Roy Rockwood

Bomba im Herzen Afrikas


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Augenblick zerriss ein wildes Brüllen die Stille über dem Urwaldteich.

      Bomba fuhr herum. Keine zehn Meter von ihnen entfernt war eine gelbbraune Gestalt im Schilfdickicht aufgetaucht. Der Leib des Raubtieres presste sich dicht gegen den Boden, der Schweif peitschte durch die Schilfstängel, und der gewaltige Rachen öffnete sich zu einem grimmigen Fauchen. Der Blick der bernsteingelben Augen war mit gefährlicher Ruhe auf die Menschen gerichtet. Wenn der Löwe sich fürchtete, so war davon jedenfalls nichts zu sehen.

      Auf den ersten Blick erkannt Bomba, dass es der Löwe war, den er in der vergangenen Nacht mit dem Speer verwundet hatte. An der Schulter des Tieres war deutlich der Riss zu sehen, den sein Speer geschlagen hatte. Die Wunde mochte schmerzhaft sein, aber sie hatte den Löwen keineswegs geschwächt, und sie behinderte ihn gar nicht. Es war deutlich zu sehen, wie die mächtigen Muskelstränge unter dem Fell an der verwundeten Schulter ebenso geschmeidig spielten wie an der gesunden Schulter und an den Flanken.

      Hinter Bombas Rücken war ein Felsblock, und Wafi rief furchtsam:

      „Lauf hinter den Felsen, Herr, und wirf den Speer von dort.“

      Aber Bomba gab keine Antwort und hielt den Blick fest auf den Löwen gerichtet. Es war merkwürdig: einen Moment lang schien der Blick dieser klaren, braunen Augen den Löwen zu verwirren. Er blinzelte und zögerte. Doch dann kroch er näher an die Stelle heran, von wo ihn der Sprung bis zu dem Felsen tragen konnte.

      Gibo und Wafi hatten inzwischen hinter dem Steinblock Schutz gesucht und beobachteten atemlos die gefährliche Szene. Ihnen schien es so, als hätte Bomba eine seltsame Lähmung befallen. Warum warf er den Speer nicht? Der Körper des Löwen bot ein gutes und nahes Ziel. Hatte ihn etwa der bernsteingelbe Blick der Raubkatze verzaubert?

      „Wirf den Speer, Bomba! Wirf!“, riefen sie beide zugleich. Doch Bomba blieb reglos stehen — und dann sprang der Löwe. Der zusammengekrümmte Körper streckte sich plötzlich zu einem mächtigen Sprung. Das Ganze spielte sich so schnell ab, dass weder Gibo noch Wafi später sagen konnten, wann Bomba sich zur Seite schnellte, um dem Sprung zu entgehen. Das Schaftende des Speeres hatte er in einem Spalt des Felsens festgeklemmt, und erst im letzten Sekundenbruchteil ließ er den Speer los.

      Bomba brauchte ihn nicht zu schleudern. Mit der ganzen Wucht seines schweren Körpers und dem Schwung des Sprunges wurde der Löwe gegen die tödliche Speerspitze geworfen. Das scharfe Metall drang durch seine Brust und tief in den Körper hinein.

      Das Brüllen und der Todeskampf des Löwen ließen den Boden rings um den Tümpel erbeben. Bomba war weiter zurückgewichen, um den wild um sich schlagenden Pranken zu entgehen, und jetzt wagten sich auch Gibo und Wafi wieder hinter dem Felsen hervor.

      Als die Zuckungen des Löwen schwächer wurden und der schwere Kopf zur Seite sank, trat Gibo näher an den großen Körper heran und setzte einen Fuß auf die Flanke, in der noch ein letzter Rest von Lebenskraft bebte.

      „Man könnte meinen, du hast den Löwen erlegt“, brummte Wafi, der insgeheim doch Gibos Mut bewunderte. Für ihn war immer noch der beste Löwe ein toter Löwe, und dieser dort bewegte sich ganz offensichtlich noch.

      „Bomba hat sein Versprechen gehalten“, sagte Gibo prahlerisch. „Du siehst, Wafi —“

      Im nächsten Augenblick sprang er mit einem gewaltigen Satz zur Seite, denn die Flanke auf der sein Fuß gestanden hatte, war von einem letzten starken Zucken erschüttert worden. Jetzt war Simba, der Löwe, wirklich tot.

      „Ich sehe, du kannst gut springen, Freund Gibo.“ Wafi gluckste vor Vergnügen. „Wolltest du mir das zeigen?“

      Gibo errötete unter der braunen Haut, während Bomba ruhig an den toten Körper herantrat und seinen Speer aus der Brust des Tieres zog.

      „Es ist immer besser, vorsichtig zu sein“, verteidigte sich Gibo und hob den Blick.

      Im nächsten Moment verzerrte sich sein Gesichtsausdruck zu einer Grimasse des Erschreckens.

      „Aufgepasst, Herr!“ schrie er.

      Durch das Unterholz kam eine Gruppe von Kriegern auf die Lichtung gestürmt.

      3 Die bemalten Jäger

      Bomba fuhr herum und hob instinktiv den Speer. Wafi folgte seinem Beispiel, und Gibo riss sein langes Buschmesser aus dem Gürtel.

      Wer waren diese seltsam aussehenden Krieger?

      Für kurze Zeit standen sich die beiden Gruppen wie erstarrt gegenüber, und Bomba versuchte, die Absichten dieser fremdartigen Männer zu erkennen. Plötzlich senkte er den Speer und wandte sich an seine beiden Gefährten.

      „Ich glaube nicht, dass diese Männer gegen uns kämpfen wollen“, raunte er ihnen zu. „Aber wir müssen vorsichtig sein. Noch einmal sollen uns keine Kannibalen mit gespielter Freundlichkeit überlisten, um uns in ihre Gewalt zu bekommen. Behaltet die Männer scharf im Auge, aber droht nicht mit den Waffen. Wenn wir in Frieden mit ihnen auskommen können, dann wäre es umso besser für uns, denn sie sind weit in der Überzahl.“

      Inzwischen begannen die fremden Krieger näherzurücken, ohne dabei aber drohende oder feindselige Gesten zu machen. Die Gesichter der Männer waren mit dicken weißen und gelben Streifen bemalt, aber unter dieser schauerlichen Bemalung grinsten sie breit. Schließlich trat ein Mann vor, der nach seiner ganzen Haltung und dem besonderen Schmuck, den er trug, ein Häuptling sein musste. Er hob die rechte Hand mit der Handfläche nach außen, und bei diesem Anblick atmete Wafi erleichtert auf. Der Fremde hatte sie mit der Geste der Freundschaft und des Friedens begrüßt.

      Bomba erwiderte langsam die Geste, und sein Blick glitt dabei aufmerksam über die Gesichter der Männer. Es mochten etwa vierzig Krieger sein. Nicht nur das Gesicht, sondern auch die Brust war bei jedem mit breiten Streifen weißer und ockergelber Farbe beschmiert. Die dunklen Körper mit der merkwürdigen Zebrabemalung bildeten einen unheimlichen Kontrast zu dem ruhigen, schimmernden Grün des Dschungels, und das war wohl auch die Wirkung, die diese Kriegsbemalung erzielen sollte. Alle Feinde sollten schon von dem Anblick der fremden Krieger eingeschüchtert werden.

      Die Bewaffnung der Krieger bestand nur aus Speeren und aus Messern, die in den Gürteln am Lendentuch steckten.

      „Es müssen die ‚Bemalten Jäger’ sein, von denen Azande, der Häuptling der Pygmäen, schon gesprochen hat“, sagte Bomba zu seinen Begleitern. „Wir werden also nicht kämpfen müssen, denn Azandes Freunde werden auch unsere Freunde werden.“

      Der Häuptling trat noch einen weiteren Schritt vor. Alles das schien zu einem Zeremoniell zu gehören, wie es bei der Begrüßung von Fremden üblich war. Er wiederholte noch einmal die Geste der Freundschaft und begann dann in einem Dialekt zu sprechen, der dem der Pygmäen verwandt war und den Bomba schon verstehen konnte.

      „Lowando und seine Krieger kommen in Frieden“, sagte er. „Sie planen nichts Böses gegen den weißen Fremden und seine Begleiter. Aus dem Busch haben wir alle den Kampf des Weißen mit dem Löwen mit angesehen, und unsere Herzen sind voll Bewunderung. Wir wären froh, wenn der Weiße ein Angehöriger unseres Stammes wäre, denn kein Tier hassen wir so sehr wie den Löwen.“

      Bomba lächelte.

      „Es ist wahr: der Löwe ist kein Freund des Menschen. Seine Pranken sind ohne Erbarmen, und sein Biss bedeutet Tod und Verderben. Aber Simba, der Löwe, ist tapfer. Er ergreift nicht die Flucht wie der feige Schakal. Und es ist gut, gegen einen tapferen Feind zu kämpfen.“

      Der fremde Häuptling blickte Bomba neugierig an.

      „Ich habe von meinem Freund Azande, dem Häuptling der Pygmäen, von dem tapferen, weißen Jungen gehört, der viele Tage mit ihrem Stamm gezogen ist. Bist du Bomba — der Dschungelboy?“

      Der Junge nickte.

      „Dann haben also die kleinen Krieger nicht übertrieben“, fuhr der Häuptling fort. „Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie tapfer Bomba ist.“

      „Ich habe von Azande