und den Mut unserer Soldaten. Wir werden gewinnen, weil wir für die richtige Sache kämpfen – gegen die Mächte des Bösen und der Zerstörung.«
DER GENERAL in der ersten Reihe nickt zustimmend und schlägt leise die Hände zusammen, ein diskreter, aber deutlich sichtbarer Applaus. Die beiden COLONELS zu seinen Seiten ahmen seine Geste nach, aber der Rest des Publikums folgt dem Beispiel nicht. Der KAPLAN fährt fort.
KAPLAN: »Nein, wir brauchen uns vor einer Niederlage nicht zu fürchten. Aber, meine Freunde, lasst uns vor einer anderen Gefahr auf der Hut sein – sie ist nicht weniger tödlich als die Niederlage es wäre! In unserem Kampf könnten wir die Werte und Ideale, für die wir kämpfen, vergessen und verraten: das ist die große – die erschreckende Gefahr, vor der ich euch warnen will, Freunde. Amerikanische Soldaten, denkt immer daran, was in diesem Krieg auf dem Spiel steht: es ist unsere christliche Zivilisation – sie wird bedroht und verletzt durch barbarische Angreifer. Diese Feinde des Friedens und der Menschlichkeit – sie sind dem Untergang geweiht: Sie verdienen es, zugrunde zu gehen, und sie werden zugrunde gehen. Aber reicht die Zerstörung des Bösen aus, um das Überleben der Tugend zu sichern? Was wäre, wenn wir uns im Verlauf dieses grausamen Kampfes selbst mit dem Bazillus infiziert hätten, den zu vernichten wir ausgezogen waren?«
Er hat mit großem Nachdruck und Ernst gesprochen – und scheinbar zeitweise die Anwesenheit der Soldaten vergessen. Nun erinnert ihn ein leises Gemurmel im Publikum daran, wo er ist. Das Gemurmel deutet – wenn auch sehr zurückhaltend – darauf hin, dass seine Zuhörer überrascht sind und seinem Vortrag nicht folgen können. Als der KAPLAN diese Reaktion bemerkt, wird er ein wenig verlegen. Er lächelt ins Publikum, als wolle er sich entschuldigen; dann fährt er fort – und nun wendet er sich direkter, quasi »von Mann zu Mann«, an die Soldaten vor ihm.
KAPLAN: »Nun, Jungs, vielleicht ist nicht ganz klar geworden, was ich meine. Wenn ich dunkel und konfus klinge, dann ist das nur meine Schuld: Es liegt daran, dass ich nicht weiß, wie ich mich am besten ausdrücken soll. Dabei ist das, was ich sagen will, ganz einfach. Ich will euch Männer davor warnen, bittere, unchristliche Gefühle in euch aufkommen zu lassen. Versteht ihr mich jetzt?
Es ist ganz natürlich, je länger der Krieg dauert, desto bitterer und gewalttätiger wächst der allgemeine Hass: Je mehr Tod und Zerstörung – desto mehr Lust auf Vergeltung! Das ist logisch, nicht wahr?
Es mag zwar logisch sein, aber das bedeutet nicht, dass es gut und notwendig ist. Am Hass ist nichts Gutes – nichts Edles und Konstruktives. Glaubt mir, Freunde! Ich bitte euch, mir zu glauben, dass Hass böse ist: er erzeugt Tod – nicht Leben.
Sind Hass, Intoleranz, Selbstgefälligkeit, engstirniger Nationalismus, der Kult roher Gewalt nicht die bösen Wurzeln von Faschismus und Nationalsozialismus? Aber wenn Nationalsozialismus und Faschismus unsere Feinde sind, was ist dann mit jenen bösen Impulsen und Prinzipien, ohne die diese feindseligen Bewegungen niemals entstanden wären? Was ist mit Hass, Grausamkeit, Intoleranz? Auch sie sind unsere Feinde! Auch sie müssen besiegt werden!
Soldaten, ich weiß, es ist schwer, einen boshaften und rücksichtslosen Feind zu bekämpfen – ohne ihn zu hassen. Aber es ist möglich. Versucht es. Versucht, das Hassenswerte an eurem Gegner zu hassen – seine gottlosen Ideen, seine Vorurteile, seine sadistischen Instinkte. Aber hasst nicht den Menschen. Kein Mensch ist ganz und gar hassenswert oder vollkommen böse: genau, wie auch kein Mensch vollkommen gut ist. Sind wir nicht alle nur schwache, fehlbare Geschöpfe? Lasst uns das nicht vergessen – selbst wenn wir gegen diejenigen kämpfen, die wir für schlechter halten als uns selbst.«
An dieser Stelle räuspert sich der GENERAL auf unheilverkündende Weise und tauscht Blicke mit den COLONELS. Der KAPLAN ignoriert diese Bekundung von Überraschung und Missvergnügen und beendet seine Rede:
KAPLAN: »Nun, meine Freunde, das ist es, was ich euch heute sagen wollte. Es sind die vierten Kriegs-Weihnachten: für viele von euch Männern bereits die dritte Weihnacht, die ihr im Ausland feiert. Deshalb glaube ich, dass einige von uns eine kleine Erinnerung daran gebrauchen können, was dieses Fest bedeutet, damit wir es nicht vergessen. Denkt daran, meine Freunde, wir sind hier versammelt, um der Geburt des göttlichen Märtyrers und Kämpfers zu gedenken, dessen Vermächtnis das Evangelium der brüderlichen Liebe ist: Gottes Sohn, der zur Erde gesandt wurde und der Sohn der Menschen wurde, ›damit er Erkenntnis des Heils gebe seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.‹ – Amen. – Lasset uns beten.«
Er betet – den Kopf schweigend gesenkt. Die Versammlung tut es ihm nach. Nach einem Moment ehrfürchtiger Stille nimmt der KAPLAN wieder seine normale Haltung ein und lächelt herzlich in die Versammlung.
KAPLAN: »Euch allen frohe Weihnachten.«
STIMMEN AUS DER VERSAMMLUNG: »Ihnen auch, Kaplan!«
KAPLAN: »Mach uns mal ein bisschen Musik, Jack!«
Ein SERGEANT mit Brille (JACK), der im Hintergrund des Raums am Harmonium sitzt, spielt ein Weihnachtslied. Die meisten SOLDATEN stehen auf und bewegen sich zum Ausgang.
KAPLAN (ruft sie mit einem kleinen Schrei und einer schnellen Bewegung zurück): »Halt – wartet noch ein wenig, Jungs! Fast hätte ich etwas ziemlich Wichtiges vergessen: Und zwar möchte ich allen ganz herzlich[6] danken, die an meiner kleinen Weihnachtssammlung für die italienischen Kinder teilgenommen haben. Eine Menge wunderbarer Sachen sind zusammengekommen: wollene Schals, Handschuhe und Unterwäsche, Konserven, Süßigkeiten – sogar ein paar schöne Spielsachen. Dadurch werden die Kinder ein richtiges Weihnachten haben! Ich weiß, dass sie alle sehr glücklich sein werden. Und ehrlich gesagt, auch ich bin sehr glücklich. Nochmal vielen Dank, Jungs. Ich weiß zu würdigen, was ihr getan habt. – Übrigens findet die Weihnachtsfeier für die Kinder aus dem Dorf heute Nachmittag im Haus des Bürgermeisters statt. Von drei bis fünf Uhr nachmittags gibt es heiße Schokolade – das ist den lieben Damen des amerikanischen Roten Kreuzes zu verdanken.« (Er macht eine Handbewegung in Richtung zweier ROTKREUZ-MÄDCHEN – die sein Kompliment mit Kichern und Erröten quittieren.) »Alle sind eingeladen. Macht’s gut, Jungs. Und esst nicht zu viel Truthahn.«
Alles bewegt sich in Richtung Tür. Auch der KAPLAN nimmt seinen Hut von einem Stuhl und scheint bereit zu gehen: Da kommt der GENERAL in Begleitung eines der COLONELS auf ihn zu.
GENERAL: »Guten Morgen, Kaplan.«
KAPLAN: »Fröhliche Weihnachten, Sir. Hallo, Colonel. Auch Ihnen frohe Weihnachten.«
GENERAL: »Ich würde gern kurz mit Ihnen reden.«
KAPLAN: »Aber natürlich, General. Ganz zu Ihrer Verfügung …«
(Er geht lebhaft und höflich voran zu ein paar Stühlen im Hintergrund des Raums in der Nähe des Weihnachtsbaums.)
SCHNITT AUF:
4. AUSSEN, KAPELLE …: Neben dem Eingang. Die Kamera schwenkt über die MENGE, die aus der offenen Tür heraus kommt: Dann fährt sie auf eine GRUPPE von GIs zu, die ein wenig abgesondert dastehen.
1. GI: »Ich finde, der Alte ist kein schlechter Kerl.«
2. GI: »Kaplan ist Kaplan. Die reden einfach zu viel.«
1. GI: »Nee, der Martin is’ anders. Muss man einfach mögen.«
3. GI: »Nach Feierabend ist der bestimmt kein schnöseliger Moralapostel.«
4. GI: »Nee, dem macht’s nich’ mal was aus, wenn geflucht wird.«
2. GI: »Vielleicht habt ihr recht. Der ist okay.«
1.