würden, um Ihrer Tochter willen.«
Christina biß die Zähne aufeinander. Sie wollte sich nicht eingestehen, daß er recht hatte, und doch war es so.
Nach diesem Tanz suchte sie Angelika, die erschreckend blaß aussah, aber heiter mit Michael von Seebach plauderte.
Sie fuhren zurück nach Rothenstein, ohne sich zu verabschieden. Ihre Abfahrt glich fast einer Flucht.
Lange saßen sie schweigend nebeneinander und starrten aus dem Wagenfenster in die Dunkelheit hinaus. Es war Angelika, die zuerst das Wort ergriff.
»Mama«, sagte sie, »liebst du den König?«
Christina de Roussillon fuhr zusammen wie unter einem Schlag. Sie spürte, wie sie errötete, und sie war froh, daß Angelika es nicht sehen konnte.
»Wie kommst du nur auf so etwas?« entgegnete sie abwehrend.
»Er zog dich allen anderen Damen sehr deutlich vor.« Angelika begann zu schluchzen.
»Mama, warum tust du mir das an? Meine Liebe verurteilst du, und du selber…«
»Kind, du weißt nicht, was du sprichst! «
»O doch, Mama!«
»Angelika«, sagte Christina mit Mühe, »du bist verbittert, weil der König dich getäuscht hat. Laß nicht deine Eifersucht dich jetzt ungerecht machen. Es ist nicht meine Schuld, wenn der König mich auszeichnete. Ich habe mich nicht danach gedrängt, und um ehrlich zu sein, ich habe mich nicht einmal darüber gefreut. Es war mir sehr peinlich.«
Angelika hob den Kopf. Hoffnung zog neu in ihr Herz ein.
»So liebst du ihn wirklich nicht?«
»Welch eine Frage«, wich Christina aus. »Welch einen Sinn hätte es auch schon, einen König zu lieben. Es kann niemals Gutes daraus kommen.«
»Möglich, aber fragt das Herz nach dem Sinn der Liebe?«
Christina zuckte erneut zusammen. Angelika hatte eine große Wahrheit ausgesprochen. Nein, das Herz fragte wirklich nicht danach. Es fragte auch nicht danach, was später kam.
Wieder blieb es eine Weile still im Wagen, dann begann Angelika von neuem:
»Ich frage mich jetzt, ob meine Liebe wirklich so unmöglich ist. Wenn ich dem König nichts bedeutet hätte, dann hätte er sich nicht so oft mit mir unterhalten, dann wäre er nicht mit mir durch den Forst gestreift, dann hätte er nicht stets auf mich gewartet. Ein König kann doch nicht tun und lassen, was er will. Um mich zu sehen, wird er sich heimlich haben davonstehlen müssen von Schloß Wertach. Zeugt das nicht von seiner Liebe zu mir?«
»Um Gottes willen, Angelika, rede dir nur nichts ein! Ich dachte, du hättest begriffen, wie sinnlos und wie aussichtslos eine solche Liebe für dich ist. Du kannst und sollst den König verehren, aber du darfst ihn nicht lieben. Niemals!«
»Und warum nicht, Mama? Ist der König kein Mann? Braucht er nicht die Liebe einer Frau? Er ist unvermählt, und niemand kann ihm einen Vorwurf machen.«
»Aber ein König kann nicht heiraten, wen er will.«
»Ich bin eine Prinzessin, Mama!«
»Ich weiß, und dennoch wird Rudolf dich niemals zur Frau begehren, sieh es doch endlich ein, Angelika.«
Angelika schwieg wieder, und Christina glaubte ihre innere Auflehnung geradezu zu spüren. Sie senkte müde und verzweifelt den Kopf. Wie konnte sie Angelika nur von ihrer verhängnisvollen Leidenschaft heilen?
Angelika zog sich sofort nach ihrer Rückkehr auf Rothenstein in ihre Zimmer zurück. Nur flüchtig hatte sie sich von Christina verabschiedet.
Die Marquise stand noch eine Weile auf dem langen Flur und starrte auf die Tür, hinter der Angelika verschwunden war.
Sie fühlte dumpf, daß der Leidensweg noch nicht zu Ende war.
Auch sie suchte nun ihr Gemach auf, doch der Schlaf floh sie. Immer wieder erschien ihr das sympathische Gesicht des Königs und ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Immer wieder glaubte sie, sich noch im Takt in seinen Armen zu wiegen zu den Klängen der Kapelle.
Ärgerlich stand sie auf und suchte nach einer Schlaftablette.
Das fehlte noch, daß sie jetzt gleich Angelika ihr Herz an einen König verlor, dem sie nichts weiter bedeutete als eine nette Abwechslung im täglichen Einerlei, für den sie nichts weiter gewesen war als ein Mittel zum Zweck; und das auf ihre eigene Bitte hin.
Sie schluckte die Tablette und warf sich auf ihr Bett, fest entschlossen, jeden Gedanken an König Rudolf aus ihrem Kopf zu verbannen und endlich zu schlafen.
*
Angelika kam am folgenden Morgen nicht zum Frühstück. So saßen Christina de Roussillon und Helene de Ravoux allein auf der sonnenbeschienenen Terrasse, als ein Bote von Schloß Wertach einen riesigen Strauß dunkelroter Rosen für die Marquise de Roussillon brachte.
Christina beugte sich errötend über die duftenden Blüten und versuchte vergeblich, ihre Überraschung und tödliche Verlegenheit vor den scharfen Augen von Helene zu verbergen.
»Christina«, sagte Helene, als sie wieder allein waren, und sah zur Marquise hinüber, die angelegentlich damit beschäftigt war, den Strauß in einer großen Kristallvase zu ordnen, »das ist nicht gut! «
»Ach, Helene«, entgegnete Christina ein wenig unglücklich, »was soll ich denn nur tun? Hätte ich die Rosen zurückgehen lassen sollen? Man kann einen König nicht so vor den Kopf stoßen. Es wäre eine entsetzliche Beleidigung für ihn. Wahrscheinlich ist dieser Strauß auch nicht mehr als eine liebenswürdige Geste vor seiner Abreise.«
»Aber du freust dich über diese Rosen, wie das nur eine Frau tut, die Blumen von dem Geliebten erhält. Christina, hast du dein Herz an den König verloren?«
Die Marquise setzte sich. Der alten Vertrauten blieb ohnedies nichts verborgen, sie kannte sie zu gut.
»Und wenn es so wäre, Helene, so mache ich mir doch keine Illusionen darüber, was ich König Rudolf bedeute.«
»Bist du ganz sicher, Christina? Ich habe dich nie zuvor so gesehen wie heute. Du bist verliebt, und Verliebte hoffen immer auf ein Wunder.«
»Das Wunder der Erfüllung einer Liebe, meinst du? Gibt es das überhaupt in unseren Kreisen?«
»Nun, immerhin entstammst du einem fürstlichen Geschlecht und wärest einem König ebenbürtig. Ich würde es verstehen, wenn du hoffst.«
»Nein, Helene«, sagte Christina da entschieden und sehr ernst, »es gibt noch einen weiteren Grund für mich, nicht auf die Liebe eines Königs zu hoffen. Nicht auf die Liebe dieses Königs. Und du kennst den Grund.«
»Angelika, ich weiß«, nickte Helene de Ravoux.
»Ich kann es verstehen.«
»Ja, in jeder Beziehung, Angelika. Sie würde glauben, ich hätte eigensüchtig gehandelt, ich hätte ihr den König nehmen wollen, weil ich selbst ihn liebe. Sie würde mir nichts mehr glauben. Und mit welchen Argumenten sollte ich dann noch versuchen, sie von ihrer unheilvollen Liebe zum König abzubringen?«
»Mit der Wahrheit vielleicht, Christina.«
»Und das rätst du mir, Helene?«
»Nein, ich rate dir nicht dazu, weil ich nirgendwo eine glückliche Lösung sehe. Das beste ist eben, es bleibt alles, wie es ist.«
»Ich weiß es, und deshalb würde ich diesen König niemals erhören, selbst wenn er mich lieben sollte, was ich nicht glaube, Helene.«
»Wer weiß.«
Christina schwieg und rührte in ihrer Tasse herum.
Helene de Ravoux sah ihr eine Weile stumm zu, dann meinte sie: »Du bist also bereit, dein eigenes Glück zu opfern, um Angelikas willen? Hast du dir das auch gut überlegt, Christina?«
»Es