Sandra Busch

Bloomwell - ein recht beschaulicher Ort


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ich recht in der Annahme, dass dies mein Dienstfahrzeug ist?“ Ich deute auf den BMW.

      „Nicht sehr einsatzfähig, nicht wahr? Sei’s drum. Ich gebe Larry von der Tankstelle Bescheid, dass er sich des Wagens annimmt. Larry Coleman. Für kleinere Touren steht Ihnen ein Fahrrad zur Verfügung. Haben Sie schon in Ihren Schuppen geschaut?“

      „Noch nicht.“ Ich probiere mich an einem Lächeln. Soll das bedeuten, dass ich mit dem Rad nach Exeter fahren darf?

      „Ich muss heute zu meinem Vorgesetzten.“

      Bones schlägt mir kameradschaftlich auf die Schulter. „Überhaupt kein Problem. Sie nehmen meinen Wagen.“ Er deutet auf das Gemeindehaus, vor dem ein silberner Audi steht.

      „Ich kann un…“

      „Oh doch! Sie können. In Bloomwell helfen wir einander. Wir sind wie eine große Familie, Mr. Culpepper. Deswegen geht es hier dermaßen harmonisch zu.“

      „Warum benötigen Sie in dieser Harmonie Polizei vor Ort?“

      „Aus dem gleichen Grund, warum wir auch einen Arzt in unserem Nest haben. Die Menschen fühlen sich sicherer. Die Polizei hat hier gewissermaßen Tradition und die wünschen wir beizubehalten.“

      Die Erklärung klingt merkwürdig.

      „Kleine Streitigkeiten, hin und wieder eine Schlägerei im Wirtshaus, durchfahrende Zigeuner … So etwas kommt selbst in der friedlichsten Gegend vor und dann sind Sie gefragt.“

      Das hört sich etwas plausibler an.

      „Gibt es hier einen Mobilfunkempfang?“

      „An den meisten Stellen nicht. Ab und an haben wir sogar Schwierigkeiten mit dem Internet, weiß der Teufel warum. Wenn ich das Chaos bedenke, als die wegen der Kabel die Straßen aufgerissen haben, bekomme ich nachträglich Hirnblutungen.“

      Ich schmunzle. „Lieber nicht. Ich habe mir gerade das Büro angesehen.“

      „Wir haben nichts verändert. Es ist genau so, wie Ihr Vorgänger, der arme Mr. Welsham, es hinterlassen hat. Seitdem hat niemand die Räumlichkeiten betreten.“

      Ich runzle die Stirn. „Ich habe angenommen, dass es wenigstens eine Sekretärin gibt.“

      „Nein, Mr. Culpepper. Notrufe gehen direkt im Exeter CID ein und werden auf ihr Handy weitergeleitet.“

      „Ohne jeglichen Empfang?“

      „In diesem Fall erhalten Sie jeweils eine Meldung auf die Anrufbeantworter bei Ihnen zu Hause und im Büro.“

      Ich bin schockiert. „Ich hatte nicht die Absicht, den ganzen Tag über im Büro herumzuhocken.“

      „Sie werden sich mit dem miesen Empfang arrangieren müssen“, erklärt Bones und zuppelt an seiner Weste herum. „Sofern Sie im Ort unterwegs sind und es Schwierigkeiten gibt, spüren wir Sie schnell auf. Und außerhalb funktioniert das Handy ja“, fügt er beinahe entschuldigend hinzu. „Sie sind sicherlich die neueste Technik und einige Unterstützung gewohnt.“

      „In der Tat“, antworte ich resigniert. Ob meine alten Kollegen über die Versetzung lachen? Wahrscheinlich. Und zwar laut und anhaltend.

      Bones räuspert sich, da ich in Gedanken versunken bin. Ich lächle etwas gequält.

      „Warum gleich nannten Sie meinen Vorgänger den armen Mr. Welsham, Sir?“

      Bones starrt mich einen Moment lang an. „Sie hören sehr aufmerksam zu, Mr. Culpepper“, sagt er schließlich anerkennend.

      „Das ist mein Job. Wieso also bezeichneten Sie ihn als arm, warum erhielt Welsham einen familiären Anruf nicht und konnte vor seiner Abreise aus Bloomwell nicht wenigstens den Schreibtisch aufräumen? Und weshalb war das Büro versiegelt?“

      „Weil Mr. Welsham Bloomwell in einem Sarg verlassen hat.“

      Oh!

      „Er ist tot?“

      „Mausetot“, sagte Bones. „Hat sich aufgehängt, der bedauernswerte Mann.“ Der Bürgermeister schüttelt traurig den Kopf. „Wenn wir gewusst hätten, wie gelangweilt er war ...“

      „Sie wollen mir ernsthaft erzählen, dass er vor Langeweile Suizid begangen hat?“ Mir ist nach ungläubigem Lachen zumute.

      Bones nickt energisch. „Ja, so ist es. Womöglich war er depressiv. Das Büro befindet sich in Unordnung, sagten Sie?“

      „In der Tat“, brumme ich.

      „Das ist sehr bedauerlich. Eigentlich hätte es vor Ihrem Eintreffen aufgeräumt werden sollen. Ich frage mich, warum sich niemand darum gekümmert hat.“

      Bones erscheint mir auf einmal ein bisschen gestresst.

      „Okay, es gibt Schlimmeres. Es wirkt zwar wie ein Granatenwurfplatz, haut mich allerdings nicht um“, sage ich, um ihn zu beruhigen.

      Bones lächelt mich liebenswürdig an. „Sofern Sie persönliche Gegenstände von Mr. Welsham gefunden haben, können Sie die mir geben. Ich leite sie an seine Familie weiter.“

      „Bis auf eine Brille habe ich beim ersten Rundgang nichts entdeckt. Ist sein Tod untersucht worden?“ Ich kann es nicht lassen und hake nach.

      „Selbstverständlich. Der DCI aus Exeter war persönlich hier und die Gerichtsmedizinerin schloss Fremdeinwirkung aus.“

      „Der Detective Chief Inspector aus Exeter?“

      „Exakt der Mann, den Sie nachher kennenlernen werden, Mr. Culpepper.“

      ###

      Von sämtlichen Seiten werde ich neugierig angestarrt, als ich durch das Großraumbüro auf die Tür meines Vorgesetzten zumarschiere. Bestimmt haben sämtliche Mitarbeiter dieser Dienststelle von meiner Versetzung gehört. Links wird leise getuschelt. Ein junger Mann mit grellroten Haaren und sehr blasser Haut hängt förmlich mit den Augen an mir. Da ich mir nichts vorzuwerfen habe, hebe ich trotzig das Kinn an und halte den Blick strikt nach vorn gerichtet. Die können mich alle mal. Endlich erreiche ich die angesteuerte Tür. Nach forschem Klopfen trete ich auf ein „Herein!“ in ein gemütliches, wenn auch schlichtes Büro.

      „Detective Inspector Alastair Culpepper meldet sich zum Dienst, Sir.“

      Ein drahtiger Mann mit Vollbart und einer flippigen apfelgrünen Brille erhebt sich mit einem ehrlichen Lächeln von seinem Platz hinter dem Schreibtisch.

      „Willkommen in meinem Team, Mr. Culpepper. Ich bin Detective Chief Inspector Thomas Kilbourne.“

      Ich ergreife die mir entgegengestreckte Hand und schüttle sie. Der Griff ist fest und warm.

      „Setzen Sie sich. Darf ich Ihnen einen Tee anbieten?“

      „Danke, gerne. Ohne Zucker, Sir.“

      „Sahne?“

      „Einen Schluck.“ Ich beobachte, wie DCI Kilbourne Tee einschenkt und nehme die Tasse mit einem dankbaren Nicken entgegen.

      „Sind Sie gut angekommen?“

      „Mit einiger Verspätung und im Regen. Aber ich habe mein Heim ohne Umwege gefunden.“

      „Es regnet dauernd. Dieses Jahr ist es besonders schlimm.“ Kilbourne nimmt einen grünen Hefter auf und betrachtet das Deckblatt. „Laut Akte haben Sie eine steile Karriere hinter sich. Da wundert es mich, dass es Sie ausgerechnet in einen Ort wie Bloomwell zieht, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen.“

      „Bedauerlicherweise hatte ich bei der Wahl meines Arbeitsplatzes keine Entscheidungsfreiheit“, entgegne ich mit einem Pokerface. „Ich nehme an, Ihnen sind die näheren Umstände bekannt.“

      „Sie haben mit Ihrem jüngsten Erfolg Ihren Vorgesetzten ordentlich blamiert, der sich auf einer völlig falschen Spur befand und Ihre Einwendungen ignoriert hat. Den Serienkiller haben Sie