Danara DeVries

Sing to me - Wicked Love


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Moment aus. Ich wusste nicht, dass so etwas anatomisch überhaupt möglich ist. Aber als es mit erhöhtem Tempo weiterhämmert, weiß ich, dass ich Herzklopfen habe. Ich. Erwachsen, eigenständig, Mutter von zwei Kindern und … verheiratet …

      Aber der Mann dort unten am Mikro zupft ein paar Akkorde, sieht zu mir hinauf und singt ein paar mir nur zu bekannte Töne. Die Kinder können dieses Lied nicht kennen, damals haben sie noch nicht existiert, aber ich war live bei seiner Entstehung dabei. Es ist ein ruhiger Song, nur mit sanften Akkorden, gespielt von Jaakko auf der Akustik, gestreichelten Drums und zärtlichen Keyboardklängen. Dazu seine einmalige Stimme.

      Scheiße!

      Schnell trete ich ein paar Schritte zurück, drehe mich um und suche nach dem Ausgang. Das darf doch alles nicht wahr sein! Er tut das mit Absicht. Er weiß, wie sehr ich dieses Lied mag und wie gerne ich ihn singen höre …

      Moment mal! Singt er das Lied etwa nur für mich? Seine Blicke sprechen eindeutig dafür.

      »Max?«, wende ich mich an meine Tochter. Sie löst sich für eine Zehntelsekunde von der Scheibe und sieht mich flüchtig an. »Singt er? Ich meine, tut Jaakko das häufiger?« Meine Tochter ist nicht umsonst hier. Sie und Eve sind riesige Fans von Moonstuck, aber ich kann mich flüchtig erinnern, dass aus ihrem Zimmer bisher nur die weibliche Leadsängerin tönte. Ich finde ihren Gesang etwas nichtssagend. Jaakkos Stimme sagt mir mehr zu, aber schließlich bin ich nicht unparteiisch.

      Max schüttelt den Kopf. »Manchmal schon, aber das Lied ist neu. Mom, guck mal, wie gefühlvoll er es singt. Ich glaube ja …« Meine Tochter grinst verschwörerisch und ich fasse mir an den Kopf.

      Kind, hast du sie noch alle? Ich bin verheiratet … Hallo? Aber Max scheint das vollkommen vergessen zu haben. Eve genauso. Die Mädchen haben Jaakkos Blicke genauso bemerkt wie ich und wenn sie schwärmen wollen, dann tun sie es mit ganzer Seele. So sind Teenies eben. Aber ich bin kein Teenager mehr, und jede meiner Handlungen hat Konsequenzen.

      »Mädels, wir müssen gehen«, murmele ich entschuldigend und greife nach den Kindern, doch sie sind schnell. Ihre eingebauten Teenie-Sensoren wissen sofort, was ich vorhabe und sie entziehen sich meiner Reichweite.

      »Du hast es uns versprochen!«, schmollt Max und zeigt mir ihre Trotzschulter.

      Eve ist da umgänglicher und schenkt mir einen wissenden Blick. Sie braucht gar nichts zu sagen, ich erahne, was sie denkt. »Da kommst du nicht so einfach raus, Tante Cat.«

      Herrlich.

      Also gebe ich mich geschlagen und trete wieder an die Scheibe. Jaakko scheint völlig in seiner Musik versunken und zupft herzerweichende Akkorde. Ich bin verloren. Aus und vorbei.

      Als die Band endlich den letzten Song gespielt hat, will ich nur noch verschwinden. Ich kenne diese Art von Konzert. Die Band wird noch eine Weile auf der Bühne stehen, sich feiern lassen, Hände abklatschen und vielleicht ein Foto vor dem Publikum machen. Genug Zeit zum Verschwinden.

      Ich glaube mich schon in Sicherheit, da die Mädchen auf meinen halbherzigen Bestechungsversuch bezüglich Fastfood um Mitternacht eingehen. Sie sind total aufgekratzt, übernächtigt und voll mit Endorphinen, aber die Geheimwaffe in Form von Burger & Co zieht immer. Leider habe ich bei meiner Rechnung den Security-Boxer außenvorgelassen. Und er scheint keine Lust auf Fastfood zu haben.

      »Mister Salmela sagt, Sie bleiben, bis er sie abholt.« Der Boxer grinst mich angriffslustig an und schiebt mich mit sanfter Gewalt zurück in den Raum. »Sie sich nicht verlaufen!« So gebrochen sein Deutsch auch sein mag, die Worte sind nicht misszuverstehen.

      Dieser unverschämte Drecksack! Niemand hält mich hier gegen meinen Willen fest. Ich gehe, wohin ich will und wann ich will, da kann der Kerl zehnmal so viel wiegen wie ich.

      Nach meinem dritten Versuch, mich erfolglos an ihm vorbeizuschieben, setzt er eine angsteinflößende Miene auf und ich gebe auf.

      »Ich glaube, du musst warten und dich mit Jaakko Salmela unterhalten«, frotzelt Max und lässt sich in einen großen Sessel in der jetzt leeren VIP-Lounge fallen. »Und während wir warten, könntest du uns erzählen, woher du ihn kennst.«

      »Kommt überhaupt nicht in Frage«, will ich antworten, aber die beiden Teenies sind regelrechte Blutsauger, wenn sie eine gute Geschichte wittern; ihre Tragiksensoren sind auf höchste Sensibilisierung eingestellt. Und meine Vergangenheit mit Jaakko besitzt genug Drama-Potential. Aber das kann ich den beiden nicht auf die Nase binden, also beschränke ich mich auf die Kurzversion. »Vor deinem Vater, Maxi, war ich mit ihm befreundet.«

      »Pah!« Max schlägt sich begeistert auf die Schenkel. »Ich wusste es!«

      Ich schaue meine Tochter verblüfft an. Noch vor ein paar Monaten hätte sie angeekelt die Nase gerümpft und sich vor Scham in die Hose gemacht. Was ist nur aus meinem kleinen Mädchen geworden? »So richtig, richtig befreundet oder nur so … bekannt?«

      »Max!« Meine Entrüstung braucht keine weiteren Erklärungen. Quietschend stürzen die beiden aufeinander zu und führen einen wahren Freudentanz auf, inklusive Mädchengeheul, wenn sie ein Geheimnis aufgedeckt haben. Meine Gesichtsfarbe verändert sich von Schamröte zu glühendem Vulkangestein. Am liebsten würde ich die beiden in der Luft zerfetzen, damit sie endlich still sind.

      »Sind sie nicht entzückend?«, höre ich leise Worte hinter mir. Perplex fahre ich herum und stoße dabei mit Jaakko zusammen, der sich über mich gebeugt hat.

      Schmerzerfüllt hält er sich den Kopf, kann aber ein Grinsen nicht unterdrücken.

      Gott, aus der Nähe ist er noch attraktiver als aus der Entfernung. Er riecht nach einer herben Kombination aus frischem Schweiß und Zigarettenqualm, Bier und Deodorant, wodurch mein Herz einen aufgeregten Hüpfer macht. Normalerweise würde ich so eine Geruchszusammensetzung abstoßend finden, aber bei Jaakko … Ich glaube, er würde für mich sogar anziehend sein, wenn er gerade einer Jauchegrube entstiegen wäre.

      Tja. Wers tragen kann … Ich pruste laut los. Nicht nur, weil ich über meinen eigenen Gedankengang lachen muss, sondern weil sein Grinsen ansteckend ist.

      Die Mädchen im Hintergrund haben irgendwann in den letzten Augenblicken ihr Freudengeheul eingestellt und beobachten uns aufmerksam. Ich weiß, dass sie auf etwas lauern, ohne mich umdrehen zu müssen. Dazu kenne ich die beiden viel zu gut.

      Jaakko wird wieder ernst. »Schön, dass ihr gewartet habt.« Er zieht sich einen Sessel heran und setzt sich neben mich.

      »Der da hat uns keine Wahl gelassen.« Angefressen deute ich auf den Preisboxer, der mir zähnefletschend zuwinkt.

      Jaakko lacht und winkt zurück. »Sam ist eigentlich ein total netter Kerl. Seine Erscheinung beeindruckt die Leute allerdings so sehr, dass sie sich keine Dummheiten erlauben.« Dabei guckt er mich vielsagend an.

      Schmollend schiebe ich die Unterlippe vor, lasse sie aber im gleichen Moment wieder verschwinden. Zwanzigjährige schmollen, aber ich als erwachsene Frau will den Mädchen gegenüber ein Vorbild sein. »Also sag, was du zu sagen hast, damit ich die Kinder ins Bett bringen kann!«

      »Mom!«, empört sich Max und stapft trotzig mit dem Fuß auf. »Ich bin fast sechszehn!«

      Mein Kopf zuckt herum und ich werfe meiner Tochter einen warnenden Blick zu. Sie denkt, es sei wegen ihres Tonfalls, aber in Wahrheit fühle ich eine Woge Eiswasser über mir zusammenbrechen. Wenn Jaakko nur ein wenig nachrechnet, wird er die Wahrheit erkennen. Max und er … unsicher beobachte ich Jaakko, doch seine Züge wirken entspannt.

      Er lacht in Max’ Richtung und scheint gar nichts zu begreifen. Zum Glück. Ich muss dennoch hier raus. Jaakko ist nicht auf den Kopf gefallen und wird bald eins und eins zusammenzählen.

      »Ich würde mich gerne in Ruhe mit deiner Mutter unterhalten, Max. Vielleicht habt du und deine Freundin Lust, Sam auf unsere kleine Party zu begleiten?«

      Die Gesichtszüge der Mädchen verändern sich schlagartig von Begeisterung zu inbrünstigem Flehen. Gleich fallen sie sicherlich vor mir auf