Sandra Busch

Bloomwell - ein recht beschaulicher Ort


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      „Glauben Sie nicht, dass Sie vom Regen in die Traufe geraten sind. Ich schätze Mitarbeiter, die des Denkens fähig sind, und scheue mich nicht zuzugeben, wenn ich mich auf dem Holzweg befinde. Immerhin haben wir ein gemeinsames Ziel: Recht und Ordnung.“

      „Das klingt perfekt, Sir.“

      Kilbourne seufzt. „Ich schätze offene und ehrliche Worte, Mr. Culpepper. Wenn Sie das im Auge behalten, werden wir fantastisch zusammenarbeiten. Ich bedaure es sehr, dass Sie mit Ihren Fähigkeiten ausgerechnet in Bloomwell gelandet sind. Ihre Vorgänger sind regelrecht schreiend aus diesem Ort geflohen.“ Er seufzt erneut. „Bis auf Mr. Welsham. Der konnte lediglich in einem Sarg entkommen. Ich hoffe, Sie haben nicht Ähnliches vor.“

      „Einen derart dramatischen Abschied aus Bloomwell habe ich nicht geplant, obwohl ich gestehen muss, dass ich mich tatsächlich nach Herausforderungen sehne. Sollten diese in Bloomwell nicht zu finden sein, würde ich durchaus eine Bewerbung auf einen anderen Dienstposten in Betracht ziehen.“ Damit habe ich meine Aversion gegen Langeweile doch in hübsche Worte verpackt, oder nicht? Kilbourne jedenfalls schmunzelt.

      „Ihre Herausforderung wird in den katastrophalen Kommunikationsmöglichkeiten liegen. Hier herrscht mittlerweile die Meinung, dass Bloomwell verflucht ist. Der Handyempfang ist grauenvoll und gelegentlich spielen selbst die Festnetzverbindung und das Internet verrückt. Die Techniker sind unfähig, das Problem zu beheben. Die einen sagen, Bloomwell liegt innerhalb eines Funklochs, die anderen behaupten dagegen, es befindet sich außerhalb der Reichweite einer Basisstation. Den wahren Grund werden wir womöglich niemals herausfinden. Und da wir gerade über Kommunikation reden ... Sie haben hier in Exeter natürlich einen Mitarbeiter zur Verfügung, der Ihnen für Recherchen und alle anderen Dinge vorrangig unterstellt ist. Sofern Sie nichts zu ermitteln haben, wird Mr. Middlefort von uns beschäftigt. Ich werde Sie einander vorstellen.“

      „Gerne, Sir.“

      Kilbourne erhebt sich und geht zur Tür, die er öffnet. „Mr. Middlefort, bitte.“

      Sein Aufruf klingt wie der in einer Arztpraxis. Ich verkneife mir ein Grinsen. In der nächsten Sekunde spaziert der junge Mann mit den grellroten Haaren herein, der bereits im Großraumbüro hervorgestochen ist. Er ist von schlaksiger Figur, die Frisur lässt sich offenbar nicht bändigen und er hat babyblaue Augen, die sich von seinem blassen, sommersprossigen Teint abheben.

      „Darf ich vorstellen, Mr. Culpepper? DS George Middlefort. Detective Sergeant, Ihr zukünftiger Vorgesetzter, Detective Inspector Alastair Culpepper.“

      Ich stehe auf und reiche Middlefort die Hand.

      „Es freut mich, Sie kennenzulernen, Sir.“ Middlefort schüttelt mir dermaßen begeistert die Hand, dass er sie mir beinahe ausreißt. Sein Blick wirkt ehrlich und offen, das Lächeln ist nicht aufgesetzt. Sofort ist er mir sympathisch.

      „Ganz meinerseits“, erwidere ich.

      „Mein Platz ist hier in Exeter, allerdings werde ich unverzüglich springen, sobald Sie pfeifen.“ Damit wiederholt er Kilbournes vorherige Aussage auf eine saloppere Weise. „Sofern Sie etwas benötigen, sei es ein Laborbericht, Recherche, Arbeitsmaterial oder einen Donut ... Ich eile!“

      „Das hört sich prima an. Insbesondere was den Donut angeht.“

      „Warum nehmen Sie nicht zusammen einen Lunch ein?“, fragt uns DCI Kilbourne. „Dann können Sie sich in Ruhe beschnuppern. Middlefort kann Ihnen offenstehende Fragen beantworten. Für alles andere stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.“

      „Das ist sehr freundlich, Sir.“

      ###

      Nachdem sich Detective Sergeant George Middlefort bei seinen Kollegen mit einem „Bin zum pop out!“ abgemeldet hat, was so viel bedeutet, dass er sich zum Lunch begibt, sitze ich ihm fünfzehn Minuten später in einer Fast-Food-Bar gegenüber. Middlefort hat sich einen Smoothie gekauft sowie ein Thunfischsandwich, das sich genau wie mein Eiersandwich in einer Hartplastikverpackung befindet. Dazu habe ich mir ein Mineralwasser genommen. Unser erstes gemeinsames Essen findet damit wenig spektakulär statt.

      „Was können Sie mir über Bloomwell berichten, Mr. Middlefort?“, frage ich, bevor ich herzhaft in mein Sandwich beiße.

      „Nennen Sie mich ruhig George, Sir. Bloomwell ist ganz hübsch, aber der langweiligste Ort auf Erden. Die größten Verbrechen, die dort stattfinden, sind Falschparken, eine Schlägerei im Pub oder Wilderei. Ab und an hat es in den vergangenen Jahren einen tödlichen Unfall gegeben.“

      Letzteres sagt George etwas zögerlich, deshalb hake ich nach.

      „Unfälle?“

      Er zuckt mit den Schultern. „DS Welsham hat sich kurz vor seinem Tod nach den Unfällen erkundigt.“

      „Mit welcher Angelegenheit war er zuletzt beschäftigt?“, will ich wissen und denke dabei an das Papierchaos in meinem neuen Büro.

      „An keiner aktuellen, soweit ich weiß.“ George lächelt mich entschuldigend an. „Bloomwell gibt kaum etwas Kriminelles her. Eine Schlägerei zwischen zwei Einwohnern war seine letzte Aufgabe. Er sperrte beide über Nacht in jeweils eine Zelle und hielt das für eine ausreichende Strafe. Am nächsten Morgen hatten sie sich beruhigt und daher ließ er sie gehen.“

      „Um wen ging es dabei?“

      „Die Namen müsste ich Ihnen heraussuchen, Sir.“

      Ich winke ab. „Wenn der Vorgang abgeschlossen ist, halte ich das für unnötig.“

      „Passen Sie nur gut auf sich auf“, murmelt George.

      „Muss ich das?“

      „Na ja.“ Er druckst ein bisschen verlegen herum. „DS Welsham hat sich erhängt und sein Vorgänger stürzte betrunken von einer Brücke, wobei er sich das Genick gebrochen hat.“

      „Oh!“ Zunächst bin ich überrascht, denn ich bin von lediglich einem tödlichen Verlust unter meinen Vorgängern ausgegangen. Doch gleich darauf zucke ich mit den Schultern. Alkohol ist in Großbritannien ein ziemliches Problem. Auch Polizisten sind davor nicht gefeit.

      „Ich neige weder zur Trunkenheit noch zur Langeweile.“

      „Warum sind Sie hier, Sir? Sie haben in Salisbury ausgezeichnete Arbeit geleistet.“ Georges Wangen laufen krebsrot an. „Habe ich zumindest munkeln hören.“

      „Ich bin unbequem geworden“, antworte ich. „Meinem Vorgesetzten gefiel es nicht, als Versager entlarvt zu werden.“

      „Und dafür wurden Sie befördert?“ Mit großen Augen mustert er mich.

      „Den Erfolg konnte man mir nicht abstreiten.“ Wütend denke ich an die Arschlöcher in der alten Dienststelle zurück. „Ich erwarte, dass wir beide als Team agieren. Sollten Sie mit meinen Entscheidungen nicht konform gehen, dürfen Sie mir Ihre eigenen Überlegungen gerne erläutern. Ich bin wegen meines Ranges kein besserer Mensch, verstanden?“ Ich reiche George die Hand. „Auf gute Zusammenarbeit.“

      Breit lächelnd schlägt er ein und ich weiß, dass ich einen Freund gefunden habe.

      ###

      Ich parke das Auto des Bürgermeisters auf dessen Parkplatz und überreiche seiner Sekretärin mit einigen Worten des Dankes die Schlüssel. Insgeheim wurmt es mich, dass ich keine Hilfe vor Ort habe. Natürlich begreife ich, dass es Schwachsinn wäre, wenn sich zwei Detektives in Bloomwell die Eier schaukeln, trotzdem wäre es schön gewesen, wenn ich mich ab und an mit George Middlefort hätte austauschen können.

      Meine Eltern habe ich von Exeter aus angerufen und ihnen von der miserablen Verbindung in Bloomwell berichtet. Sie sollen sich keine Sorgen machen, wenn sie mich kontaktieren wollen und ständig nicht erreichen. Ein Blick auf das Handy zeigt mir, dass der Empfang eben zumindest einen Balken aufweist.

      Hurra!

      Willkommen im einundzwanzigsten Jahrhundert, dem Zeitalter der Technik