Dietrich Schulze-Marmeling

Ausgespielt?


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      Dietrich Schulze-Marmeling

      AUSGESPIELT?

      Die Krise des deutschen Fußballs

      VERLAG DIE WERKSTATT

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

      Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Copyright © 2019 Verlag Die Werkstatt GmbH

      Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen

      www.werkstatt-verlag.de Alle Rechte vorbehalten Satz und Gestaltung: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, Göttingen Umschlagfoto: Imago sportfoto

      ISBN 978-3-7307-0455-4

      Inhalt

       Prolog

       Vorwort Deutsche Zustände

       Kapitel 1 Die Europameisterschaft 2016: Schwächelnde Offensive

       Kapitel 2 Die Weltmeisterschaft 2018: In 270 Minuten in die „Krise“

       Kapitel 3 Die dritte Halbzeit ein Neuanfang und eine Fußballkultur-Debatte

       EXKURS Fußball, Frosch und Körpersprache (Bernd-M. Beyer)

       Kapitel 4 Die Bundesliga: Top-Liga oder „nur“ Ausbildungs-Liga?

       Kapitel 5 Probleme in der Ausbildung: Zu viel Stress, zu wenig Geduld, zu wenig Spiel?

       EXKURS Straßenfußball – das Geheimnis der Millionen-Stars vom Bolzplatz (Christian Dobrick)

       Kapitel 6 Beobachtungen vom Spielfeldrand: Fußball in der deutschen Wohlstandsgesellschaft

       Der Autor

      Prolog

      „Eine gewisse Bolzplatz-Mentalität ist abhandengekommen, aber für Kinder ist Spielen, Dribbeln, Ausprobieren ganz entscheidend.“

      Meikel Schönweitz, Sportlicher Leiter aller Jugendnationalmannschaften des DFB

      „Das Beste am Straßenfußball waren die fehlenden Erwachsenen.“

      Hermann Hummels, ehemals Jugendtrainer beim FC Bayern München

      „Wer ab und zu beim Training spanischer Jugendteams vorbeischaut und diese Eindrücke mit denen von deutschen Übungsplätzen abgleicht, braucht kein Fußballdiplom, um zu erkennen: Dort geht es freudvoller und fantasievoller zu als hier. Dort wird Fußball noch als Spiel begriffen und weniger als heiliger Ernst. Wir Deutschen brauchen ja nicht nur im Fachbereich Fußball mehr Mut zum Spaß.“

      Jan-Christian Müller in der „Frankfurter Rundschau“

      „Im Moment kommen auf jeden Deutschen, ehrlich gesagt, zwei interessante Franzosen, zwei interessante Engländer und Spanier sowieso.“

      Michael Zorc, Sportdirektor bei Borussia Dortmund

      „Es müssen alle bereit sein, etwas zu ändern. Wir haben generell nicht mehr fünf, sechs Talente eines jeden Jahrgangs, sondern es sind noch ein, zwei.“

      Stefan Kuntz, Trainer der U21-Nationalmannschaft

      „Im Fußball sollte man stets nach Innovation und

      positiver Veränderung streben, unabhängig vom aktuellen Erfolg oder Misserfolg.“

      Matthias Kohler, Cruyff Football

      „Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung.

      Stillstand ist Rückschritt.“

      Norbert Elgert, U19-Trainer beim FC Schalke 04

      VORWORT

      Deutsche Zustände

      Als die deutsche Nationalmannschaft bei der WM 2018 bereits in der Vorrunde ausschied, versetzte dies ein ganzes Land in helle Aufregung. Nicht nur „Fußball-Deutschland“ war schockiert bis empört. Nein, auch Menschen, die sich für das Spiel nur peripher oder gar nicht interessieren, nahmen Anteil. Wutbürgertum und Populismus wechselten vom Feld der Politik auf das des Fußballs, wo beide schon immer zu Hause waren. Nicht mehr nur die Bundeskanzlerin musste weg, sondern auch der Bundestrainer. In einer fußballerisierten Gesellschaft wurde Jogi Löw zur Angela Merkel des deutschen Fußballs, Angela Merkel zum Jogi Löw der Bundesregierung. Und Mesut Özil wurde das „Deutschtum“ abgesprochen. In einer Mail an den Autor wurde kategorisch gefordert: „Merkel weg! Löw weg! Özil weg!“

      In der „Frankfurter Rundschau“ kommentierte Harry Nutt diese geifernde „Weg, Weg!“-Mentalität treffend: „ Aus, aus, aus. Seine Zeit ist um. Das sagt fast jeder. (…) Selbst Menschen, die sich nicht für Fußball interessieren, sehen das so, obwohl es ihnen eigentlich egal ist. Es lässt sich ungeschützt behaupten, und es gilt als eine Art Selbstbeweis unbedingter Gegenwärtigkeit, ganz genau zu wissen, was an der Zeit ist und was nicht.“ Der apodiktische Ton, in dem festgestellt wird, dass jemandes Zeit abgelaufen ist, habe etwas Herrisches. Wer das vorzeitige Ende von Merkel und Löw in scharfer Diktion herbeirufe, betrachte sich als „Part eines Tuns, durch das man in den Genuss eines revolutionären Grundrauschens zu kommen vermag. Indem man die Zeit eines anderen für abgelaufen erklärt, wirft man sich in diese Pose eines Agitators, der sich durch bloße Meinungsbekundung auf die richtige Seite begibt und als jemand inszeniert, der in der Lage ist, über das Schicksal anderer zu entscheiden. Eine machtvolle Geste, die meist doch nur die eigenen Unterlegenheitsgefühle kompensiert.“

      Das Gefühl von der abgelaufenen Zeit habe derzeit Konjunktur. Die lustvollen Abgesänge auf dies und das und diesen oder jenen sollten allerdings nicht verwechselt werden mit der Idee, die der österreichische Nationalökonom Joseph Schumpeter unter dem Begriff der schöpferischen Zerstörung zusammengefasst habe: „Schumpeter verwies auf die durch die kapitalistische Dynamik erzeugten Zerstörungsprozesse, die nicht selten Platz schafften für neue Kombinationen. Heute wird man indes den Eindruck nicht los, dass zwar viel von Dämmerung und Zeiten die Rede ist, die vorbei sind. Aber nur selten wird erkennbar, dass sich dahinter etwas Neues auftut, das mit dem Adjektiv schöpferisch zu bezeichnen wäre. Wer die Zeit eines anderen für beendet erklärt, ist darum bemüht, im Gespräch zu bleiben, hat aber meist selbst keine Idee.“

      Diese Erfahrung machte der Autor nach der WM häufig. Die Pose des Kritikers, der hinterher schon alles vorher gewusst hatte, war weit verbreitet. Und was in der Diskussion über den Bundestrainer völlig übersehen wurde: Löw hatte einige der Probleme, die in Russland evident wurden, bereits in den Jahren zwischen den Weltturnieren wiederholt angesprochen. Vor allem aber lassen sich die Probleme des deutschen Fußballs nicht auf die Person des Bundestrainers, falsche Mannschaftsaufstellungen etc. reduzieren. Sie liegen tiefer und außerhalb des Löw’schen Wirkungsfeldes. Die „Früher war alles besser“- und „Wir waren die Größten“-Tiraden einiger Ex-Profis wie Mario Basler helfen nicht weiter. Sie sind weder dazu in der Lage, eine Arbeit zu goutieren, die immerhin bei den vergangenen drei WM-Turnieren zu einem Titel und zwei dritten Plätzen geführt hat. Noch können