seinem Vormann, der bald der Schwiegersohn des Bosses sein würde. Denn McCoy und die Rancherstochter waren sich einig.
»Seht ihr das nicht?«, fragte Chet schleppend. »Staub über den Hütten. Der kommt nicht von allein dahin.«
Dwarf zog das Mehrladegewehr aus dem Scabbard.
»Du meinst, es versteckt sich jemand vor uns?«, fragte Corcoran.
»Sieht jedenfalls ganz so aus.«
»Dwarf, steck die Flinte weg!«, befahl Corcoran schroff. »Wir sind Fremde in diesem Land und sollten so wenig kriegerisch wie möglich aussehen.«
Murrend schob der kleine Cowboy das Gewehr in den Sattelschuh zurück. »Und wenn es Bandoleros sind, die uns die Stiere abnehmen wollen? Die wissen auch, dass zwei solche Prachtexemplare ein Heidengeld wert sind, Boss!«
Bei den scheinbar verlassenen Hütten bewegte sich nichts. Nur die Staubschwaden über den Katen blieben in der dunstigen, flimmernden Luft stehen.
»Wollen wir uns hier verewigen?«, knurrte Rizzos schließlich. »Schlagen wir doch einfach einen Bogen. Bis zur nächsten Wasserstelle werden wir und die Tiere es schon aushalten.«
Corcoran blieb unentschlossen. »Sag was, Chet!«
»Wenn die was von uns wollen, die dort sicher stecken, dann greifen sie uns so und so an.«
»Wie viele könnten es sein?«, fragte Dwarf.
»Woher sollen wir denn das wissen?«, schimpfte der Rancher. »Zehn Männer und Pferde lassen sich bestimmt hinter den Buden verstecken. Wenn man es ein bisschen geschickt anfasst, bestimmt auch die doppelte Anzahl.«
Chets Hand lag auf dem Revolver. Er bemerkte es erst, als er den warmen Stahl der Griffschalen spürte.
Corcoran stellte sich in den Steigbügeln auf. »Warum versteckt ihr euch, zur Hölle?«, schrie er laut zu den Hütten hinüber.
Da tauchte eine Gestalt im größeren der beiden armseligen Gebäude auf, bewegte sich durch den Schatten und erreichte die Schwelle, wo sie im grellen Sonnenlicht stehenblieb.
»Ein Offizier der mexikanischen Armee«, sagte Dwarf verblüfft.
Der große, schlanke Capitan trug eine maßgeschneiderte, staubfreie Uniform und zwei blitzende Orden auf der Brust. Schwarzes Haar quoll unter der Schildmütze hervor, die er tief in die Stirn gezogen hatte, so dass seine dunklen Augen kaum zu erkennen waren. In der Hand hielt er ein Gewehr.
Rechts und links und zwischen den Katen tauchten weitere Soldaten auf, alle mit angeschlagenen Gewehren bewaffnet, die auf die vier Weißen zielten.
»Verwünscht«, murmelte Rizzos.
»Was hast du denn?«, fragte der Rancher leise. »Soldaten sind mir tausendmal lieber als Banditen. Wir leben im Frieden mit Mexiko. – Reiten wir weiter.«
Chet trieb sein Pferd an. Die Longe spannte sich. Der Bulle reckte den Kopf und grunzte wieder wie ein Schwein, setzte sich jedoch in Bewegung.
John Corcoran holte auf, und auch Dwarf und Rizzos ritten in gleicher Front mit ihnen. Die Stiere trotteten hinter straff gespannten Leinen. Der von Corcoran geführte Bulle wollte auf einmal nicht weiter und stemmte die Vorderläufe ein. Die straff gespannte Longe riss am Nasenring und verletzte den unwilligen Stier. Der heftige Schmerz ließ ihn brüllen und losstürmen.
Corcoran schaute zurück und ließ die Longe fahren.
Der Stier schlug einen Haken hinter den Reitern, ging mit gesenktem Kopf den Corral an, rannte den Zaum um und stürmte in das leere Geviert hinein. Berstende Bretter wirbelten durch den emporgeschleuderten Staub. Der brüllende Bulle raste durch den Corral, kam aber nach der zweiten Runde wieder zur Ruhe. Der Schmerz schien nachgelassen zu haben. Dichte Staubschwaden zogen über den verwahrlosten Hof.
Der Bulle grunzte wieder.
Mit eingezogenen Köpfen saßen die vier Weißen auf ihren Pferden, heilfroh, dass kein Schuss gefallen war.
»Ich bin John Corcoran.« Der Rancher tippte an seinen Hut und schaute zu dem Offizier hinüber. »Wir sind aus Colorado.«
»Und was treiben Sie hier, Señor?«, fragte der Offizier, dessen Englisch den singenden Tonfall der Texaner hatte.
»Wir haben auf der Hazienda San Malo diese beiden prächtigen Stiere gekauft.«
»Deswegen reiten Sie so weit?« Der Capitan runzelte die Stirn. »Klingt recht unglaubwürdig, Señor!«
Die Soldaten rückten auf beiden Seiten näher heran, die Gewehre immer noch auf die Weißen angeschlagen. Drohende Minen und funkelnde Augen beherrschten die Szene.
»Warum nicht?«, fragte John Corcoran. »Einen Stier kauft man nicht jedes Jahr. Schon gar keine zwei. Und ganz billig ist so ein Tier auch nicht. Die Züchter sind rar, die guten schon regelrecht dünn gesät, mon Capitan.«
Das gewinnende Lächeln des Ranchers machte auf den Offizier keinen Eindruck. Er trat aus der Hütte. »Steigen Sie ab!«
Corcoran warf Chet, seinem Schwiegersohn und Vormann, einen Blick zu.
McCoy nickte, bewegte sich jedoch nicht.
Da saß der Rancher ab und trat vor die Pferde.
»Von der Hazienda San Malo, am Rio de la Malo?«
»Ganz recht, Capitan.«
»Haben Sie eine Quittung?«
»Aber selbstverständlich.« Corcoran griff in die Innentasche der Lederweste, brachte ein Schreiben zum Vorschein und entfaltete es.
Der Capitan nahm es entgegen und studierte es mit gerunzelter Stirn. Er betrachtete die Reiter, die beiden Stiere und wieder das Papier. Dann faltete er es zusammen und gab es zurück. »So gut sind die Stiere von San Malo, dass Sie deswegen fast tausend Meilen weit reiten?«
»Sie sind weltberühmt, Capitan.«
Das große Lob ließ die Miene des Offiziers doch merklich heller werden. Die Bedrohung durch die Soldaten ließ jedoch nicht nach.
Corcoran steckte das Schreiben ein. »Wir hofften, hier Wasser zu finden, Capitan?«
»Sie haben Pech!«, stieß der Offizier beinahe wütend hervor. »Diese verdammten Campesinos lassen nichts zurück, wenn sie ihre Hütten aufgeben. Nichts, was man noch benutzen könnte.«
»Sie meinen, die Pumpe ist kaputt?«
»Zerschlagen. Gusseisen platzt wie Glas, wenn man mit der nötigen Wucht dagegen schlägt.«
»Schade. Na ja, sicher schaffen wir es auch noch bis zur nächsten Wasserstelle. – Warum sind die Campesinos weg?«
»Sie wollten ihre Steuern an Gobernator Don Esteban nicht bezahlen.«
Corcoran blickte über das kümmerliche Anwesen und den vertrockneten Mais auf den Feldern. »Oder sie konnten vielleicht nicht.«
Der Capitan trat einen Schritt auf ihn zu und schlug das Gewehr an der Hüfte an. »Was soll das heißen?« Blitze schossen aus seinen Augen.
Corcoran lief es kalt über den Rücken, obwohl die Hitze drückend war und der Schweiß sein Hemd zwischen den Schulterblättern auf die Haut klebte. »Ich will mich gewiss nicht in die inneren Angelegenheiten Mexikos einmischen, Señor«, erwiderte er gedehnt. »Aber es könnte ja sein, dass die Campesinos keine Einkünfte hatten. Dass sie nichts verkaufen konnten. Der Mais ist auf dem Halm vertrocknet, bevor er reif war. Das sieht man doch auf den Feldern.«
Der Capitan trat etwas zurück und senkte das Gewehr.
Corcoran atmete erleichtert auf. Der Schweiß rann in Strömen über sein Gesicht.
»Hüten Sie besser Ihre Zunge.« Der Offizier blickte nach rechts und links. »Und seien Sie froh, dass meine Leute Sie nicht verstehen.«