über den schlüpfrigen Boden. Dabei hörten sie näher und näher das Rauschen eines Flusses. Nach etwa einer Stunde war das Geräusch unmittelbar bei ihnen.
Dann sah Bomba plötzlich etwas vor sich, was ihn mit freudiger Hoffnung erfüllte: einen seltsam geformten, hochragenden Felsen, der oben nadelspitz zulief. Von diesem Zeichen hatte Sobrinini auch gesprochen.
„Dort, Gibo!“, rief er froh. „Wenn Sobrininis Worte richtig waren, dann muss dort der Eingang zum Bett des Unterirdischen Flusses sein. Endlich sind wir am Ziel. Folge mir, wir werden —“
Er stürmte vorwärts und in die höhlenartige Öffnung hinein, die sich unter dem Felsturm auftat. So begierig war er, endlich das Ziel seiner Reise zu erreichen, dass er seine übliche Vorsicht ganz außer Acht ließ. Die Dunkelheit umfing ihn sofort. Und mit einem Male hatte er keinen Boden mehr unter den Füßen, und er fiel — wild um sich greifend — in die Tiefe.
Gibo war seinem Gefährten blindlings gefolgt, und als er ebenfalls in die Tiefe stürzte, tönte sein Schrei schauerlich durch die Dunkelheit. Sie glitten, fielen und rutschten zusammen tiefer und tiefer. Steine und Erdreich lösten sich bei ihrem Fall und polterten mit ihnen hinab.
„Wir fallen bis zur Mitte der Erde!“, dachte Bomba noch.
Dann verlor er das Bewusstsein, und erst sehr viel später klärte sich der Nebel wieder, der sein Gehirn umgab. Stöhnend versuchte er sich aufzurichten, aber ein unerträglicher Schmerz ließ ihn zurücksinken.
Was war geschehen? Wo war er?
Die Erinnerung kehrte zurück, und er sah sich wieder in freudiger Eile auf die Höhlenöffnung zustürmen. Er musste irgendeinen steilen Felshang hinuntergestürzt sein. Die Luft um ihn her war feucht und muffig. Außerdem war es so kalt, dass seine Glieder zu erstarren drohten. Er tastete um sich und fühlte, dass der Felsboden mit einem feuchten Moos bedeckt war. Seine Arme und Beine schmerzten ihn, als hätte sie jemand mit Keulen bearbeitet.
Plötzlich fiel ihm der Schrei ein, der ihn bei seinem Sturz begleitet hatte.
Gibo! Was war aus ihm geworden?
Er rief und schrie den Namen in die Dunkelheit hinein. Aber es kam keine Antwort — nicht einmal ein Echo narrte ihn. Im Gegenteil: seine Stimme klang merkwürdig erstickt und leise, als würde sie von der samtenen Schwärze aufgesogen. Ein einziges Geräusch durchdrang die Stille: das melodische Plätschern von Wasser. Als Bomba diesen Laut vernahm, spürte er mit einem Male auch, dass seine Kehle wie ausgedörrt war.
Er holte seinen Feuerstein aus der Tasche und schlug einen Funken. Bei dem Aufflammen des Funkens sah Bomba in seiner Nähe ein Stück Holz. Darauf hatte er gehofft. Er tastete nach dem Aststück, löste mit den Fingernägeln einige Splitter ab und zündete sie an. Nun konnte er auch das Holzstück in Brand setzen. Es war feucht und brannte schlecht. Immerhin enthüllte ihm das schwache Fackellicht seine nächste Umgebung, und er erhob sich mit schmerzlicher Anstrengung, aber von neuer Hoffnung erfüllt.
Zuerst schien es, als wollten ihm seine Beine den Dienst versagen. Vorsichtig setzte Bomba Schritt vor Schritt, aber nach einer Weile ging es schon besser, und auch sein Kopf wurde wieder klarer.
Er hielt Umschau in seiner neuen Umgebung und stellte fest, dass er sich in einer Höhle von großer Ausdehnung befand. Der Fackelschein drang nicht bis zur Decke über ihm durch. Seltsame, bizarr geformte Felsen ragten vor ihm auf, und bei jedem Schritt fürchtete er zu stürzen, so feucht war der moosige Felsboden unter seinen Füßen. Von den Wänden sickerte Wasser herab und bildete kleine Rinnsale, die sich im Laufe langer Zeiträume als schmale Kerben in den Fels gegraben hatten.
Immer noch war vor ihm das Rauschen von Wasser zu hören. Bomba hob die Fackel und spähte vorwärts. Doch dann wich er unwillkürlich zurück: nicht weit vor ihm lag die Gestalt eines Mannes reglos am Boden.
6 Die unterirdische Höhle
Zuerst erschrak Bomba. Er blieb unvermittelt stehen, hob die dürftige Fackel über den Kopf empor und starrte die liegende Gestalt an. Der Mann schien tot zu sein. Schlaff hingen seine Arme über den Rand des Felsens hinab. Nur zögernd näherte sich Bomba dem leblosen Körper. Wollte ihm das Schicksal mit diesem Anblick eine Warnung erteilen? War dieser Mann — wie er selbst auch — ein Gefangener der Höhle gewesen, und hatte er nicht mehr an das Tageslicht zurückfinden können?
Doch in diesem Augenblick bewegte sich der scheinbar Tote. Langsam und schmerzlich regten sich seine Arme. Der Kopf hob sich ein wenig — und jetzt erkannte Bomba das Gesicht des Mannes.
„Gibo!“, rief er freudig erregt. „Mein Gibo! Wir haben uns wiedergefunden. Das ist ein Glück im Unglück!“
Als er die Stimme seines Gefährten hörte, wollte sich der treue Indianer sofort erheben. Doch Bomba sprang hinzu und riss ihn von dem Felsenhang zurück, an dessen Kante er lag. Mit einem dankbaren Lächeln blickte der Indianer zu Bomba auf.
„Ich wundere mich, dass ich noch lebe“, sagte er mit kläglicher Miene. „Wir fielen — nicht wahr, wir fielen zusammen in die große Dunkelheit hinab. Dann weiß ich nichts mehr. Erst deine Stimme hat mich wieder zum Leben erweckt.“
„Wir haben Glück gehabt“, erklärte der Dschungelboy. „Ebenso gut hätten wir in dem Abgrund landen können, von dem ich dich gerade zurückriss.“
Gibo blickte schaudernd in die Tiefe.
„Vielleicht haben uns die Götter nur vor diesem Tode bewahrt, um uns noch schlimmere Qualen zu bescheren“, murmelte er düster. „Meine Glieder schmerzen, und mein Magen ist wie eine leere Höhle, in der Dämonen rumoren. Ich habe Hunger und Durst, Bomba.“
Der Junge zuckte schmerzlich mit den Schultern.
„Ich weiß jetzt auch noch nicht, wo wir in dieser feuchten, finsteren Gruft etwas zu essen finden sollen.“ Er blickte kritisch auf seinen Fackelstumpf. „Vor allen Dingen muss ich erst neues Holz besorgen, damit uns das Licht nicht ausgeht. Warte inzwischen hier.“
Bomba schritt vorsichtig weiter, und bald sah Gibo nichts als einen leuchtenden Punkt, der wie ein geheimnisvolles Irrlicht über den Boden der riesigen Grotte dahinglitt. Doch dann näherte sich das Licht wieder, und die Gestalt des Jungen warf lange, unheimliche Schatten auf die Felswände und die aufragenden Tropfsteinpyramiden.
„Licht ist ein Geschenk der Götter“, sagte Gibo mit einem erleichterten Seufzer, als er zwei neue Holzstücke entzündete. „Als Bomba fortging, war mir, als würde er mich für immer in Nacht und Finsternis allein zurücklassen. Ich hätte beinahe geschrien. Aber dann kam das Licht zu mir zurück, und ich war froh.“
Der Junge lächelte.
„Meinst du, ich hätte dich hier allein gelassen, Gibo? Ich bin nur darum so weit gegangen, weil ich mich auch über den Weg orientieren wollte. Dort vorn führt ein Pfad steil hinab. Ich glaube, wir kommen an den Unterirdischen Fluss, wenn wir ihn weitergehen. Und einmal muss der Unterirdische Fluss auch wieder zur Oberfläche zurückkehren.“
Sie schritten gemeinsam vorwärts und begannen den Abstieg, als sie den schrägen Felshang mit den riesigen Steinklötzen erreicht hatten. Das Hinunterklettern war verhältnismäßig leicht, weil die Felsbrocken ihnen immer wieder Halt boten. Doch dann verengte sich der Hang zu einem schmalen, tunnelartigen Gang, der endlos in die Tiefe zu führen schien. Die Fackeln der beiden Höhlenforscher warfen einen fahlen Lichtschein auf immer neue Felsblöcke und die schrägen, feuchten Wände des langen Ganges.
„Ich kann bald nicht mehr laufen“, seufzte Gibo kläglich. „Mein Kopf ist leer. Mir ist zumute, als hätte ich zu viel von dem süßen Wein getrunken, den die Squaws aus dem Wurzelsaft unserer Pflanzen bereiten, wenn ein Fest gefeiert wird.“
Auch Bomba spürte ein ähnliches Gefühl von Benommenheit, aber er sagte nichts, um seinen Gefährten nicht noch mehr zu entmutigen.
„Nur Mut, Gibo!“, rief der Junge plötzlich. „Ich glaube, wir haben das Ende des Pfades erreicht.“
„Die