Arbeiter noch des Bürgertums zu scheitern. Trotzdem war das Bismarcksche Reich von Anfang an todkrank. Der Glanz der militärischen Siege und der wirtschaftliche Aufschwung konnten nur notdürftig über die politische Dauerkrise hinwegtäuschen, die vom Kulturkampf bis zur Regierung Max von Baden reichte, eine Krise, die niemals gelöst wurde, die immer neue Formen und Gestalten annahm und die am Ende das ganze Werk Bismarcks vernichtete.
Wo liegt die Ursache dieser Dauerkrise des deutschen Hohenzollernkaisertums? Es ist Bismarck nicht gelungen, die verschiedenen Kräfte, die im deutschen Volke vorhanden waren, organisch miteinander zu verbinden. Er hat nicht einmal einen ernsten Versuch dazu gemacht. Sondern die auseinanderstrebenden Klassen und Gewalten Deutschlands sollten durch die Übergewalt des Kaisertums zusammengehalten werden. Bis 1890 waren Bismarcks Gewalt und die Kaisergewalt identisch. Die persönliche Diktatur lebt und stirbt mit dem Diktator selbst. Als 1890 der alte Diktator abtreten mußte, als er seinen Donnerkeil in den schwächlichen und hilflosen Händen Wilhelms II. sah, da war die Katastrophe besiegelt. Ihr Eintreten war nur noch die Frage der Zeit und der Umstände. Von Friedrichsruh aus hat Bismarck das Verhängnis für sein Werk kommen sehen; ohne die Möglichkeit, etwas daran zu ändern. Man sagt vielfach, daß die Epigonen Bismarcks die Schöpfung des Meisters verdorben hätten.