band und William Pitt 1757 für England die Kriegsführung übernommen hatte, gelang es den Briten, 1758 Louisbourg und 1759/60 Kanada zu erobern.21 Der letzte bedeutende französische Stützpunkt, Pondichery in Indien, wurde im Oktober 1760 von den Engländern eingeschlossen.22 Im Gegensatz zum Premier Pitt sahen der König und das englische Bürgertum die Kriegsziele damit im Wesentlichen verwirklicht. Folgerichtig wurden im Dezember 1761 die Zahlungen der Hilfsgelder an Preußen eingestellt. Aus Sicht der Engländer hatte Preußen seine Aufgabe vortrefflich erfüllt. Nun lag es »in der Agonie und erwartete die letzte Ölung«23.
1758 hatten russische Truppen Neumark verwüstet, Küstrin eingeäschert und die Festung Kolberg erobert. Halb Schlesien, ganz Hinterpommern und Teile Sachsens mussten aufgegeben werden. Doch mit dem Tod von Zarin Elisabeth, Tochter Peters des Großen, veränderte sich für Preußen unverhofft die Lage. Ihr Nachfolger, Peter III., Verehrer des Preußenkönigs, ließ sofort die Kampfhandlungen einstellen und am 5. Mai Frieden schließen. Russland gab ohne Entschädigungsforderungen all seine in Preußen gemachten Eroberungen auf. Im letzten Gefecht bei Burkersdorf konnte Friedrich zudem die Österreicher schlagen und zum Abzug nötigen. Nun war auch für Preußen der Sieg vollständig.
Der 1763 in Paris geschlossene Friedensvertrag zwischen England und der spanisch-französischen Koalition regelte die Verhältnisse in der Welt neu. In Amerika fielen Kanada, Florida, die östliche Hälfte des Mississippitals und der größte Teil der Westindischen Inseln an England. Frankreich durfte seine Kolonien in Indien (in den Grenzen von 1749) behalten. Den Spaniern wurden ihre Besitzungen auf Kuba und Havanna zurückgegeben. Durch diesen Friedensvertrag ging in Amerika mehr Territorium von einer Nation an eine andere über als durch irgendein anderes Ereignis in der Geschichte dieses Kontinents.24
In Europa gab der englische Premierminister Lord Bute die preußischen Interessen völlig preis und billigte den Franzosen sogar den Besitz von Kleve und Geldern zu.25 Wenig Dank für den Steigbügelhalter, der Englands Vorherrschaft in Indien und Nordamerika sichern half.
Nicht nur großzügig, sondern direkt christlich ist die Londoner Proklamation vom 7. Oktober 1763. Den Indianern wurde darin feierlich das bisherige französische Einflussgebiet ostwärts der Appalachenwasserscheide und des Ohios als »Indianerschutzgebiet« garantiert. Anstelle des französischen Gegners trat nun auf einmal die englische Krone für die Siedler als Hindernis gegen weiteres Vordringen auf. Das verletzte den als selbstverständlich empfundenen Grundsatz der Kolonisten, Reichtum und Freiheit im Westen zu suchen.
Nachdem die Loslösung vom Mutterland öffentlich immer lauter gefordert wurde, billigte der Kongress am 4. Juli 1776 die im Wesentlichen von Thomas Jefferson vorbereitete Unabhängigkeitserklärung. Sie besteht aus einer Präambel mit naturrechtlicher Argumentation: Freiheit und Gleichheit aller Menschen. Die 500 000 Sklaven sollten jedoch auf diese Menschenrechte noch über 100 Jahre warten müssen.
Auf die amerikanische Revolution folgte die französische. Unter dem Fanal »Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit« bekamen die Henker an der Guillotine viel zu tun. Einem korsischen Artillerieleutnant taten sich bald ungeahnte Möglichkeiten auf. Napoleon Bonapartes Truppen landeten in Ägypten, doch die Engländer vernichteten 1798 die vor Abukir ankernde französische Flotte. Nach verlustreichen Gefechten übergab Napoleon den Oberbefehl der ägyptischen Armee an General Kleber und kehrte nach Frankreich zurück, um sich nun mit neuen Armeen an die Eroberung Europas zu machen. Geldknappheit zwang ihn schließlich, am 30. April 1803 die Kolonie Louisiana – sie umfasste noch große Gebiete des Mittleren Westens – für 15 Millionen Dollar an Präsident Thomas Jefferson zu verkaufen. Damit verdoppelten die USA mit einem Schlag ihr Staatsgebiet. Da Kanada samt den französischen Siedlern schon vierzig Jahre lang Besitz der englischen Krone war, verschwand die französische Flagge nun endgültig von der politischen Landkarte Nordamerikas. Napoleon war der dadurch gewonnene geostrategische Vorteil für den Widersacher England wohl entgangen.
Nun setzte er seine Heere gen Mitteleuropa in Marsch. 1805 siegte er über die vereinten Preußen und Russen in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt. Daraufhin unterwarfen sich die deutschen Fürsten dem mächtigen Napoleon und betrachteten sich von nun an als Verbündete. Konsequenterweise legte der amtierende deutsche Kaiser Franz aus dem Haus Habsburg im Jahr 1806 den Titel eines Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ab und nannte sich nunmehr Kaiser von Österreich. Damit war das Reich, das mit der Krönung Karls des Großen in Rom begonnen hatte, Geschichte. Napoleon dankte für die bayerische Unterstützung und belohnte die Wittelsbacher noch im gleichen Jahr mit der Königskrone.
Im Oktober 1806 gerieten Portugal und Spanien unter französische Herrschaft, 1809 wurden die Österreicher erneut bei Wagram geschlagen und zum Frieden von Schönbrunn gezwungen. Und ein Jahr später annektierte Napoleon Bremen, Lübeck und weitere Teile Norddeutschlands sowie das gesamte Königreich Holland. Daraufhin wuchs in ganz Europa der Widerstand gegen die französische Fremdherrschaft.
Nach den Spaniern kämpften die Tiroler Bauern, die Napoleon dem Kaiser von Österreich weggenommen und an das Königreich Bayern verschenkt hatte, gegen die französischen und bayerischen Soldaten, bis Napoleon ihren Führer Andreas Hofer fangen und erschießen ließ. In den deutschen Landen empörten sich die Menschen gegen die Willkür und Gewalt des französischen Kaisers, der als Sohn der Revolution überall Monarchien installierte, die er mit Vorliebe mit Familienangehörigen besetzte. Die deutschen Volksgruppen fühlten erstmals in ihrer Geschichte die Gemeinsamkeit ihres Schicksals: Sie waren Deutsche und nicht Franzosen. Es war das erste Mal, dass alle Deutschen, ob Dichter oder Bauern, sich gegen den Willen ihrer Fürsten nach Befreiung sehnten. Doch Napoleon war noch zu mächtig, und Goethe mahnte: »Schüttelt nur an euren Ketten; der Mann ist euch zu groß!«26
Napoleons Ehrgeiz war tatsächlich ungezügelt. Nachdem sich die Russen seiner Anweisung widersetzt hatten, mit den Engländern keinen Handel zu treiben, wurden im riesigen Reich fast 700 000 Soldaten ausgehoben und an der Weichsel aufgestellt – so ein Heer hatte es in der Weltgeschichte noch nicht gegeben. 1812 marschierte Napoleon mit seiner Grande Armée und Hilfstruppen aus den »verbündeten« Ländern in Russland ein und führte sie bis vor die Tore Moskaus.
Die völlige Erschöpfung der Ressourcen durch die häufigen Kriege, die rigorose Steuerpolitik und seine Polizeiherrschaft hatten Napoleon längst bei der französischen Bevölkerung in Misskredit gebracht. Der verlustreiche Rückzug seiner Truppen im eisigen russischen Winter brachte sie weiter gegen ihn auf und ließ die europäischen Herrscher neue Hoffnung schöpfen. Seiner sterbenden Armee – von 30 000 bayerischen Soldaten kamen nur 4000 zurück – war ein verkleideter Napoleon auf einem Bauernschlitten nach Paris vorausgeeilt, um seine wankende Herrschaft zu festigen. Dort angekommen, verkündete er der Welt im 29. Bulletin: »Der Kaiser ist gesund, die Große Armee so gut wie vernichtet.«27 Zu neuen Taten drängend, stellte Napoleon unverzüglich ein neues Heer auf. Es war das letzte Aufgebot: Die Jugend Frankreichs sollte jetzt gegen die aufbegehrenden Völkerschaften in den Kampf geschickt werden.
Am 30. Dezember 1812 schloss der preußische General York eigenmächtig mit dem russischen General von Diebitsch einen Neutralitätsvertrag und besetzte die Gebiete zwischen Memel, Tilsit und Kurischem Haff. Daraufhin enthob ihn König Friedrich Wilhelm III. seines Postens. Doch dieser Akt des Ungehorsams wurde das Fanal für die Volkserhebung gegen Napoleon, und nach längerem Zögern stellte sich der Preußenkönig an die Spitze der Bewegung.
Inzwischen hatte Napoleon seine neue Armee nach Osten in Bewegung gesetzt. Der Kaiser von Österreich schickte ihm Metternich entgegen, um einen Frieden auszuhandeln. Einen Tag feilschte Metternich, um schließlich Napoleon zu fragen, was er machen wolle, wenn auch diese jugendliche Armee dahingerafft werde. Da verlor der große Feldherr die Fassung und herrschte Metternich an: »Sie sind kein Soldat und wissen nicht, was in der Seele eines Soldaten vorgeht. Ich bin im Felde aufgewachsen, und ein Mann wie ich pfeift auf das Leben von einer Million Menschen.«28
Im Oktober 1813 stand Napoleons Armee mit dem Juniorpartner Bayern den Preußen, Russen, Engländern, Österreichern und Schweden in Deutschlands Mitte gegenüber. Am ersten Tag hielt sich Napoleon. Als am zweiten Tag die bayerischen Truppen die Seite wechselten, war die Schlacht, die als Völkerschlacht