Pete Hackett

Coltkampf am Rio Grande: Western Exklusiv Sammelband 7 Romane


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sich mit Fremden zusammengetan?«

      »Vielleicht.«

      »Und dieser Gobernator, ist er ein bisschen verrückt?«

      Erstaunt schaute der Mexikaner den Rancher aus Colorado an. »Wie kommen Sie denn darauf?«

      »Wissen Sie, wenn man davon lebt, Steuern einzutreiben, dann braucht man arbeitsame Leute, die diese Gelder erwirtschaften. Indem ich die Campesinos in die Flucht treibe oder einsperre, können sie mir nicht mehr nützlich sein. Ich finde einen Menschen, der so handelt, ziemlich verrückt.«

      »Ja, das ist er sicher«, sagte der andere Mann, der ursprünglich aus der Stadt El Carrizo stammte. »Anfänge waren vor Jahren schon davon zu spüren. Er hat eben die fixe Idee, die Campesinos hätten viel Geld gemacht, und er könnte es ihnen abjagen.«

      9

      Der Wagen jagte von den Soldaten flankiert im Höllentempo durch die Stadt.

      Menschen in ärmlicher Leinenkleidung, alte Strohsombreros auf den Köpfen und Sandalen an den Füßen, sprangen gegen die Häuser, um nicht niedergeritten zu werden.

      Ein Pfiff erschallte irgendwo.

      »Das Tor wird geöffnet!«

      Chet blickte auf die vorüberfliegenden Lehmhütten und die ängstlich sich in den Schatten drückenden Menschen.

      Ein paar zweirädrige Karren mit vorgespannten Eseln und Maultieren huschten vorbei. Ein alter, weißbärtiger Mann zog den Hut vom Kopf und verneigte sich ehrerbietig vor den Offizieren.

      Dann beschrieb der Wagen eine scharfe Kurve und rollte unter einem halbrunden Torbogen hinweg.

      Der Innenhof des Palastes war gepflastert. Die Hufe hämmerten darauf, und die Fahrgeräusche verzehnfachten sich.

      Ein mehrstöckiges, weißes Haus mit großen Fenstern stand links, rechts die hohe Mauer, Stallungen und ein großes Mannschaftsgebäude, aus dem Soldaten mit Gewehren in den Händen hasteten und Aufstellung nahmen.

      Die Bremsklötze pressten sich gegen die kreischenden Eisenreifen. Die Kutsche hielt.

      »Machen Sie Meldung!«, flüsterte der Capitan heftig.

      »Ich?«, fragte Teniente Carras. »Wieso denn ich? Sie sind der ranghöhere Offizier!«

      »Sie Dummkopf, es ist Ihr Kommando, was Don Esteban interessiert.«

      Chet schaute hinaus und sah einen Mann an einem offenen Fenster im oberen Geschoss. Er hatte ein langes Pferdegesicht, böse, stechende Bernsteinaugen und angegraute Schläfen. Neben ihm erschien ein weiterer Mann mit kugelrundem, rötlichen Kopf und kleinen, funkelnden Schweinsaugen.

      »Don Esteban, es ist etwas Schreckliches …« Carras brach ab und riss sich den Kragen auf.

      »Was ist los?«, schimpfte der Gobernator mit barscher Stimme.

      »Nun reden Sie schon!«, zischte der Capitan. »Ich helfe Ihnen da nicht aus der Patsche.

      »Wir wurden … Es war … Ihre Tochter, Don Esteban …«

      »Was ist mit meiner Tochter?«

      »Verschleppt!«, stieß der Teniente hervor.

      Der Mann am Fenster bewegte sich heftig. Der andere beugte sich weiter herunter. »Meine Braut? Meinen Sie, meine Braut wäre verschleppt worden?«, schallte es schrill in den Innenhof herunter.

      »Es tut mir leid, Don Sancho. Wir konnten nichts machen. Aber wir haben ein paar der Halunken gefasst!«

      »Werft die Schurken in den Kerker«, befahl der Gobernator, dem die Erschütterung anzusehen war. »Und kommen Sie sofort herauf. Sie auch, Capitan!«

      Der Schlag wurde geöffnet, Chet gepackt und aus der Kutsche gezerrt. Ein großes Tor tauchte auf. McCoy stolperte in einen getünchten Gang und wurde gegen ein Eisengitter gestoßen.

      Eine Treppe führte steil in einen dämmrig erleuchteten Keller hinunter. Schemenhaft waren Gestalten auszumachen.

      Die Gittertür wurde aufgeschlossen und Chet auf die Treppe gestoßen. Er stürzte und rollte sich überschlagend die Treppe hinunter. Als er liegenblieb, sah er stoppelbärtige, ausgemergelte Gesichter, die im trüben Lampenlicht grau aussahen.

      Sie zogen ihn zu einer dürftigen Strohschütte, von der aus er seinen Schwiegervater in die Tiefe rutschen sah. Corcoran hatte ein wenig mehr Glück und konnte unten angelangt selbst aufstehen.

      Dwarf schrie, als er abwärts befördert wurde. Rizzos beschimpfte seine Peiniger, was ihm einen Kolbenhieb eintrug. Dann fiel die Tür scheppernd zu, der Schlüssel drehte sich kreischend im Schloss und wurde abgezogen. Die Soldaten verschwanden. Das Tor schlug zu.

      »Ist jemand verletzt?«, fragte ein alter, weißhaariger Mann. Er schaute auf Chet, auf den Rancher, die beiden Cowboys und die zwei Campesinos, die man oben an der Treppe sitzengelassen hatte.

      »Wir sind offenbar alle in Ordnung«, erwiderte John Corcoran nach einem Rundblick.

      Sie wurden von den Fesseln befreit, massierten die zerschundenen Gelenke und schauten sich um. Chet zählte acht klapperdürre Gestalten. Eine davon war eine noch junge Frau, ungefähr achtundzwanzig Jahre alt. Sie war ziemlich groß und schlank und schwarzlockig wie Rea Cuchillo. Chet fragte sich, warum er an die Tochter des Gobernators dachte, als er die Mexikanerin mit den großen Mandelaugen betrachtete. Sie trug ein fadenscheiniges Flitterkleid, von dem der größere Teil der silbernen Pappsterne abgerissen war.

      Sie kniete bei Chet im Stroh. »Sie hätten sich das Genick brechen können, Señor.«

      Er lächelte schief.

      »Ich bin Manuela.«

      »Chet McCoy.«

      »Das hier sind alles Campesinos, von denen der Gobernator meint, sie hätten ihn um die Steuern betrogen. Dabei hätte jeder bezahlt, wären nur ein paar Pesos irgendwo greifbar gewesen.«

      »Wir haben die Geschichte unterwegs schon gehört.«

      »Ich habe drüben in der Bodega gearbeitet. Weil Teniente Carras bei mir nicht landen konnte, hat er zum Gobernator gesagt, ich hätte die Campesinos gewarnt, damit sie vor den Soldaten rechtzeitig flüchten konnten.«

      Die beiden Campesinos stiegen die steile Treppe herunter. Der eine erzählte, was ihnen widerfuhr und was sie von Corcoran und seinen Leuten wussten.

      Das Mädchen richtete sich auf. »Das bricht Carras das Genick!«

      »Und uns mit«, murmelte Dwarf. »Dieser Halunke schiebt uns vor, damit es für ihn etwas glimpflicher wird!«

      »Das wird ihm vermutlich keinen Deut nützen!« Ein größerer, hagerer Mann, etwa vierzig Jahre alt, schob sich in den Vordergrund. »Bei meinem Rancho kamen die Soldaten zehn Minuten zu früh in Sicht. Soviel Zeit hätte ich noch gebraucht, um zu verschwinden. Mein Name ist Ernesto Gomez.«

      Corcoran stand auf, schleppte sich in die Mitte und rümpfte die Nase.

      »Wir hausen alle in diesem Loch. Nur die Latrine ist da hinten um die Ecke. Riechen Sie es?«, sagte Manuela.

      Corcoran schaute in die Ecke, zu der auch Manuela blickte, und sah im Dunkel undeutlich einen schmalen Gang. »Ja, das kann man riechen.«

      »Gibt es hier irgendwann etwas zu essen?«, erkundigte sich Rizzos.

      »Jetzt denkt der schon wieder an seinen Magen!« Dwarf verdrehte die Augen. »Geht denn in deinem Kopf nichts anders vor?«

      »Im Moment nicht. Ich bin ausgehungert wie ein Wolf im Winter.«

      »Ist es Tag oder Nacht?«, wollte Gomez wissen.

      »Abend«, erwiderte Chet.

      »Dann müsst ihr noch lange warten.«