Rudolf Bieker

Soziale Arbeit studieren


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haben die Möglichkeit, an elektronischen Wissenschecks teilzunehmen.

      E-Learning-Angebote werden in Form des Blended Learning (wörtlich: gemischtes Lernen) als Ergänzung, nicht als Ersatz für das Lernen in Präsenzlehrveranstaltungen gesehen. In der akademischen Ausbildung von Sozialarbeiter*innen werden E-Learning-Angebote im engeren Sinne seit der Coronakrise in größerem Umfang genutzt. Dass man auf Lernplattformen Skripte, Übungsaufgaben und veranstaltungsbezogene Informationen herunterladen kann, war auch schon zuvor gang und gäbe. Auch die Lernergebnisse (Prüfungsnoten) lassen sich schon lange an den meisten Hochschulen problemlos online abrufen.

      In einer berufsbefähigenden Ausbildung kommt der Verknüpfung von Theorie und Praxis ein besonderes Gewicht zu. Im Studium der Sozialen Arbeit wird das Ziel des praxisorientierten Lernens auf verschiedenen Wegen angesteuert. Am Beispiel des Studiums der Sozialen Arbeit an der Hochschule Niederrhein sei dies verdeutlicht:

      Praxisphase

      Kernstück der praxisnahen Ausbildung ist eine längere, in der Mitte des Studiums liegende Praxisphase, die sich über 20 Wochen erstreckt (dazu Heister u. a. 2007). In der Praxiszeit sollen die Studierenden »sozialarbeiterische Aufgabenstellungen in der Praxis kennen lernen, in gewissem Umfang unter Anleitung selbstständig bearbeiten und sich dabei mit den Gegebenheiten der Berufswirklichkeit vertraut machen. Die in dem beruflichen Arbeitsfeld gemachten Erfahrungen und erworbenen Handlungskompetenzen werden in kontinuierlich begleitenden Hochschul-Seminaren reflektiert, systematisiert und ausgewertet« (Hochschule Niederrhein 2017).

      Projektstudium

      Wesentliches Merkmal des Projektes ist die exemplarische Verknüpfung von Theorie und Praxis zu ausgewählten Zielgruppen und Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit. Die Durchführung erfolgt in Kooperation zwischen → Lehrenden des Studienganges und Praxisvertreter*innen. Im Projekt erhalten Studierende eine arbeitsfeldbezogene theoretische Einführung in die spezifischen Problemstellungen, Rahmenbedingungen und Interventionsstrategien. Begleitend wird in unmittelbarer Kooperation mit der Praxisfachkraft die Durchführung praktischer Aufgaben geplant, erprobt und reflektiert. Um auch anspruchsvollere Problemstellungen bearbeiten zu können, erstreckt sich das Projekt über zwei → Semester.

      Eigenständige Praxistätigkeit

      Über das Pflichtprogramm hinaus bietet eigenständige Praxistätigkeit die gute Gelegenheit, sukzessive aufgebautes theoretisches Wissen auf Problemstellungen der Praxis zu beziehen, erlernte methodische Fähigkeiten zu erproben und das Theorieangebot der Hochschule aus dem Blickwinkel praktischer Handlungserfordernisse zu reflektieren. Hierbei ist oft nicht entscheidend, in welchem Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit der Einsatz erfolgt, denn viele der zu gewinnenden Erfahrungen und die durch praktisches Tun ausgeformte Handlungsfähigkeit sind ebenfalls in anderen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit relevant (»Schlüsselkompetenzen«). Eigenständige Praxiseinsätze sollten in enger Zusammenarbeit mit einer erfahrenden Fachkraft erfolgen und kontinuierlich reflektiert werden (image Kap. A-4).

      Einbindung von Sozialfachkräften in die akademische Lehre

      Ein weiteres Qualitätsmerkmal einer praxisorientierten Ausbildung ist die Einbindung von berufserfahrenen Fachkräften in die Lehre. Einsatzmöglichkeiten ergeben sich vor allem bei der Einführung von Studierenden in Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit sowie in der ergänzenden Schulung methodischer Kompetenzen. Die Einbindung in die Lehre erfordert allerdings, die → Lehrbeauftragten in methodisch-didaktischer Hinsicht auf ihre Aufgabe gezielt vorzubereiten und sie in ihrer Lehrtätigkeit zu begleiten. Häufig sind die Fachkräfte aus der Praxis nur rudimentär in die Fachbereiche eingebunden. Dies erschwert ein gemeinsames Verständnis von Aufgaben und Anforderungen.

      3.6.1 Potenziale

      Der Löwenanteil des Studiums entfällt auf das individuelle Lernen, auch wenn sich dieses oft – wie in einer klassischen Lehrveranstaltung – in Anwesenheit Dritter abspielt. Als Ergänzung des individuellen Lernens spielt das Lernen in einer Gruppe eine wichtige Rolle. Eine funktionierende Lerngruppe bietet eine Vielzahl von Vorteilen.

      Vorteile

      • Sie gelangen zu einem tieferen Verständnis der Materie. Der Austausch über die Frage, wer was wie verstanden hat, führt zu einer Überprüfung des individuellen Verständnisses. Diesen Klärungsprozess kann man allein nicht bewirken.

      • Die Tatsache, dass mehrere kluge Köpfe an der Klärung eines Problems arbeiten, beschleunigt nicht nur das Finden einer Lösung, es kommt auch zu differenzierteren Lösungen; unbrauchbare Lösungen werden schneller ausgeschieden.

      • Die Unvollständigkeit der Informationsaufnahme (durch Unaufmerksamkeit, selektives Hören, Erschöpfung) wird durch die Gruppe, die eine Lehrveranstaltung nachbereitet, zumindest teilweise ausgeglichen. Acht Ohren haben mehr aufgenommen als zwei Ohren.

      • Gruppenmitglieder stimulieren sich wechselseitig durch Ihre Beiträge. Die Produktivität jedes Einzelnen steigt.

      • In der Gruppe zu lernen, kann sehr motivierend sein. Individuelle Motivationskrisen (z. B. bei der Vorbereitung auf schwierige Prüfungen, bei der Erstellung der Bachelor- oder Masterarbeit) schlagen bei Einbindung des Einzelnen in eine Gruppe deutlich weniger durch; ggf. kann das »Durchhängen« des Einzelmitglieds durch die Gruppe aufgefangen werden (wechselseitige Stabilisierung in der Gruppe). Auch mit Prüfungsangst wird eine Gruppe besser fertig als der oder die Einzelne allein (»Gemeinsam sind wir stark.«).

      • Die Gruppe ist eine Vorkehrung gegen Vereinzelung. Dies fördert nicht nur das persönliche Wohlbefinden im Studium, sondern zugleich die Leistungsbereitschaft.

      • Die Gruppenmitglieder schulen ihre kommunikative und soziale Kompetenz, d. h. ihre Fähigkeit, sich auf andere Menschen einzustellen, trotz wahrgenommener Divergenz zusammen zu arbeiten, mit Meinungsverschiedenheiten sachlich umgehen, anderen zuzuhören, sich bei aller Aktivitätsbereitschaft auch zurückzunehmen, überzeugende Argumente zu finden und diese gegen unberechtigte Einwände zu verteidigen etc. Diese kommunikativen und sozialen Fähigkeiten sind für einen Kommunikationsberuf wie die Soziale Arbeit essenziell.

      • Arbeitsgruppen im Studium sind oftmals der Grundstein für persönliche Beziehungen, die weit über das Studium hinaus andauern.

      Wann sich eine Gruppe als Ergänzung des individuellen Lernens anbietet, lässt sich anhand typischer Lernsituationen im Studium beantworten:

      • Studium von Fachliteratur: Während Sie das eigentliche Lesen am besten allein verrichten, kann die Gruppe sehr hilfreich sein beim gedanklichen Durcharbeiten eines anspruchsvolleren Textes, z. B. eines Fachaufsatzes.

      • Nachbereitung von → Vorlesungen: In der Gruppe können Sie Verständnisfragen klären, Ihre Mitschriften abgleichen und ergänzen, Absprachen treffen, wer sich um die Klärung einer aller offenen Frage bemüht etc. Sie können gemeinsame Fragen aus dem Stoff herausarbeiten, die Sie bei der Prüfungsvorbereitung als Testfragen einsetzen können, Sie können die Mitschriften der anderen bekommen, wenn Sie einmal verhindert waren.

      • Prüfungsvorbereitung: Prüfungsvorbereitung findet zwar im gesamten → Semester statt, in der »heißen Phase« – etwa drei Wochen vor Beginn der Prüfungen – aber besonders intensiv. Die Hauptlast der Vorbereitung wird jede*r Einzelne individuell tragen, ergänzend bietet die Gruppe aber einige Vorteile: arbeitsteilige Erstellung von Lernkarten (Vorderseite: Frage; Rückseite: Antwort); gegenseitiges Abfragen; arbeitsteilige Klärung offener Fragen; Reduzierung von Prüfungsangst.

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