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Der Roman spielt hauptsächlich in bekannten Regionen, doch bleiben die Geschehnisse reine Fiktion. Sämtliche Handlungen und Charaktere sind frei erfunden.
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eISBN 978-3-8271-8401-6
Angela L. Forster
Heidejagd
Schmerzliche Dinge, die uns in der
Vergangenheit widerfahren sind,
haben viel damit zu tun, wie wir heute sind.
William Glasser, Psychotherapeut
Prolog
Lea rannte und rannte, immer schneller und schneller. Die Angst vor dem Untier trieb sie voran. Wo waren die anderen? Wo war Konstantin, ihr Freund? Sie wollten sich doch am Waldbad treffen. Dieses blöde Paintballspiel.
Hinter ihr hörte sie das grässliche Knurren und Schnaufen der Bestie. Ein Werwolf, sie hatte ihn gesehen. Er war aus dem Gebüsch gesprungen und hatte sie angefallen. Ein Untier mit roten brennenden Augen und gefletschten Zähnen und … Lea konnte nicht mehr denken, nur laufen.
Sie sprang über Baumstümpfe, schlug sich durch das Gebüsch des Parks und weiter am Seeufer entlang. Brombeerbüsche und Dornenhecken zerkratzten ihr Gesicht, die Arme und Hände. Sie musste zum Parkplatz und dann weiter auf die Straße, nur dort war es möglich dem Monster zu entkommen. Doch so schnell sie auch lief, das blutgierige Tier hinter ihr kam immer näher. Dumpfe schwere Schritte, die auf dem Waldboden auftrafen, in ihren Ohren dröhnten, ihr Herz immer kräftiger schlagen ließen. Lea wollte schreien, doch ihr versagte die Stimme. Nur noch über die Brücke und dann … Sie lief und lief, dann stürzte sie kopfüber über ein Hindernis. Es war weich und warm. Ihre Hände berührten etwas Nasses und Klebriges. Als sie aufstand, sah sie, worauf sie gefallen war. Ihr Biologielehrer Hendrik Schubert lag mit zerfetztem Oberkörper in einer Blutlache auf der Holzbrücke des Lopausees.
Lea schrie. Ein Schrei, der durch den frühen Morgen hallte und jedes Geräusch am See überdeckte. Herbstliches Laub, das im Spiel des Windes raschelte, frühmorgendliche Gesänge der Gartenrotschwänze und Kohlmeisen. Kaninchen, Füchse, Mäuse, Igel, sogar der Biber, Tiere, die im Wald Nahrung suchten, umherhuschten, hielten inne. Nichts war zu hören. Nur Leas Atem, der stoßweise und abwechselnd mit dem Schrei aus ihrer Kehle schoss, als würde er aus seinen Fesseln befreit.
Kapitel 1
Inka Brandt blinzelte in die Dunkelheit. Sie drehte sich im Bett auf die rechte Seite und griff mit der Hand auf die andere Seite. Sie war leer. Drei Monate waren vergangen, seitdem Sebastian öfter bei ihr geschlafen hatte als in seinem Wilseder Untermieterzimmer. Seit dem letzten Fall des Heideimkers Ludwig Wittendorf waren sie ein Paar. Sehr zu Paulas Freude, Inkas fünfjähriger Tochter, die stolz verkündete, sie hätte jetzt zwei Papas. Vorgestern war Sebastian zu seinen Eltern nach Hamburg-Othmarschen gezogen. Zur Sicherheit für sie und Paula. Er wollte sie nicht in Gefahr bringen, den Kreuzer nicht weiter auf sie aufmerksam machen. Der Radiowecker zeigte mit roten Zahlen 1.44 Uhr an. Zu früh zum Aufstehen, befand sie, zog die Decke unter das Kinn und schloss wieder die Augen, dann vibrierte ihr Handy auf dem Nachttisch. Oh nein. Das bedeutet nichts Gutes. Verschlafen tastete sie nach dem Telefon. Sie drückte die Annahmetaste und wühlte sich aus der Decke.
„Brandt“, meldete sie sich gähnend. Bloß keine Leiche, ging ihr durch den Kopf. Am Wochenende wollte sie mit Paula in die Salztherme nach Lüneburg, ins verrückte Haus und in den Snow Dome nach Bispingen, dann kam Halloween. Für die Jagd auf Süßigkeiten wünschte sich Paula ein Feenkostüm. Außerdem hatte Inka ihr versprochen, einen Kürbis zu schnitzen und die gruselige, kichernde Hexe an die Tür zu hängen. Doch käme jetzt ein Mord … „Verdammt!“, fluchte sie leise. Wenn sie jetzt ihre Schwester Hanna aus dem Bett scheuchte, um auf Paula aufzupassen, war ihr die Standpauke ihres Schwagers sicher. Tim befand ihren Beruf als Kommissarin für überflüssig. Es wäre wirtschaftlicher, würde sie täglich, nicht nur sporadisch, auf dem Hof mitarbeiten. Mit Tims Predigt im Kopf horchte sie auf Frauke Bartels’ kräftige Stimme.
„Inka, bist du wach? Ich bin es, Frauke hier“, sagte die Beamtin aus der Zentrale. Frauke Bartels arbeitete seit drei Jahren in der Hanstedter Wache. Eine sechsundzwanzigjährige kunterbunt gekleidete Kollegin, die äußerlich eher in eine Kindergartengruppe als zur Polizei gepasst hätte.
„Unverkennbar“, nuschelte Inka in den Hörer. „Ich muss nicht fragen, was es gibt. Oder?“
„Ich dachte, unsere Inka würde gerne um zwei Uhr morgens einen Rundgang um den Lopausee in Amelinghausen machen.“
Inka hörte ein Kichern.
„Frauke, das ist nicht dein Ernst.“ Inka stöhnte und wischte sich mit der freien Hand ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Also, spuck’s aus. Was ist los?“ Sie rollte sich auf die Bettkante und schaltete die Salzkristalllampe ein.
„Ein Mädchen, anscheinend eine Schülerin, ist über ihren toten Biologielehrer auf der Seebrücke gestolpert, weil sie ein Werwolf verfolgt hat.“
„Ein toter Lehrer und ein Werwolf?“ Gedanklich ging Inka die Mondphase durch. Vollmond.
„Genau. Sie zählte noch ein paar Namen auf, die ich durch ihr Schluchzen kaum verstehen konnte, und sagte, dass sie am See ein Spiel gespielt hätten, als sie der Werwolf verfolgt hat. Rommel, Faller, Amselfeld und die Kollegen der Nachtschicht sind bereits unterwegs.“
„Okay. Wer ist das Opfer?“
„Sagte ich schon, ihr Biologielehrer. Ist Sebastian bei dir?“, fragte Frauke in einem Atemzug.
„Nein. Er ist in Hamburg bei seinen Eltern. Ich …“ Inka zögerte. Sebastian Schäfer, Polizeipsychologe aus Hamburg, war auf der Jagd nach dem Kreuzer, dem Mörder seiner Familie, drängender und verlangender als je zuvor.
„Ich dachte nur, dass du dir den Tatort ansehen möchtest“, holte Frauke sie aus ihren Gedanken.
„Der Tag fängt ja gut an“, stöhnte Inka. „Ruf Mark, die Spusi und Teresa an. Ich mach mich auf die Socken.“
Keine halbe Stunde nach dem Telefonat mit Frauke lenkte Inka ihren Golf auf den Parkplatz neben das Café-Restaurant Seestübchen am Lopausee in Amelinghausen. Der Streifenwagen von Faller und Rommel parkte mit zuckendem Blaulicht neben einem Berg achtlos hingeworfener Fahrräder. Schwarze Outdoorwesten, übersät mit gelben und signalroten Farbklecksen, wie Gewehre, die Inka als Paintballmarkierer erkannte, häuften sich neben den Rädern. Drei Streifenwagen kreisten die Jugendlichen ein und gaben ihnen keine Möglichkeit, zu verschwinden. Beaufsichtigt von Kollege Rommel standen sie dicht zusammengerückt neben zwei hölzernen Wagenrädern, die dem Parkplatz als Zierrat dienten.
„Sind die Eltern informiert, wo sich ihre Kinder rumtreiben?“, fragte Inka den Kollegen Faller, der sein Funkgespräch beendete.
„Ist gerade geschehen, Inka. Die haben sich gefreut, dass sie ihre Kinder abholen dürfen. Die Kids können sich auf ein Donnerwetter vom Feinsten gefasst machen.“ Er nickte mit dem Kinn zu den Schülern. „Diese Gören, was denen einfällt. Mitten in der Nacht ein Paintballspiel am See. Wofür gibt es denn Hallen für dieses verrückte Rumgeballere? Zwei wollten verduften, aber Meyer und Kruschke haben sie eingefangen. Die kriegen zu Hause ordentlich was auf die Mütze.“ Faller lachte, aber es wirkte nicht besonders amüsiert.
„Wo ist das Mädchen,