Elisabeth Swoboda

Sophienlust Staffel 15 – Familienroman


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Frau.« Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und wandte sich dann sofort wieder ihren Koffern zu, die noch gepackt werden mussten. »Ich muss noch packen. Bitte, lass mich jetzt allein.«

      »Natürlich.« Er ging aus dem Zimmer.

      Obwohl es schon spät war, fuhr er noch einmal zu seinem Büro. Die Werkshallen lagen im Dunkeln. Nur der Nachtwächter begrüßte ihn. »Sie wollen doch nicht etwa noch arbeiten, Herr Direktor?«

      »Ich muss«, sagte Daniel. »Außerdem arbeite ich ganz gern nachts, weil ich dann mehr Ruhe habe.« Er nickte dem alten Mann zu und eilte weiter.

      *

      Auf dem Flughafen von Rom drängten sich die Reporter und Fotografen. Sie warteten auf die Maschine aus München, mit der Carsta Fernau eintreffen sollte. Nur wenig später sollte aus Los Angeles noch ein Hollywoodschauspieler kommen. Er war der männliche Hauptdarsteller der Gemeinschaftsproduktion.

      Carsta war an den Rummel mit Fotografen und Reportern gewöhnt. Sie genoss es sogar, im Mittelpunkt zu stehen.

      Langsam stieg sie die Gangway herab. Sie lächelte in die Blitzlichter der Fotografen und beantwortete ein paar Fragen.

      Ein bereitstehender Wagen brachte sie in ihr Hotel, holte sie jedoch nach einer halben Stunde schon wieder ab, um sie zu den Filmstudios zu bringen.

      Hier wurde Carsta zunächst der junge Amerikaner vorgestellt. Er war blond, hühnenhaft groß und lächelte mit typisch amerikanischem Charme. Carsta fand ihn hinreißend und sagte ihm das auch.

      Das verbreiterte sein Lächeln um einige Nuancen. »Ich glaube, wir werden uns gut verstehen«, sagte er.

      »Wenn wir zusammenarbeiten«, schränkte Carsta ein. »Ich habe die Rolle noch nicht.« Ihr Englisch war fast perfekt.

      »Sie bekommen sie ganz bestimmt. Ich werde dem Produzenten sagen, dass ich in dem Film nur dann mitspiele, wenn Sie die weibliche Hauptrolle bekommen.«

      Das tat er wirklich. Und da er in Amerika ein sehr zugkräftiger Star war, fügte man sich seinen Wünschen. Carsta bekam die Hauptrolle.

      Das musste natürlich gefeiert werden. John lud sie ein, mit ihm das römische Nachtleben kennenzulernen.

      Die beiden aßen in einem Luxusrestaurant gemeinsam zu Abend und bummelten dann von Bar zu Bar. Zwischendurch versuchte Carsta, ihren Mann in München anzurufen. Doch er war nicht zu Hause. Sie versuchte es in seinem Büro und erreichte ihn dort.

      »Ich habe die Rolle bekommen, Daniel.«

      »Na, großartig. Ich gratuliere. Wann kommst du zurück nach München?«

      »Weiß ich noch nicht. Morgen oder übermorgen. Aber nur auf einen Sprung. Denn die Dreharbeiten sollen schon in der nächsten Woche beginnen.« Sie hielt die Hand über den Hörer, weil aus der Bar laute Musik erklang.

      »Wo bist du eigentlich?«, fragte Daniel misstrauisch. »Im Hotel?«

      »Ja. In der Bar«, log Carsta. »Mit ein paar Kollegen.« Auch das war eine Lüge, denn sie war mit John allein. »Wir unterhalten uns über das Drehbuch.« Das entsprach der Wahrheit. »Ich muss aufhören, Liebling. Bis morgen oder übermorgen. Wiedersehen.« Sie legte auf.

      In seinem Büro in München starrte Daniel noch ein paar Sekunden auf den Hörer. Dann legte er ihn zurück auf die Gabel. Drehbuchbesprechung in einer Bar, dachte er. Um zwölf Uhr nachts.

      Er hatte Carstas Bild in der Zeitung gesehen und auch eine Aufnahme des Amerikaners. Normalerweise litt er nicht unter Eifersucht. Aber welcher Ehemann blieb schon gleichgültig, wenn er seine Frau mit einem solchen Supermann allein in Rom wusste? Noch dazu in einer Bar?

      Carsta kehrte erst am übernächsten Tag nach München zurück. Sie war in bester Stimmung, als sie Daniel das Drehbuch zeigte und ihm von dem neuen Film erzählte. »Und die Gage ist sogar noch höher, als ich erwartet hatte. Kannst du dir das vorstellen?«

      »Nein«, antwortete er. »Wie so viel Geld aussieht, kann ich mir wirklich nicht mehr vorstellen. Das macht dich ja zu einer reichen Frau.«

      Sie nickte und schnippte ein Haar von ihrem Rock.

      »Carsta …« Daniel räusperte sich. »Nachdem deine Gage doch viel größer ist, als du erwartet hast …« Er räusperte sich noch einmal. »Ich meine, du könntest doch einen Teil davon in meine neue Produktion stecken. Damit wäre ich gerettet. Und du wärst meine Teilhaberin im Werk.«

      »Besten Dank.« Sie war aufgesprungen. »Ich bin an einer Teilhaberschaft nicht interessiert. Dazu ist mir das Risiko zu groß.«

      »Dann gib mir einen Kredit«, bat Daniel. »Leih mir das Geld. Ich zahle es dir mit Zinsen zurück.«

      Carsta lachte trocken auf. »Du und zurückzahlen! Dass ich nicht lache. Jeder Cent, den ich in deine Firma stecke, ist für mich verloren. Genauso gut könnte ich das Geld zum Fenster hinauswerfen.«

      Daniel starrte sie ungläubig an. »Heißt das, dass du mir nicht helfen willst?«

      »Du hast mich richtig verstanden. Ich will nicht. Ich habe keine Lust, mein schwerverdientes Geld in dein Pleiteunternehmen zu stecken. Das kannst du wirklich nicht von mir verlangen.«

      »Natürlich nicht«, murmelte er. Er stand auf und ging aus dem Zimmer. Plötzlich sah er sehr alt aus.

      In seinem Arbeitszimmer goss Daniel sich einen doppelten Kognak ein und kippte ihn auf einen Zug hinunter.

      Doch auch der Alkohol ließ ihn seine Erschütterung nicht überwinden. Wie bringt sie es nur fertig, so kaltschnäuzig zu sein?, fragte er sich. So völlig interessenlos? Es ist ihr absolut gleichgültig, ob mein Werk zugrunde geht oder nicht. Es ist ihr egal, was mit ihrem Kind geschieht. Und ich bin ihr genauso gleichgültig.

      Das erkannte Daniel Fernau an diesem Abend zum ersten Mal mit absoluter Klarheit. Er musste sich eingestehen, dass er bis dahin einem Trugbild nachgelaufen war. Dem Traumbild einer warmherzigen, liebenden Ehefrau.

      Aber das war Carsta nicht. Sie war egoistisch, kalt, karrierebesessen und gar nicht fähig, jemanden zu lieben außer sich selbst natürlich.

      Die Außenaufnahmen des neuen Filmes wurden in Paris gedreht. Deshalb musste Carsta schon nach wenigen Tagen wieder abreisen. Nach Paris.

      In den drei Tagen, die Carsta in der Villa in München-Grünwald verbracht hatte, war Daniel ihr aus dem Weg gegangen. Er war bitter enttäuscht, und er bemühte sich nicht, seine Enttäuschung zu verbergen. Wozu auch?

      Carsta merkte das gar nicht. Sie war mit ihren Gedanken schon bei den Dreharbeiten in Paris. Und bei John. Er war nicht nur ein Bild von einem Mann, wie sie sich auszudrücken pflegte, sondern auch sehr brauchbar, weil er so berühmt und daher ungeheuer einflussreich war. Ihm hatte sie schließlich die Hauptrolle in dem neuen Film zu verdanken. Und sie beschloss, sich dafür erkenntlich zu zeigen.

      Daniel brachte seine Frau nicht zum Flughafen. Er verbrachte jetzt jede Stunde des Tages in seiner Fabrik, um zu retten, was noch zu retten war. Er arbeitete Tag und Nacht und erreichte so eine Besserung seiner Situation. Mit etwas Glück kann ich den drohenden Konkurs abwenden, dachte er. Ich brauche nur ein wenig Glück. Es sah auch so aus, als würde er dieses Glück haben. Ein paar größere Aufträge bahnten sich an.

      Aus Paris kam eine Karte von Carsta mit ein paar nichtssagenden Worten. Gleichzeitig mit dieser Karte bekam Daniel einen Brief. Anjuta Fabricius lautete der handgeschriebene Absender.

      Daniel betrachtete das Schreiben ratlos. Ich kenne keine Anjuta Fabricius, dachte er. Aber es war sein Name, der auf dem Kuvert stand. Also öffnete er den Brief. Und damit kehrte auch schlagartig die Erinnerung zurück. Die Erinnerung an jenen Urlaub an der Nordsee vor sieben Jahren. Damals hatte er ein junges Mädchen kennengelernt, das gerade zwanzig Jahre alt geworden war. Sie hatte Anjuta Fabricius geheißen. Und offensichtlich hieß sie immer noch so. Denn der Brief stammte von ihr.

      Daniel überschlug die wenigen Zeilen und war ratlos. Das gibt es doch gar nicht, dachte er erschrocken. Sie