Maria Czigler Bianca

Fürstenkrone Box 15 – Adelsroman


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versprachen mir, Wertach zu verlassen.«

      »Und das hätte Sie gefreut, Marquise?«

      Ein Schatten flog über Rudolfs Gesicht.

      Christina schwieg.

      »Ich muß Sie berichtigen, Marquise«, fuhr Rudolf langsam fort und umfaßte sie mit einem liebevollen Blick, »ich hatte auf Ihre Bitten hin und um Prinzessin Angelikas willen die Absicht, aus Wertach abzureisen, versprochen aber hatte ich es Ihnen nicht.«

      »Läuft das nicht auf das gleiche hinaus, Majestät?«

      »Das kommt auf den Standpunkt an, Marquise. Das Glück begegnet den Menschen so selten, und noch seltener wird es von ihnen erkannt. lm Grunde ist das Unglück der Menschen nichts weiter als eine Reihe verpaßter Gelegenheiten. Das gilt ganz besonders für einen König, dem das Glück in der Liebe ohnehin nur selten hold ist. Für ihn gibt es nichts als die Staatsräson. Wollen Sie einem König verübeln, das Glück, das ihm plötzlich in Gestalt einer bezaubernden Frau lächelt, festzuhalten?«

      »Eure Majestät sagten eben, es sei schwer, das Glück zu erkennen. Sind Eure Majestät sicher, daß es das Glück ist, das Eurer Majestät lächelt, und nicht das Unheil?«

      »Kann mir von Ihnen wirklich Unheil kommen, Marquise?« lächelte Rudolf da fein.

      Aber Christina lächelte nicht zurück. Todernst sah sie ihm in die plötzlich aufmerksam werdenden Augen. Sie wurde sehr blaß, als sie antwortete:

      »Ja, Eure Majestät, ich bin das Unheil für Sie. Eure Majestät sollten mich meiden wie keinen anderen Menschen sonst auf dieser Welt.«

      Rudolf wurde unvermittelt ernst und trat einen Schritt zurück.

      »Wollen Sie mir das nicht näher erklären?«

      »Ich bitte Eure Majestät, nicht darauf zu bestehen. Ginge es nach mir und meinen Wünschen, so wäre ich längst abgereist, zurück nach Roussillon.«

      Eine Weile starrte Rudolf düster und überlegend auf den nun gesenkten Frauenkopf. Dann wurde sein Blick wieder weicher, und seine Hand zuckte leicht, als wolle er sie auf die goldene Haarflut legen. Aber er ließ sie wieder sinken und sagte statt dessen: »Wollen Sie mir eine Frage ehrlich beantworten, Marquise?«

      »Wenn ich es kann…«

      »Ist der König Ihrem Herzen gleichgültig, Christina?«

      Die Marquise erbebte unter dem Ton seiner Stimme. Von ihm erneut bei ihrem Vornamen genannt zu werden, ließ sie für Sekunden schwach werden. Sie hob den Blick ihrer schönen Augen offen zu ihm empor.

      »Nein, Eure Majestät, der König ist mir nicht gleichgültig.«

      »Dann gibt es nichts, was für mich wichtiger ist auf dieser Welt.«

      »Es gibt etwas, und deshalb bitte ich Eure Majestät, darauf zu verzichten, mir Rosen zu schenken.«

      Rudolf ging langsam zu seinem breiten Schreibtisch. Eine Hand auf die blanke Platte gestützt, sah er sie an und sagte ruhig: »Ich habe es immer besonders genossen, sehr früh am Tage durch den Forst zu streifen. Es war für mich die Erholung, die ich brauchte. Doch seit einigen Tagen wird mir der Streifzug zur Qual, da ich allein und einsam bin und auf die Begleitung einer bezaubernden Frau verzichten muß. «

      »Eure Majestät sprechen von Prinzessin Angelika.«

      »Ich wäre sehr glücklich, wenn Sie, Christina, einem einsamen König auf seinen Spaziergängen Gesellschaft leisten würden.«

      »Eure Majestät handeln nicht edel an mir. Eure Majestät üben mit dieser Bitte einen Zwang auf mich aus, indem Sie meine Liebe zu Angelika ausnutzen.«

      »Es ist ein eigen Ding mit dem Glück, Christina. Manche Menschen erkennen es nicht, manche lassen es vorübergehen, und dann gibt es Menschen, die muß man zu ihrem Glück zwingen. Sie gehören dazu, Marquise.«

      »Majestät!« bat Christina mit ersterbender Stimme.

      »Ich habe, bevor ich Sie kannte, Christina, eine Frau geliebt, wie nur ein Mann eine Frau lieben kann. Und ich war fest entschlossen, ihretwegen notfalls auf den Thron zu verzichten, denn sie war das Glück meines Lebens. Aber eines Tages erhielt ich von ihr einen Abschiedsbrief, aus dem ich entnehmen mußte, daß sie ihr Herz einem anderen geschenkt hatte. Damals folgte ich in meiner grenzenlosen Erbitterung dem Wunsch meines Vaters und heiratete eine ungeliebte Frau, die Mutter des jetzigen Thronfolgers. Es war ein Fehler. Zu spät erst stellte ich Nachforschungen an und erfuhr, daß die Frau meiner Liebe das Land verlassen hatte, ohne zu heiraten, und ruhelos in der Welt umherstreifte.

      Einmal habe ich den Worten einer liebenden Frau getraut und nicht begriffen, daß sie nur ein Opfer brachte. Diesen Fehler werde ich nicht noch einmal begehen.

      Fast zwanzig Jahre regiere ich nun dieses Land, und ich bin dessen so müde geworden, um ihm noch einmal eine Liebe zu opfern. Und der Thronfolger wartet nur darauf, an meine Stelle zu treten. Bedenken Sie auch das, Christina, wenn Ihr Herz für mich schlägt.«

      Christina ließ den Kopf noch um ein weniges tiefer sinken.

      »Mein Herz gehört Eurer Majestät, aber ich werde den König niemals erhören.«

      »Wir werden sehen«, entgegnete Rudolf leichthin, »ich habe Geduld.«

      Christina wußte später nicht zu sagen, wie sie nach Rothenstein zurückgekommen war. In ihr tobte ein Sturm von Gefühlen und versetzte sie in heillose Verwirrung. Hoffnung und Verzweiflung stritten in ihr. Süß und schmerzlich zugleich war es für sie, die Liebe eines Königs zu besitzen.

      Doch da war Angelika.

      Und da war das Unheil, das über dem Haupt des Königs schwebte, ein Unglück, das von Rudolf abzuwenden nur sie, Christina, in der Lage war.

      Ihre Liebe würde sie ihm zum Opfer bringen müssen.

      Sie weinte, als sie daran dachte.

      *

      »Die Gräfin von Bärwalde ist auf ihr Schloß zurückgekehrt«, sagte der Kammerherr des Königs, »ich dachte, es würde Eure Majestät interessieren.«

      Rudolf ließ die Jagdbüchse sinken, die er gerade geprüft hatte.

      Gloria!

      Gloria von Bärwalde!

      Stieg die Vergangenheit wieder herauf? Hatten seine Worte zu Christina sie heraufbeschworen? Hatte Glorias ziellose Wanderung ein Ende genommen, war sie zur Ruhe gekommen?

      Er dachte mit Wehmut und Zärtlichkeit im Herzen an vergangene Zeiten, horchte in sich hinein, aber nichts als Trauer um Unwiederbringliches war in ihm.

      Trotzdem beschloß er, sie aufzusuchen. Er wollte sie wiedersehen, mußte mit ihr sprechen nach so vielen Jahren. Er mußte wissen, ob sie noch unglücklich war, denn er fühlte sich schuldig.

      Zwei Stunden später stand er einer schlanken mittelgroßen Frau mit kastanienbraunem Haar gegenüber, die seinen forschenden und erstaunten Blick ruhig erwiderte.

      Rudolf brauchte einige Zeit, um sich zu fassen.

      Nein, das war nicht die Frau, die er einmal geliebt hatte. Vor ihm stand eine völlig Fremde.

      »Eure Majestät haben mich niemals geliebt«, sagte Gloria von Bärwalde mit einiger Mühe, »Eure Majestät sind einer Komödie zum Opfer gefallen.«

      »Gräfin, wägen Sie Ihre Worte! Ich dulde nicht, daß man das Andenken, das ich an eine Frau hege, beschmutzt. Sie hat mich geliebt, wer immer es auch gewesen sein mochte, der sich Ihres Namens bedient hat, Gräfin von Bärwalde. Und sicherlich nicht ohne Ihr Wissen.«

      »Zunächst schon«, gab Gloria zurück und wich seinem Blick aus. »Sie war meine beste Freundin und lernte Eure Majestät auf einem Maskenfest im königlichen Schloß kennen. Sie verliebte sich Hals über Kopf in den Thronfolger, der Eure Majestät damals noch waren, aber sie hatte niemals Hoffnung, seine Liebe zu erringen, noch weniger seine Hand.«