Regina Mars

Verdammt magisch


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jemanden hinter sich flüstern. So ein Anfänger. Der war bestimmt noch nie bei einer Erweckungszeremonie gewesen. Dabei wusste doch jeder, dass Erdmagie innerhalb der Stadtmauern verboten war. Zu gefährlich. Feuer war aus Brandschutzgründen eigentlich auch untersagt. Wenn man nicht Gunnar Krafft hieß.

      Mit weichen Knien sank Norman auf die Holzbank. Zufällig traf sein Blick den von Lauchi. Der war wohl auch aufgesprungen bei der Show. Seine Augen wirkten hinter den Brillengläsern gigantisch. Ohne es zu wollen, lächelte Norman ihm zu. Er war einfach zu verdammt glücklich.

      Zögernd lächelte dieser adlige Hänfling zurück. Dann drehte er sich hastig um und plumpste in den Polstersessel. So tief, dass Norman ihn kaum noch sah. Die anderen Adligen quatschten untereinander und es wirkte fast, als würden sie Lauchi ignorieren. Armer Kerl, dachte Norman, bevor ihm einfiel, dass der Schwächling selbst daran schuld war, dass er ein Schwächling war. Er hätte ja auch stark sein können, so wie Norman.

      »Ich wette drei Schilling, dass die Pfeife da hinten ein Katalysator ist«, flüsterte er Brenna zu und zeigte auf Lauchi. Die schüttelte den Kopf.

      »Das ist doch klar. Ne, ne, wenn du willst, dass ich wette, mach’s schwerer.«

      »Hm, okay.« Norman sah sich um. »Der da ist auch ein Katalysator.« Er deutete auf einen dunkelhaarigen, braungebrannten Kerl, der gebannt auf die Tribüne stierte.

      Ups, es ging los.

      3. Erweckungen

      Ein Mann und eine Frau erschienen neben Gunnar Krafft und die Stimmung änderte sich. Wer jetzt noch stand, setzte sich. Der langweilige Teil würde hoffentlich schnell vorbei sein. Norman wollte endlich da rauf und seine Portion Magie bekommen!

      »Danke, Gunnar«, sagte die Frau feierlich. Sie nickte Gunnar freundlich zu. Er verbeugte sich und präsentierte die beiden dann mit einer ausladenden Handbewegung. Er wirkte wie ein Marktschreier, der seine beste Ware anpreist.

      »Darf ich um einen Applaus für Mary und Dante Johansson bitten? Die Direktorin und der Direktor des Arkanen Instituts.«

      Sie bekamen ihren Applaus. Die Leute klatschten laut, aber nicht so frenetisch wie bei Gunnars Feuer-, Wind- und Eis-Show. Beide Direktoren waren grauhaarig und hatten ernste, würdevolle Gesichter. Kein Wunder, dass die sich so ähnlich sahen. Sie waren Geschwister. Das wusste Norman von seinen Sammelkarten-Lithographien.

      »Guten Tag«, sagte Mary Johansson und lächelte ein kaum wahrnehmbares Lächeln. »Ich darf Sie alle recht herzlich bei der hundertelften Erweckungszeremonie unseres Instituts begrüßen. Wie die meisten von Ihnen wissen, beginnen einmal im Jahr all die Magieanwärter, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ihr Studium am Arkanen Institut. Es ist eine Zeit voll neuer Erfahrungen …«

      Ja, das versprach, langweilig zu werden. Norman lehnte sich zurück. Den ganzen Schmu hatte er schon mindestens zehnmal gehört. Irgendwas mit Verantwortung, Keuschheit und neuer Abschnitt im Erwachsenenleben und dann erklärten sie noch, was Motoren und was Katalysatoren waren, als wüsste nicht absolut jeder darüber Bescheid.

      »Motoren sind die Größten und Katalysatoren ihre Gehilfen«, murmelte er nach einer Viertelstunde Gelaber. »Als ob wir keine Ahnung davon hätten.«

      »Dein Kumpel schaut, als wäre das alles neu für ihn.« Tore deutete auf Lauchi, der sich so weit im Sitz vorbeugte, dass er mit der Nase fast den Rücken seines Vordermannes berührte. Seiner Vorderfrau. Oh, das war Lina Oligthal, eine von Gunnars Katalysatoren. Auch von ihr hatte Norman eine Lithografie-Sammelkarte.

      »Vielleicht ist er nicht von hier«, sagte Norman. »Also, wie sieht’s aus? Drei Schilling für jeden, den ich richtig rate. Und drei für euch, wenn ich falsch liege.«

      »In Ordnung.« Tore nickte.

      »Schillinge heißen jetzt Spechte«, sagte Brenna, die alte Klugscheißerin. »Wir hatten ’ne Währungsreform, schon vergessen?«

      »Ist doch alles gleich geblieben«, murrte Tore. »Nur die Münzen sehen anders aus.«

      »Ich mag die Vögelchen«, sagte Norman. »Vor allem, wenn ich sie gewinne. Gut, sagt mir einen.«

      »Was ist mit der da?«, fragte Brenna und deutete auf eine stupsnasige Blondine.

      »Hm«, sagte Norman. »Sieht harmlos aus, aber … schaut mal auf ihre Oberarme. Die sind stark und außerdem hält sie das Kinn richtig hoch. Motor.«

      »Was? Niemals.« Tore lachte laut. Wieder drehten sich Leute um, um sie böse anzustarren. Wieder starrte Norman zurück, bis alle so taten, als wäre nichts.

      »Motor. Hundertprozentig.« Norman verschränkte die Arme. Bei diesen Wetten irrte er sich nie. Er war so gut im Raten, dass er die Erweckungszeremonien stets mit prall gefüllten Hosentaschen verließ.

      Sie rieten weiter, bis der langweilige Teil endlich vorbei war. Der Direktor faltete die Hände vor der Brust und hob seine Stimme.

      »Nun erwecken wir die Anwärter und sehen, in welche Richtung ihr magisches Talent geht«, sagte er. »Einige sind Motoren, andere Katalysatoren. Aber sie alle sind wichtig für unsere Stadt. Sie alle verteidigen in jedem Sommer und jedem Winter unser Recht, hier zu leben.«

      Applaus. Grimmiger Applaus, falls so etwas möglich war. Jeder hier hatte das Elend kennengelernt, gehungert und Liebste verloren. Alles wegen der Biester aus Nord und Süd, die jedes Jahr an den Stadtmauern kratzten. Norman würde die Viecher vernichten! So gründlich, dass sie sich nie wieder nach Løbago trauen würden. Er ballte die Fäuste so fest, dass seine Knöchel knackten.

      »Genug der langen Worte!«, verkündete der Kerl, eine halbe Stunde zu spät. »Lassen wir die Zeremonie beginnen!«

      Es wurde totenstill. Die vordere Reihe in den Polstersesseln erhob sich. Zwei Dutzend ältere Katalysatoren, gekleidet in die ledernen Winteruniformen mit den geschnürten Armschienen, marschierten auf die Bühne. Obwohl sie nur Katalysatoren waren, sahen sie beeindruckend aus. Ernst, gleichförmig und ganz in schwarz, bis auf die lila Bänder. Lila war ihre Farbe, so wie goldgelb die Farbe der Motoren war.

      Sie reihten sich hinter den Direktoren auf wie eine schwarze Wand.

      »Endlich!«, quietschte Brenna. »Es geht los!«

      Norman schluckte. Auf einmal war er ein ganz klein wenig nervös. Nur minimal. Vielleicht hätte er nochmal aufs Klo gehen sollen.

      Eine Bedienstete brachte den Direktoren ein unscheinbares Blatt Papier. Sie entfalteten es und sahen darauf und … irgendwo in der Liste stand Normans Name!

      »Gudrun Lovell!«, rief Dante Johansson. Zwei Reihen vor Norman, Brenna und Tore sprang ein Mädel auf. Sie hastete durch die Bänke und stolperte fast auf dem Weg zur Tribüne. Nun war Norman gleich doppelt gespannt. Er hatte drei Spechte darauf gewettet, dass sie ein Katalysator war.

      Gudrun Lovell stellte sich vor die Direktoren und verbeugte sich hastig. Die beiden nickten ihr knapp zu. Dann erklang ein Trommelwirbel. Ein dicklicher Kerl hämmerte sich die Seele aus dem Leib. Der Geiger neben ihm legte auch los.

      Der Erste in der Reihe der Katalysatoren hob die Hände in die Luft. Sie konnten es alle nicht sehen, aber er zapfte Magie aus der Atmosphäre. Norman fragte sich, wie Magie im puren Zustand aussah. Waberte die durch die Gegend wie ein sichtbar gewordener Furz? Oder war sie netzförmig, so wie die Linien an Gunnar Kraffts mächtigem Körper?

      Es hieß jedenfalls, dass sie überall war. Genau wie Luft. Unsichtbar, aber … da halt. Und nur die Katalysatoren konnten sie sehen und in sich aufnehmen. Doch die wahre Magie geschah halt erst, wenn sie sie an die Motoren weitergaben. Die konnten wirklich etwas damit anfangen! Verdammte Eisklingen werfen konnten sie und …

      Norman zuckte zusammen. Nicht träumen! Der Katalysator trat vor und streckte beide Hände aus, die Handflächen gen Himmel gerichtet. Gudrun zögerte sichtlich, dann legte sie ihre Fingerchen in die Hände des älteren Mannes.

      Einen Moment lang passierte nichts. Dann