Danara DeVries

Sing to me - Wicked Love


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      Jaakkos Gesichtszüge entgleisen jetzt ebenfalls. Schockstarre. Zumindest einen Atemzug lang. Den Stift hält er fest umklammert. Und dann nickt er stoisch.

      Panik macht sich erneut bemerkbar und ich weiß, dass ich mein Heil lieber in der Flucht suchen sollte. Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt, weil Jaakko noch hinter dem Tisch gefangen ist und mir nicht hinterherrennen kann.

      Aber der Moment vergeht. Sein Blick gleitet zu seinen Bandkollegen. Sie geben ihm nickend zu verstehen, dass sein kleiner Ausflug okay ist. Er kämpft sich hervor, vorbei an der Security. Ich sehe ihm gebannt hinterher. Jaakko hat definitiv abgenommen und sieht gut aus; nicht zu gut, aber immer noch besser als … damals.

      Max und Eve grölen mit den anderen Teenies um die Wette. Die beiden Mädchen ziehen mich und der Rest der Meute schiebt.

      »Wie cool, Mom!« Max hakt sich lachend bei mir unter, während ich noch nervöser werde.

      »Nicht wirklich«, korrigiere ich sie. Unruhig suche ich nach einem Ausgang. Das EXIT-Schild über der Tür, durch die ich jetzt geschoben werde, erscheint mir wie die Erlösung schlechthin. Mit einem geschickten Schlenker will ich abbiegen, aber mehr als einen Ausfallschritt bekomme ich nicht hin. Selbst Eve hat sich bei mir untergehakt und zusammen schleppen meine Tochter und sie mich ihm hinterher.

      »Es sieht so aus, als würde er dich mögen!« Max verzieht das Gesicht. »Wer weiß, was du sonst noch aus ihm herausholen könnest.« Sie lachen, plappern aufgeregt und überlegen, ob sie sich lieber für meinen Bauch oder meinen Hintern entscheiden sollen.

      Ach so, ja, das Autogramm hatte ich beinahe vergessen … aber hallo? Das ist mein Hintern! Wenn hier jemand entscheidet, wohin ich dieses lächerliche Autogramm bekomme, dann bin ich das. Eigentlich will ich überhaupt keins – und erst recht will ich nicht mit ihm alleine sein!

      Aber mein vorlautes Mundwerk ist wieder einmal mit mir durchgegangen und jetzt sitze ich in der Falle. Gehetzt schaue ich mich um. Hinter mir zwei Securities, die locker als Profiboxer durchgehen würden. Im Schwergewicht. Sie haben uns von der grölenden Menge getrennt und treiben mich einen langen Gang hinunter. Und vor mir … er. Verdammt, wie konnte das nur passieren?

      Die Tür schließt sich hinter mir. Die Preisboxer draußen, meine Mädels und ich drinnen; vor mir die Apokalypse, spöttisch grinsend und wie immer den Schalk im Nacken.

      »Hosen runter!« Er zückt den Stift.

      Empört verschränke ich die Arme vor der Brust und bewege mich keinen Zentimeter. Nun kann er sich nicht mehr vor mir verstecken. Keine Security, kein Tisch und vor allem keine Absperrung. Wenn ich wollte, könnte ich ihm jetzt sein bärtiges Gesicht polieren.

      Endlich kann ich wieder klar denken. Ich atme tief durch und sehe mich nach den Mädchen um.

      Sie glotzen mich an. An meinem Gesichtsausdruck scheinen sie bemerkt zu haben, dass ich nicht zu Scherzen aufgelegt bin und es absolut ernst meine: Ich bedenke Jaakko mit einem langen Blick und sein Grinsen verflüchtigt sich. »Kommt, wir gehen!«

      Ich drehe mich auf dem Absatz und habe schon die Hand auf die Türklinke gelegt, das Protestgeheul der Mädchen ignoriere ich.

      »Komm schon, Kitty, sei keine Spielverderberin«, mault Jaakko hinter mir.

      Ich, eine Spielverderberin? Die unerwartete Begegnung mit ihm hat mir gerade den Schock meines Lebens verpasst und ich soll keine Spielverderberin sein? Entnervt schließe ich die Augen und atme tief durch.

      »Mom!«, heult Max auf.

      »Tante Cat, bitte!«, schließt sich Eve im selben weinerlichen Tonfall an. Doch ich blende die beiden aus, denn Jaakkos Stimme jagt mir heiße und kalte Schauer über den Rücken, während seine Worte mich auf die Palme bringen. Die Wut auf ihn, die ich seit mehr als einem Jahrzehnt unterdrücke, die ich zum Wohle meiner Tochter nie an die Oberfläche habe kommen lassen, frisst sich durch die dünne Schicht Selbstbeherrschung, unter der ich sie sicher vergraben glaubte. Es fehlt nur ein winziger Funke und ich bin wieder das Häufchen Elend, getrieben von dem Wunsch nach Sicherheit.

      Ich will keine Spielverderberin sein, ich liebe Spiele. Aber das Spiel des Lebens hat mir gehörig in die Suppe gespuckt. Jaakko Salmela hat mir in die Suppe gespuckt, dreimal durchgerührt und sie mir ordentlich versalzen.

      Und ich gehe jede Wette ein, dass er nicht die leiseste Ahnung hat, wie sehr es mich damals verletzt hat.

      Doch sobald er die Wahrheit kennt, wird er sich vermutlich eher als Opfer und nicht als Täter sehen. Deshalb darf er es niemals erfahren und genau deshalb muss ich jetzt gehen.

      Hastig lasse ich den Türgriff los, fahre herum und überbrücke die wenigen Schritte zu Jaakko. Wütend baue ich mich vor ihm auf und tippe ihm auf die Brust. »Ich bin keine Spielverderberin. Ich wollte dich bloß niemals wiedersehen. Und dann tauchst du hier auf und fängst mit so einer Scheiße an!«

      Sein Lächeln erlischt und er lässt den Stift sinken. »Sorry, aber ich arbeite hier und im Übrigen wollte ich dich nicht ärgern. Du sahst nur so aus, als könntest du etwas Humor vertragen.« Etwas in meinem Augenwinkel erregt meine Aufmerksamkeit: Wie in Zeitlupe hebt Jaakko die Hand, sodass ich der Bewegung fasziniert folgen kann. Als seine Finger vorsichtig meine Wange berühren, falle ich fast in Ohnmacht.

      Die Mädels hinter mir schnappen nach Luft, doch ich spüre nur ihn. Zitternd schließe ich die Augen und sauge jede noch so kleine Berührung in mich auf. Wie eine Ertrinkende.

      Sein Daumen streichelt sanft meine Haut. »Es ist so verdammt lange her«, murmelt er.

      In dieser Berührung könnte ich mich verlieren. Ich weiß es und er weiß es. Aber wir sind nicht allein. Wenn wir es gewesen wären, hätte ich alle Bedenken über Bord geworfen.

      Scheiße, verdammt. Das ist genau der Grund, warum ich ihn nicht wiedersehen wollte. Warum ich diesen ganzen Mist vergessen und mich nur auf Max konzentrieren wollte. Sie ist mein Leben. Um sie geht es und … nicht um mich.

      »Mom!«, quengelt sie wie auf Kommando und rupft an meinem Arm herum.

      Danke, danke, danke! Hastig reiße ich mich von Jaakko los und lasse mich von meiner Tochter wegziehen. Sie sieht mich verstört an. Auch Eve ist nicht mehr ganz so euphorisch wie noch vorhin im Flur.

      Offenbar merken die Mädels, dass zwischen mir und ihm, dem Bassisten ihrer Lieblingsband, mehr war als nur eine flüchtige Bekanntschaft. Oh, wie recht die Kinder doch haben! In ihren verständnislosen Blicken erkenne ich, dass sie noch keine Ahnung haben, was da los ist, aber Max’ Reaktion zeigt mir, dass sie instinktiv etwas ahnt. Sie wittert die Gefahr wie ein Raubtier. Mein kluges, kleines Mädchen.

      Niemand scheint mehr erpicht auf Autogramme zu sein, aber Jaakko versucht die Situation trotzdem zu retten: »Hey, ihr seid doch wegen dem Konzert hier, oder?« Die Mädels drehen sich im Gleichschritt herum und wirken sofort abgelenkt. Das Konzert wollen sie sich natürlich nicht entgehen lassen. Ich seufze leise und gebe mich geschlagen.

      »Ihr könnt euch, wenn ihr wollt, alles von der VIP-Lounge aus anschauen«, schlägt Jaakko schuldbewusst vor und schaut zu Boden.

      Ich will gerade etwas Passendes erwidern, da hüpfen die Mädels bereits begeistert in die Höhe und mir wird klar, dass ich ihnen seinen Vorschlag nicht ausreden kann. VIP-Lounge auf dem Konzert ihrer Lieblingsband ist wie Vanilleeis zum Frühstück.

      Jaakkos Miene hellt sich auf, doch seine Begeisterung hält nicht lange an, als er zu mir schaut und meine Gewitterstimmung bemerkt. Er hat mich bewusst in die Enge getrieben. Und das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Max’ töchterliche Feinsensoren reagieren ebenfalls.

      »Bitte, Mom!«, jault sie und wirft sich mir an den Hals.

      Ich tätschele liebevoll ihren Arm und funkele Jaakko an. »Du bist so ein Arsch«, maule ich.

      Jaakko grinst verschwörerisch. Er weiß genau, welche Knöpfe er beim jugendlichen Publikum drücken muss.

      Seufzend gebe ich mich dem geballten Freudengeheul der