Adam Hamilton

24 Stunden


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sondern jedes Mal, wenn wir uns hinsetzen und gemeinsam essen. Ich erinnere mich an eine alte, mittlerweile fast vergessene Tradition, beim Essen einen zusätzlichen Teller zu decken als Einladung an den Herrn, »mit uns am Tisch zu sitzen«. Wie denken Sie bei Ihren Mahlzeiten an ihn? Wie wäre es, bei jedem Abendessen einen Abschnitt aus einem Evangelium vorzulesen und dann beim Essen darüber zu sprechen?

       HERR, HILF MIR, JEDES MAL an dich zu denken, wenn ich das Brot breche. Sei an meinem Tisch dabei, Herr. Hilf mir, nie zu vergessen, dass du das Brot des Lebens bist, das allein die tiefste Sehnsucht meiner Seele stillt. Amen.

      3. Wer ist der Größte?

       Die Jünger stritten sich darüber, wer unter ihnen der Wichtigste sei.

       Da sagte ihnen Jesus: »In dieser Welt unterdrücken die Herrscher ihre Völker, und rücksichtslose Machthaber lassen sich als Wohltäter feiern. Aber so darf es bei euch nicht sein. Der Erste unter euch soll sich allen anderen unterordnen, und wer euch führen will, muss allen dienen.«

      (Lukas 22,24–26)

       Jesus aber wusste, dass der Vater ihm alles in die Hand gegeben hatte, dass er von Gott gekommen war und zu ihm zurückkehren würde. Da stand er vom Tisch auf, legte sein Obergewand ab und band sich ein Tuch aus Leinen um. Er goss Wasser in eine Schüssel und begann, seinen Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Tuch abzutrocknen.

      (Johannes 13,3–5)

      EINEM CHRISTEN WIE MIR, DER manchmal seine liebe Mühe damit hat, sein Christsein im Alltag zu leben, macht es Hoffnung, in den Evangelien zu lesen, dass es den Jüngern manchmal genau so geht. Wenn ich das Gefühl habe, hoffnungslos versagt zu haben, dann lese ich einen Bibelabschnitt, wie beispielsweise Lukas’ Bericht über das Letzte Abendmahl, in dem berichtet wird, wie sich die Jünger beim Passahmahl heimlich darüber streiten, »wer von ihnen der Wichtigste sei«, während Jesus sich auf seine Kreuzigung vorbereitet (Lukas 22,24). Und diesen Streit führen sie, nachdem sie drei Jahre lang praktisch mit Jesus zusammengelebt haben!

      Etwa in der sechsten Klasse kam ich zum ersten Mal bewusst mit dem Gedanken und dem Phänomen der Beliebtheit in Berührung. In meiner Schule gab es bestimmte Jugendliche, die als »cool« galten. Ob jemand »cool« war, hing von einer Kombination aus Aussehen, dem Reichtum der Eltern, dem Selbstbewusstsein und den sportlichen Fähigkeiten ab. Als ich dann mit etwa dreizehn auf die High School kam, waren die Merkmale für »cool sein« noch erweitert worden. Dort galten außerdem auch noch die Schüler als »cool«, die allgemein von allen Schülern für ihre besonderen Talente anerkannt waren. Gleichzeitig gab es aber auch noch eine zweite Einstufung für »cool sein«, die intern in bestimmten Gruppen festgelegt wurde. Innerhalb des Orchesters waren es die Stimmführer, im Sport die »Starter« und bei den rebellischen Kids waren es diejenigen, die sich am rebellischsten aufführten.

      Und auch im Erwachsenenalter hört ja das Gerangel darüber, wer der/die Größte ist, nicht auf. Wie definiert denn die Gesellschaft heute im Allgemeinen Größe?

      Jesus, der ja weiß, dass sich die Jünger darüber streiten, wer von ihnen der Größte ist, tut etwas sehr Überraschendes. Er steht vom Tisch auf, geht zur Tür und nimmt sich den Wasserkrug, ein Handtuch und eine Waschschüssel, die dort noch stehen, weil es üblich ist, sich die Füße zu waschen, wenn man von draußen ein Haus betritt. Offenbar hat sich aber von den Jüngern niemand an diese Sitte gehalten, und ganz sicher ist auch keiner von ihnen auf die Idee gekommen, den anderen Jüngern und auch Jesus anzubieten, ihnen die Füße zu waschen. Das ist nämlich ähnlich wie die Vorbereitungen für das Mahl, mit denen Jesus ja bereits Petrus und Johannes beauftragt hatte, eigentlich Aufgabe der Diener; und sie sind ja schließlich keine Diener – nein, sie sind Jünger. Sie empfinden großes Unbehagen, als Jesus sich jetzt vor einem nach dem anderen hinkniet und ihnen die Füße wäscht. Damit sie auch ganz sicher verstehen, was diese Geste zu bedeuten hat, sagt Jesus sinngemäß: »So sieht wahre Größe aus.«

      Indem er seinen Jüngern die Füße wäscht, nimmt der Sohn Gottes die niedrigste Rolle eines Dieners ein. Und er ruft alle, die ihm nachfolgen wollen, zu genau dieser Art von Größe auf. Lange bevor in der Welt des Business der Begriff »Servant Leadership« (dienendes Leiten) entdeckt wird, ruft Jesus alle, die ihm nachfolgen wollen, zu einem solchen Lebensstil auf. Würden Menschen, die Sie kennen, Sie als demütigen Menschen beschreiben, der sich bemüht, anderen zu dienen?

       HERR, DU WEISST, DASS ICH mir genau wie die Jünger damals wünsche, von anderen für groß gehalten zu werden. Schenke mir eine innere Haltung der Bereitschaft zum Dienen, damit ich entdecke, dass wahre Größe in Demut und im Dienen liegt. Amen.

      4. Einer von euch wird mich verraten

       Beim Essen erklärte er ihnen: »Ich sage euch: Einer von euch, der jetzt mit mir isst, wird mich verraten!«

      (Markus 14,18)

      ALLE VIER EVANGELIEN BERICHTEN VON den Worten Jesu beim letzten Abendmahl, mit denen er vorhersagt, dass einer der Jünger ihn verraten wird. (Mit den Gründen für diesen Verrat werden wir uns in einem späteren Kapitel noch beschäftigen.) Und es berichten auch alle Evangelisten übereinstimmend von der Vorhersage Jesu, dass Petrus leugnen wird, ihn zu kennen. Auf dem Weg zum Garten Gethsemane sagt Jesus dann auch noch voraus, dass die übrigen Jünger ihn im Stich lassen werden.

      Sind Sie schon einmal verraten, im Stich gelassen oder von Freunden enttäuscht worden? Vor vielen Jahren kam eine meiner Töchter in Tränen aufgelöst von der Schule nach Hause, weil eine Freundin »ihr einen Dolch in den Rücken gestoßen« hatte. Meine Tochter verkündete, dass sie mit dem Mädchen nie wieder etwas zu tun haben wolle. Ich konnte ihr Gefühl gut nachempfinden. Es ist wohl fast jeder schon einmal von einem Freund oder einer Freundin verraten worden. Manchmal ist diese/r Verräter/in auch kein Freund, sondern ein Familienmitglied oder eine andere Person, der wir vertraut haben.

      Es gibt Arten von Verrat, die so schwerwiegend sind und dermaßen großen psychischen Schaden anrichten, dass es angemessen und notwendig ist, den Kontakt zu der betreffenden Person abzubrechen, damit man seelisch wieder heil werden kann. Aber am allermeisten ist dann Barmherzigkeit nötig.

      Vor ein paar Jahren war ich enttäuscht von einem Freund, der etwas weitererzählt hatte, was ich ihm im Vertrauen mitgeteilt hatte. Meine erste Reaktion auf diesen Vertrauensbruch war der Entschluss, ihm nicht mehr zu trauen und auf Abstand zu gehen. Aber – ich glaube ausgelöst durch den Heiligen Geist – fielen mir dann Gelegenheiten ein, bei denen auch ich selbst das Vertrauen anderer verletzt und Freunde enttäuscht hatte. Es war schwer, böse auf meinen Freund zu sein in dem Wissen, dass ich mich selbst auch schon so verhalten hatte. Also ging ich auf ihn zu, teilte ihm meinen Kummer und auch meine Enttäuschung mit, und er entschuldigte sich. Unsere Freundschaft wurde wieder heil, und wir sind Freunde geblieben.

      Jesus weiß damals, dass ihn seine Jünger verraten werden, und dennoch bringt er ihnen beim letzten Mahl außergewöhnliche Barmherzigkeit entgegen. Obwohl Jesus weiß, dass Judas sich schon bereit erklärt hat, ihn den Priestern auszuliefern, schließt er ihn nicht von dem Mahl aus. Manche Theologen glauben, dass Jesus ihm am Tisch sogar den Ehrenplatz an seiner linken Seite zugewiesen hat. Und obwohl Jesus weiß, dass Petrus leugnen wird, ihn zu kennen, wäscht er ihm die Füße. Obwohl er weiß, dass sie ihn alle im Stich lassen werden, nennt er sie seine Freunde, betet für sie und sagt zu ihnen: »Dies ist mein Blut, mit dem der neue Bund zwischen Gott und den Menschen besiegelt wird. Es wird für euch zur Vergebung der Sünden vergossen.«

      Sind Sie schon jemals in der Rolle von Judas oder Petrus oder einem der anderen zehn Jünger gewesen, indem sie Jesus verraten, verleugnet oder ihn verlassen haben durch etwas, das Sie getan oder unterlassen haben?

      Wenn sie jetzt in den letzten Stunden seines Lebens den Weg mit Jesus gehen, gibt es jemanden, der Sie verraten, verlassen oder enttäuscht hat, dass er Sie um Vergebung bitten müsste?

       HERR, VERGIB MIR DIE SITUATIONEN, in denen ich die Rolle von Judas oder