Regina Mars

Verdammt magisch


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durften sie endlich die Bühne verlassen und Norman war von den amüsierten Blicken aus dem Publikum erlöst. Die hatten an ihm geklebt wie Hundescheiße an einer Schuhsohle. Warum auch immer. Vermutlich hatten sie darauf gewartet, dass er noch eine Szene machte und noch einmal mit Windböen vermöppt wurde.

      Er und die anderen Frischlinge betraten die gewölbte Eingangshalle des Arkanen Instituts. Über ihren Köpfen vereinigten sich Goldstreben zu einer riesigen Kuppel, durch die das warme Licht der Nachmittagssonne drang. Da oben waren die größten magischen Kämpfe des letzten Jahrhunderts in buntem Glas dargestellt. Norman sah farbige Lichtflecken auf dem Marmorboden. Er wollte nicht hochschauen. Er würde nie da oben hängen, also was sollte es bringen?

      Nach der edlen Halle ging es in einen breiten Flur. Dann eine mit flauschigem Teppich ausgelegte Treppe hinauf. Sie watschelten der komischen Alten weiter hinterher, als wäre sie ihre Entenmutter. Die Flure wurden enger, die Decken niedriger und die Treppen knarrender. Als sie schließlich bei den Schlafsälen unter dem Dach ankamen, war der Flur so schäbig wie der in Normans altem Haus in Wørringen. Super. Blätternde, blassgrüne Tapeten, splittrige Bodendielen und dazwischen Luft, die nach Moder und süßlich-faulem Holz roch.

      Die Alte teilte sie auf die Zimmer auf, scheinbar nach Gefühl. Sie hatte keinen Zimmerplan oder so in den Händen. Als ihr Blick auf Norman fiel, ging ein fröhliches Lächeln über ihr rundes Gesicht.

      »Mein bockiges Schäfchen!«, rief sie und Norman hörte Kichern hinter sich. »Du bekommst ein ganz besonderes Zimmer. Hinten rechts, die Nummer 926. Da wirst du dich richtig wohlfühlen.«

      Norman nickte matt und schlurfte vorwärts. Jemand machte »Määäh« und er hörte mehr Kichern. Klang, als wäre Brenna dabei.

      Zimmer Nummer 926 war ein winziger Verschlag mit einem Mini-Fenster, einem schrägen Dach und zwei klapprigen Betten, die den Raum beinahe ausfüllten. Zwischen ihnen war gerade so viel Platz, dass er sich umdrehen konnte. Er schloss die Tür und sein eigenes Gesicht gaffte ihm entgegen. Oh. Toll. Ein Spiegel.

      Norman betrachtete sich lange. Runde Schultern, kräftige Arme und ein Gesicht, das fast so breit wie hoch war. Niemand hätte es hübsch genannt, nicht einmal seine Mutter. Doch es war eindeutig ein Motorengesicht. Was an ihm sagte »Katalysator«? Nichts, absolut nichts …

      Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Tür aufging. Seine traurige Visage wurde durch eine noch elendere ersetzt. Lauchi blinzelte erstaunt, als er Norman erblickte.

      »Oh, hallo«, murmelte er. Offenbar versuchte der Schwächling, zu lächeln, war aber selbst dafür zu schwach. Norman hätte ihm eine reinhauen können.

      »Was willst du?«, murrte er.

      »Wir wohnen zusammen«, sagte Lauchi und blieb unschlüssig stehen. »Darf ich hereinkommen?«

      »Nein.«

      »Oh.« Lauchi schluckte. Und Norman seufzte.

      »Mann, natürlich darfst du reinkommen«, knurrte er. »Du wohnst hier, oder nicht?«

      »Ja … ja schon.«

      »Dann komm rein. Und mach die Tür zu.«

      Norman warf sich auf sein Bett. Er vergrub das Gesicht im Kissen und versuchte, alles zu vergessen. Klappte nicht. Also brüllte er in das Kissen. Der Laut, der herauskam, war lächerlich dumpf. Trotzdem hörte er Lauchi quieken.

      »G-geht es dir gut?«, fragte der Schwächling.

      »Seh ich so aus?« Norman stierte ihn wütend an. Lauchi schreckte zurück und plumpste auf die schmale Matratze. »Ich bin ein Scheiß-Katalysator und alle haben mich ausgelacht. Warum soll’s mir gutgehen?«

      »Ich weiß nicht. Nein, das klingt nicht schön.« Lauchi sah zu Boden. Tränen glitzerten in seinen Augen. »Mich haben sie auch ausgelacht.«

      »Ich hab’s gehört«, sagte Norman. Er ballte die Fäuste. Sein Kiefer schmerzte, so fest biss er die Zahnreihen aufeinander. »Wie hast du es geschafft? Hast du irgendwen bestochen?«

      »Bestochen?«, murmelte Lauchi. »Ich? Ich weiß gar nicht, wie das geht.«

      »Ist nicht weiter schwer«, zischte Norman. »Also wie zum Henker bist du ein verfickter Motor geworden?«

      Lauchi keuchte schockiert. Seine weichen Locken wippten und die Augen wurden rund vor Schreck.

      »Ich … ich weiß auch nicht«, jammerte er. »Ich verstehe das nicht. Echt. Ich bin auf die Tribüne gegangen und dann habe ich … Ich weiß nicht. Plötzlich war da dieses Netz und … ich weiß nicht«, schloss er kläglich.

      »Du wirst ein grottiger Motor«, sagte Norman und verschränkte die Arme. Er starrte an die Wand. »Der Schlechteste.«

      »Ja«, murmelte Lauchi. Er schniefte leise. Norman wandte sich um und sah, wie eine Träne an der schmalen Nase entlanglief.

      »Alter, reiß dich zusammen«, sagte Norman. »Wie alt bist du?«

      »Achtzehn«, wimmerte Lauchi.

      »Dann benimm dich auch so«, sagte Norman.

      Lauchi biss die Lippen aufeinander, bis sie weiß waren. Seine dichten Wimpern glitzerten nass.

      »Aber ich habe Angst«, flüsterte Lauchi. »Wir werden … Wir werden kämpfen müssen, wenn wir fertig sind, oder? Zehn Jahre lang werden wir … kämpfen müssen. Wir könnten sterben. 37 Prozent aller Motoren und 31 Prozent aller Katalysatoren sterben auf der Stadtmauer.«

      Norman seufzte. Ja, an Lauchis Stelle hätte er auch geheult. Der würde wahrscheinlich schon vom Anblick eines Lavamonsters krepieren.

      »Wir werden ja ausgebildet«, sagte er und versuchte, beruhigend zu klingen. »Wir trainieren drei Jahre lang und dann geht’s erst los. Wer weiß, vielleicht bist du in drei Jahren gar kein Spargel mehr.«

      Lauchi nickte kraftlos.

      »Vielleicht«, krächzte er. Norman musterte seine Ärmchen und die schwache Brust.

      »Sag mal, Lauchi.« Er kratzte sich am Kopf. »Warum bist du eigentlich so schmächtig? Du trainierst doch auch seit zwei Jahren, oder? Warst du nicht in den Vorbereitungskursen?«

      »Ja, schon. Irgendwie.«

      »Irgendwie? Hattet ihr keine Hindernisläufe?«

      Lauchi schüttelte den Schädel, dass sein Zöpfchen flog.

      »Meine Mutter war dagegen. Herr Dahle wollte, dass ich mehr Sport mache, aber sie hat es verboten. Sie meinte, ich wäre zu schwach und dass draußen meine Allergien schlimmer werden. Überhaupt war draußen nicht so gut, wegen … wegen meines Vaters. Den …«

      »Moment, halt mal an.« Norman richtete sich auf. »Was hat deine Mutter damit zu tun? Warst du nicht im Internat zur Vorbereitung? Habt ihr sowas nicht in … Wo kommst du nochmal her?«

      »Dem Nördlichen Flussland«, sagte Lauchi. »Noch hinter Døngard, am Fuß der Berge. Meine Familie lebt seit über zweihundert Jahren dort.«

      »Und deine Mutter durfte in deine Ausbildung reinreden?«

      »Na ja, das durfte sie vielleicht nicht.« Lauchi sah zu Boden. »Tut sie aber. Sie macht sich so viele Sorgen um mich. Ich bin nicht … Ich bin ihr jüngster Sohn. Eigentlich sollte ich bei ihr bleiben und ihr Gesellschaft leisten, bis sie alt ist.«

      »Bis sie tot ist, meinst du.«

      »Ja, das auch.« Lauchi schluckte. »Ich habe nicht … Ich bin nicht wie meine Geschwister. Die sind alle so stark und tatendurstig. Nur ich bin viel zu schwach. Keiner hätte gedacht, dass sie ausgerechnet bei mir magisches Potenzial feststellen. Keiner.«

      »Ne, sonst hätten sie dich ja besser vorbereitet. Wie war dein Internat denn so? Läuft das bei euch anders? Mit wem warst du da?«

      »Mit niemandem. Meine Mutter hat den Bezirk irgendwie überredet, dass ich daheimbleiben darf und einen Ausbilder bekomme. Herrn