Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler
Assisi aus dem Jahr 1452 finden bei Vasari ebensowenig Beachtung wie das ein Jahr später freskierte Leben der Rosa von Viterbo in der ihr dort geweihten Kirche.
Doch selbst der noch heute gut erhaltene Zug der Heiligen Drei Könige in der Kapelle des Palazzo Medici-Riccardi in Florenz wird in beiden Editionen Vasaris nur in einem Nebensatz abgehandelt. Vom vielteiligen Freskenzyklus in San Gimignano erzählt der Biograph zwar die Szenen aus dem Leben des Heiligen Augustinus und erwähnt auch weitere Arbeiten, die in dem südtoskanischen Städtchen entstanden; immerhin sind aus Benozzos zweijähriger Tätigkeit in San Gimignano auch die meisten Werke erhalten. Anders als vom Autor dargestellt, siedelte Benozzo aber nicht von Rom zu seinem Großauftrag nach Pisa über, sondern von San Gimignano aus, wo er sich mit dem vollendeten Augustinus-Zyklus quasi für die Aufgabe im Camposanto geeignet gezeigt hatte.
Innerhalb der gesamten Vite vergleicht Vasari Benozzo mehrmals mit Kollegen seines Faches, stets mit demselben Ergebnis, er sei nicht so gut gewesen wie die anderen Künstler. Dennoch war es Benozzo, der sich das Großprojekt am Camposanto in Pisa zutraute. Viele andere Maler hatten laut Vasari Angst gehabt, es anzugehen. So lobt und respektiert der Biograph diese Leistung und außer seinen Bilderfindungen auch die Perspektive, die Landschaftsgestaltung und sogar die Figurenzeichnung, selbst wenn er Benozzo eigentlich für keinen guten Zeichner hielt.
In der Vita des Lorenzo Costa berichtet Vasari, daß jener eigens aus Ferrara in die Toskana gekommen sei, um die Werke von Filippo Lippi und Benozzo Gozzoli zu studieren, da ihm deren Stil gut gefiele, besonders was die Wiedergabe der Natur betraf. Für eine gelungene Nachahmung der Natur wird Benozzo auch in seiner eigenen Vita gelobt. Speziell im Porträt habe er reüssiert, und Vasari ergänzte 1568 einige Namen von Männern, die er in den Pisaner Fresken wiedererkannte. Verwunderlich bleibt, daß er die porträtierten Mitglieder der Familie Medici im Zug der Heiligen Drei Könige unidentifiziert ließ.
Neben Filippo Lippi war also Benozzo der gefragteste Florentiner Künstler seiner Zeit. Tafelbilder und Fresken für kirchliche und weltliche Herren beschäftigten den unermüdlichen Maler über viele Jahrzehnte. Als Florentiner Künstler mit guten Verbindungen zu den Medici war er die meiste Zeit seines Lebens in toskanischen Städten aktiv, die unter Florentiner Herrschaft standen: in San Gimignano, Pisa und Pistoia. Immer mit Aufträgen versorgt und beliebt bei den Zeitgenossen, zeichnet Vasari das Bild eines fleißigen, gesitteten, christlichen Meisters, der ganz klar seiner zweiten Stilepoche, der maniera vecchia, zuzuordnen sei, auch wenn er sich an das gigantische Werk in Pisa wagte, das im 16. Jahrhundert erst von Michelangelo in Rom übertroffen wurde. Lob und Kritik bitetet die Vita reichlich, doch werden sie zum Teil fast wortwörtlich wiederholt und sind insofern redundant.
Nur wenige Änderungen nahm Giorgio Vasari an Benozzos Lebensbeschreibung vor, als er sie für die zweite Edition überarbeitete. Neu hinzu kamen, abgesehen von kleinen sprachlichen Retuschen und Ergänzungen bei den Camposanto-Fresken, lediglich Angaben zu weiteren Werken in Pisa und zu den Werken in Rom, sogar einige biographische Details flocht er ein. Während Vasari bereits 1550 die zwischen Benozzo und Melozzo da Forlì schwankende Zuschreibung eines Freskos in der römischen Kirche Santi Apostoli diskutierte, schrieb er es letzterem 1568 eindeutig zu.
Das Ende von Benozzos Mühen sah Vasari nach Vollendung der Camposanto-Fresken. Er verortet seinen Tod in der Stadt seines Ruhms, wo es zur außergewöhnlichen Ehrung durch ein Epitaph der Bürger – noch zu Lebzeiten – gekommen war. Vasari zitiert den Text hingegen als Grabesinschrift. Offensichtlich wußte er nicht, daß Benozzo noch einmal nach Florenz zurückgekehrt war. Aufgrund neuer Aufträge brach er von dort zusammen mit seinen Söhnen ein letztes Mal nach Pistoia auf, wo er verstarb und im örtlichen Dominikanerkloster seine Grabstätte – ohne Epitaph – fand.
AZ
DAS LEBEN DES FLORENTINER MALERS BENOZZO
Vita di Benozzo. Pittore Fiorentino (1568)
Wer in seinen Bemühungen den Pfad der Tugend geht, und sei er auch, wie sie sagen, noch so steinig und voller Dornen, wird sich am Ende des Aufstiegs schließlich auf einer weiten Ebene inmitten der ersehnten Freuden wiederfinden. Und schaut er hinunter und sieht die schlechten Wege, die er unter Gefahren genommen hat, dankt er Gott, der ihn dort sicher entlanggeführt hat, und preist mit größter Befriedigung jene Mühen, die ihm eben noch so unerträglich erschienen waren. Und während die vergangenen Strapazen in der Heiterkeit einer glücklichen Gegenwart Linderung erfahren, müht er sich nun unermüdlich, denen zu zeigen, die ihn sehen wollen, wie Hitze, Frost, Schweiß, Hunger und Durst und all die Unannehmlichkeiten, die man auf dem Weg zu künstlerischem Verdienst erdulden muß, einen aus der Armut befreien können und in jene sichere und friedvolle Lage versetzen, in der ein unermüdlicher Benozzo Gozzoli sich zu seiner großen Zufriedenheit ausruhen durfte.1 Jener war ein Schüler des engelgleichen Fra Giovanni, von dem er zu Recht geliebt wurde,2 so wie er jedem, der ihn kannte, als erfahrener Meister mit großem Erfindungsreichtum galt, der Tiere, perspektivische Darstellungen, Landschaften und Ornamente überaus vielfältig zu gestalten wußte. Er hat in seinen Tagen so viel gearbeitet, daß er für andere Vergnügungen offenbar nicht viel übrig hatte. Und war er auch im Vergleich zu vielen anderen, die ihn im disegno überlegen waren, nicht besonders vortrefflich, so übertraf er mit seinem Arbeitseifer doch alle anderen seiner Zeit, weil ihm in der Fülle seiner Werke durchaus auch ein paar gute gelangen. In Florenz malte er in seiner Jugend für die Bruderschaft von San Marco die Tafel für den Altar3 und in San Frediano einen sterbenden Heiligen Hieronymus, der im Zuge der Instandsetzung der Kirchenfassade längs der Straße zerstört worden ist.4 In der Kapelle des Medicipalastes freskierte er die Geschichte der Heiligen Drei Könige5 und in Aracoeli in Rom schuf er in der Cesarini-Kapelle Szenen mit dem Heiligen Antonius von Padua, wo er Kardinal Giuliano Cesarini und Antonio Colonna naturgetreu porträtierte.6 Außerdem schuf er im Turm der Conti, und zwar über einer Durchgangstür, das Fresko einer Madonna mit vielen Heiligen;7 und in Santa Maria Maggiore in einer Kapelle linker Hand vom Haupteingang der Kirche viele Figuren in Fresko, die angemessen gelungen sind.8
Aus Rom nach Florenz zurückgekehrt, begab Benozzo sich nach Pisa, wo er auf dem Friedhof, den sie Camposanto nennen, neben dem Dom die Fläche einer Mauer gestaltete, die sich über die gesamte Länge des Gebäudes hinzieht und auf der er mit großem Erfindungsreichtum Szenen aus dem Alten Testament darstellte.9 Dabei handelt es sich, man darf das sagen, um ein wirklich ungeheuerliches Werk, sieht man darin doch alle Szenen der Erschaffung der Welt, die Tag für Tag wiedergegeben sind. Es schließen sich die Arche Noahs und die Überschwemmung der Sintflut an, die er mit wunderschönen Kompositionen und großem Figurenreichtum wiedergegeben hat.10 Daneben Nimrods hochmütiger Turmbau,11 der Brand von Sodom und anderer benachbarter Städte12 und die Szenen mit Abraham, in denen es wunderschöne Gemütsregungen zu beobachten gibt, denn obgleich Benozzo die Figurenzeichnung nicht besonders gut beherrschte, demonstrierte er in der Opferung Isaaks doch effektvoll seine Kunst, weil er dort einen verkürzt gemalten Esel so plazierte, daß er sich in beide Richtungen zu wenden scheint, was als eine wunderbare Sache gilt.13 Es folgt die Geburt Mose mit den vielen Zeichen und Wundern, bis zu der Zeit, als er sein Volk aus Ägypten führte und viele Jahre lang in der Wüste ernährte.14 Diesen fügte er alle jüdischen Szenen bis zur Zeit von David und seinem Sohn Salomon hinzu.15 Und in dieser Arbeit hat Benozzo eine wirklich mehr als kühne Haltung gezeigt, als er solch eine große Unternehmung, die einer ganzen Legion von Malern zu Recht Angst eingeflößt haben würde, komplett alleine gestaltet und zur Vollendung gebracht hat.16 Und weil er dafür unglaublichen Ruhm erntete, hat man ihm verdientermaßen in der Mitte des Werks folgendes Epigramm gesetzt:
WAS BETRACHTEST DU VÖGEL, FISCHE UND SONDERBARE WILDE TIERE UND GRÜNE WÄLDER UND HIMMELHOHE HÄUSER
UND KNABEN, JÜNGLINGE, MÜTTER UND ERGRAUTE GROSSELTERN,
DENEN LEBENDIGE ANMUT UNVERGÄNGLICH IM ANTLITZ ATMET?
NICHT HAT DIESE BILDER MIT [IHREN] SO VERSCHIEDENARTIGEN GESTALTEN GEFORMT
DIE NATUR, DIE JA DURCH IHR WESEN ZUR HERVORBRINGUNG