so gute Nachrichten, dass ich Sie am liebsten mitten in der Nacht noch angerufen hätte. Harald und Sonja Fabricius sind in Hamburg vor Gericht erschienen.«
Daniel richtete sich im Bett auf und zündete sich eine Zigarette an. Während der Anwalt weitersprach, inhalierte er tief und wurde etwas ruhiger.
»Sie wissen ja, dass ich scharf vorgegangen bin«, fuhr der Anwalt fort. »Mit Ihrer Genehmigung habe ich die Reederfamilie mehr oder weniger unter Druck gesetzt.«
Daniel musste über die Gerissenheit des Anwalts lächeln. »Wie?«, fragte er. Dabei plagten ihn keine Gewissensqualen. Denn das Recht befand sich auf seiner Seite. Nicht nur gesetzlich, auch moralisch gesehen.
»Ich habe ganz einfach mit einem Skandal gedroht«, fuhr der Anwalt fort. »Da hätten Sie einmal sehen sollen, wie sie Angst bekommen haben. Von da an lief alles wie geschmiert. Sie erschienen vor Gericht und gaben alles zu.«
»Was verstehen Sie unter alles?«, fragte Daniel atemlos.
»Nun, dass sie das Kind ihrer Tochter weggenommen und der Familie Nissen in Pflege gegeben haben.«
»Donnerwetter!« Daniel sank erleichtert in die Kissen zurück. »Damit hätten wir es ja fast geschafft.« Er freute sich schon jetzt darauf, diese Nachricht Anjuta überbringen zu können.
»Sie sagen ganz richtig fast«, schränkte der Anwalt ein.
»Wieso? Was fehlt denn noch?«
»Dass der Junge seiner Mutter zugesprochen wird. Aber das ist eigentlich nur noch eine Formsache. Da habe ich gar keine Bedenken mehr.«
»Sie ahnen gar nicht, was für eine Freude Sie mir mit Ihrer Nachricht gemacht haben«, sagte Daniel.
»Ich kann es mir denken. Deshalb wollte ich Sie auch unbedingt gestern noch sprechen.« Der Anwalt verabschiedete sich.
Die zweite gute Nachricht erfuhr Daniel zwei Stunden später in seinem Büro.
»Jetzt sind wir gerettet, nicht wahr, Herr Fernau?«, fragte seine Sekretärin lächelnd. Sie war mütterlich, verständnisvoll und sehr fleißig. Sie hatte Daniel in seiner schwersten Zeit nicht im Stich gelassen. Dafür wollte er sich jetzt erkenntlich zeigen.
»Ja, jetzt sind wir gerettet«, antwortete er. »Mit diesem neuen Auftrag kommt so viel Geld herein, dass ich mir über die Zukunft des Werkes keine Sorgen mehr zu machen brauche. Deshalb bekommen Sie jetzt auch die längst fällige Gehaltserhöhung.«
Das ist ein guter Tag, dachte Daniel, als er schließlich allein in seinem Büro saß. Er wählte kurz entschlossen die Nummer des Sanatoriums in Davos. Eigentlich hatte er Anjuta die erfreuliche Nachricht persönlich mitteilen wollen, aber dann hätte er damit noch bis zum Wochenende warten müssen.
»Anjuta? Bist du es?«
»Ja, Daniel.« Ihre Stimme klang hell und klar. »Gibt es etwas Neues?«
»Und ob.« Er sagte es ihr.
»O Daniel …« Dann herrschte sekundenlang Schweigen in der Leitung.
»Anjuta! Bist du noch da? Weinst du?«
»Nein. Ich bin nur so glücklich, dass ich nicht weitersprechen kann. Das ist die schönste Nachricht seit Langem. Und du meinst wirklich, dass Jens mir nun auch noch zugesprochen wird?«
»Der Anwalt ist davon überzeugt.«
»Wunderbar. Jetzt wird alles gut. Ich spüre es.«
Bei dieser Prophezeiung hätte Daniel am liebsten geheult. Wie konnte alles gut werden, wenn sie nicht gesund wurde? Seine Stimme klang rau, als er weitersprach. »Pass auf dich auf, Anjuta. Wir sehen uns am Wochenende. Aber ich rufe dich vorher noch einmal an.«
Zwei Tage vorher kam unverhofft Carsta nach Hause. Als Daniel spätabends aus dem Büro kam, sah er Licht in ihrem Schlafzimmer.
In einem verführerischen Negligé kam sie herunter in sein Arbeitszimmer. »Du bist ja ein Ausbund an Fleiß«, begrüßte sie ihn.
»Ich habe keine andere Wahl«, sagte er müde. »Bleibst du länger in München?«
»Auf jeden Fall die nächsten acht Tage.« Sie warf sich in einen Ledersessel und schlug ihre attraktiven Beine übereinander. »Die Dreharbeiten in Paris sind beendet. Das heißt, sämtliche Außenaufnahmen sind im Kasten. Die Innenaufnahmen werden im Atelier gedreht. In Rom oder München. Das steht noch nicht fest.«
Daniel betrachtete seine Frau nachdenklich. Wie fremd sie mir geworden ist, dachte er. Carsta erzählte weiter von den Filmarbeiten. Mit keinem Wort erkundigte sie sich nach ihrer Tochter, und Daniel erwähnte Ulrike absichtlich nicht. Er wollte wissen, wann Carsta endlich nach ihr fragen würde.
Doch Carsta berichtete weiter von Paris. Von ihren Erfolgen und von einem neuen Filmprojekt. »Es gibt nur eine weibliche Hauptrolle darin. Und weißt du, welche Gage dafür vorgesehen ist?«
Das interessierte Daniel nicht im Geringsten, doch Carsta sprach schon weiter: »Eine Million. Kannst du dir das vorstellen? Eine ganze Million für eine einzige Person. Für eine Frau.«
»Wie ich dich kenne, ist es dein Ziel, diese Rolle zu bekommen«, sagte er trocken.
»Ich werde sie bekommen.« Ein harter Zug trat in ihr Gesicht.
Das ist ihr wahres Gesicht, dachte Daniel. Es ist geprägt von Geldgier und von dem krankhaften Bedürfnis, im Mittelpunkt zu stehen.
Er konnte ihre Gegenwart plötzlich nicht mehr ertragen und sprang auf. »Ich gehe zu Bett.«
Carsta unterbrach sich und starrte ihm entgeistert nach. »Interessieren dich meine beruflichen Pläne nicht?«
»Nein, kein bisschen. Du interessierst dich ja auch nicht für meine Sorgen. Trotzdem könntest du dich wenigstens nach dem Befinden deiner Tochter erkundigen.«
»Wie geht es ihr?«, fragte Carsta gelangweilt.
»Gut«, sagte Daniel knapp und schlug die Tür hinter sich zu.
In seinem Schlafzimmer ging er noch lange auf und ab. Schließlich blieb er vor dem geöffneten Fenster stehen und schaute hinaus in die windige Herbstnacht. Es war nicht kalt, nur ein wenig kühl. Anjuta, dachte er. Liebe Anjuta. Ich bin überzeugt, dass all deine Gedanken bei mir und bei den Kindern sind. Ich denke auch an dich und werde mit der Erinnerung an deinen Kuss einschlafen.
Am nächsten Morgen erfuhr er, warum Carsta nach München gekommen war. Sie wollte bei einer Premiere glänzen. Ihr letzter Film sollte in München uraufgeführt werden. Das bedeutete ein Riesenaufgebot an Prominenz und Reportern. Carsta sprach während des ganzen Frühstückes nur von dieser Premiere.
»Und wann soll dieses große Ereignis stattfinden?« fragte Daniel sarkastisch.
»Am Freitagabend. Wirst du mich begleiten?«
Dazu verspürte er nicht die geringste Lust.
»Du musst nicht«, sagte Carsta schnell. »Ich kann mich auch von John begleiten lassen. Er ist ohnehin eingeladen.«
»Wer ist John?«, fragte Daniel ohne Interesse.
»Der Partner in meinem neuen Film. In Hollywood kennt ihn jedes Kind. Wenn ich in seiner Begleitung auftauche …«
»Tu das«, unterbrach Daniel sie trocken.
*
Es war am frühen Freitagnachmittag, als Daniel den Anruf aus Sophienlust bekam. Denise selbst war am Apparat. »Ulrike ist von der Schaukel gefallen. Dabei hat sie sich schwer verletzt.«
Daniel erschrak. »Ist sie … Wie schwer ist sie verletzt?«
»Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Wir haben sofort unsere Ärztin angerufen. Aber auch Frau Dr. Frey war sich über den Grad der Verletzung nicht ganz im Klaren und hat das Kind ins Krankenhaus bringen lassen. Von dort erfahren wir spätestens heute Abend mehr. Ich hielt es für richtig, Sie sofort zu informieren, Herr Fernau.«
»Sie