finde, Sie geben ein wunderbares Paar ab.« Sophies Stimme stach wie ein frisch gespitzter Bleistift.«
»Haha!« Christine schnitt eine Grimasse in ihre Richtung.
»Warum nur habe ich manchmal das Gefühl, ich bin der Leiter eines Kindergartens?«, bemerkte Dr. Norden und wandte sich an Ramona Räther. »Sie sind heute auf Intensiv.«
Die Anästhesistin nickte, wünschte den Kollegen einen schönen Tag und verließ den Aufenthaltsraum. »Und Sie, Frau Petzold, nehmen Frau Berger im Anschluss an unsere Besprechung bitte mit ins CT. Der Kollege Weigand sieht sich die Aufnahmen im Anschluss an und entscheidet, wie weiter zu verfahren ist.« Auch Sophie erhielt eine Akte. Daniels Augen schweiften über die Kolleginnen und Kollegen. »Sonst noch Fragen? Gut, dann wünsche ich einen erfolgreichen Tag.«
*
Ramona Räther sollte recht behalten. Die Gedanken an Sophie hatten Matthias Weigand den Schlaf geraubt. Ein paar blasse Sterne hatten noch am Himmel gefunkelt, als er in die Klinik gekommen war. Er hatte die Ruhe dazu genutzt, um Befunde zu diktieren und sich mit schwierigen Diagnosen auseinanderzusetzen. Während der Klinikchef die Anweisungen verteilte, stand er an Rosa Bergers Bett und begutachtete die Operationswunde. Schwester Elena war bei ihm. Das EKG piepte regelmäßig im Hintergrund.
»Leukozyten und Thrombozyten sind stark erhöht, die Harnsäure …«
»Danke, ich sehe mir die Werte gleich selbst an«, unterbrach Matthias seine Kollegin. Er strich die Ränder des Pflasters glatt und zog Rosas Nachthemd herunter. »Das sieht alles ganz gut aus«, wandte er sich an seine Patientin. »Demnächst wird Frau Petzold kommen und Sie noch einmal zur Kontrolle ins CT bringen. Wir wollen sehen, ob die Naht hält und auch sonst alles in Ordnung ist.«
»War mein Enkel schon da?« Wegen der Nasensonde klang Rosas Stimme verschnupft.
Matthias drehte sich kurz zu Elena um. Die schüttelte den Kopf.
»Ich habe ihn heute auch noch nicht gesehen. Aber wenn Sie wollen, kann Schwester Elena ihn anrufen«, bot Matthias an.
»Ich will ihn nicht sehen.« Wie ein Blitz aus heiterem Himmel zuckte ihre Antwort durch das Zimmer.
Matthias Weigand legte den Kopf schief.
»Wenn Sie nicht wollen, müssen Sie natürlich nicht. Ich werde es an die Kollegen weitergeben.«
Rosas Gesicht glättete sich.
»Danke.« Sie drehte den Kopf weg und schloss die Augen.
Dr. Weigand stand noch einen Moment am Bett. Elena beobachtete ihn. Seine Brauen schoben sich zusammen und wieder auseinander. Endlich schienen sie zusammen mit ihrem Besitzer zu einem Ergebnis gekommen zu sein.
»Gehen wir«, sagte er zu Elena. »Und geben Sie Frau Bergers Wunsch bitte weiter.«
»Natürlich.« Sie verließen das Zimmer. Matthias wandte sich nach rechts, während Elena den linken Flur wählte. Unterwegs grüßte sie hierhin und lächelte dorthin, blieb kurz stehen, um ein paar Worte mit Kollegen zu wechseln, und wich einer Schwester mit Essenwagen aus. Auf halbem Weg kam ihr Sophie Petzold entgegen. Sie teilte ihr Rosa Bergers Wunsch mit.
»Seltsam«, murmelte die Assistenzärztin.
»Das finde ich auch. Aber Frau Berger wird Ihre Gründe haben, und wir müssen Ihre Entscheidung respektieren.«
»Natürlich.« Sophie Petzold war viel zu sehr mit ihrem flauen Magen beschäftigt, um an Widerspruch zu denken. Sie wollte sich wieder auf den Weg machen, als Elena noch etwas einfiel.
»Übrigens hat sich Jakob heute schon nach Ihnen erkundigt. Er macht sich offenbar Sorgen. Das ist nicht gut in seinem Zustand.«
Sophie biss sich auf die Unterlippe.
»Bitte sagen Sie ihm, dass ich im Augenblick sehr beschäftigt bin. Ich melde mich später bei ihm.«
Schwester Elena schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid. Das müssen Sie ihm schon selbst sagen.« Sie nickte der Assistenzärztin zu und setzte ihren Weg fort. Tief in Gedanken versunken kehrte Elena an den Tresen zurück. Sie legte die Akten zur Seite und beschloss, sich einen Kaffee aus dem Automaten gegenüber zu holen. Nachdem sie eine Münze eingeworfen hatte, drückte sie den Knopf, auf dem ›Latte Macchiato‹ stand. Im Bauch der Maschine rumpelte und rumorte es, ein Plastikbecher fiel aus dem Schlund. In das Zischen und Brodeln mischte sich ein anderes Geräusch, aus den Augenwinkeln sah sie einen Schatten vorbeihuschen. Elena überlegte nicht lange. Mit wenigen Schritten holte sie Christian Berger ein.
»Einen Augenblick, bitte, Herr Berger.«
Tatsächlich blieb er stehen und wartete auf sie.
»Ja, was ist denn? Ich will vor der Arbeit noch schnell meine Großmutter besuchen.«
»Tut mir leid, aber das geht gerade nicht. Frau Berger ist auf dem Weg ins CT.«
Christian schob den Ärmel zurück. Ein Sonnenstrahl fiel auf sein Handgelenk. Geblendet schloss Elena kurz die Augen.
»Es ist kurz vor acht Uhr. Wie lange dauert so etwas?«
»Das kann ich nicht genau sagen. Kommt ganz auf den Andrang in der Radiologie an.« Elenas Hoffnung erfüllte sich nicht.
»Gut, dann gehe ich eben dorthin. Wo finde ich die Radiologie?«
Elena räusperte sich.
»Auch auf die Gefahr hin, Sie zu enttäuschen: Aber Ihre Großmutter möchte keinen Besuch.«
Christian Berger stemmte die Hände in die Hüften.
»Jetzt hören Sie mir mal zu, gute Frau! Das mag für andere Leute gelten, aber nicht für mich. Schließlich bin ich ihr Enkel. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen. Ich habe nicht ewig Zeit.« Er wollte weiterhasten.
Doch Elena hielt ihn am Ärmel fest.
»Ich denke, in so einem Fall hat der Wunsch des Patienten Vorrang.« Sie sah ihm in die Augen.
Christian Berger nahm die Herausforderung an. Sie fochten einen stummen Kampf. Schließlich senkte er den Blick.
»Das wird ein Nachspiel haben, Schwester …«
»Elena. Ich bin die Pflegedienstleitung hier.« Sie deutete auf das Namensschild auf ihrer Brust. »Falls Sie sich beschweren wollen: Der Klinikchef heißt Dr. Daniel Norden.« Sie lächelte so freundlich, dass Christian nach Luft schnappte.
»Gut. Ja. Na dann …« Im nächsten Augenblick drehte er sich um und stürmte Richtung Ausgang.
*
»Einen wunderschönen guten Morgen«, begrüßte Christine Lekutat ihren Kollegen Volker Lammers.
Sie kam ihm gerade recht.
»Seit wann verstehen Enten etwas vom Wetter?«
Mit großen Augen sah sich Christine um.
»Was reden Sie denn da? Hier ist weit und breit kein Federvieh zu sehen.«
Volker schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.
»Es ist mir ein Rätsel, wie Sie das Studium geschafft haben.«
»Was hat denn das damit zu tun?«
»Vergessen Sie es.« Christine Lekutat war die einzige Person in der Klinik, an der seine Seitenhiebe wie Wasser an einem Lotusblatt abperlten. Noch war er nicht dahinter gekommen, ob sie eine Strategie verfolgte oder wirklich begriffsstutzig war. Er tippte auf Letzteres.
»Warum kommen Sie erst jetzt? Ich warte schon eine halbe Ewigkeit darauf, dass mir endlich jemand hilft.«
»Wo drückte denn der Schuh?« Die Chirurgin deutete auf seinen eingebundenen Fuß und kicherte.
»Sehr witzig. Sind Sie zum Arbeiten hier oder um sich über mich lustig zu machen?« Volker rutschte im Bett hin und her. »Helfen Sie mir gefälligst!