haben und es nicht wagen, um eine Dame zu werben?« – »Du hast wohl sehr Recht«, sagte der König, »Du weißt besser als ich, wie man sich benehmen muß; hilf mir, ich bitte Dich, und tue Du an meiner Stelle alles, was zu tun ist. Nimm aus meiner Schatzkammer alles, was Du willst, mach' ihr Geschenke, gib auch allen ihren Leuten, die sie umgeben, suche einen jeden zufrieden zu stellen, mache nur, daß ich mit ihr sprechen darf.« – »Ich will schon machen«, sprach Ulsius.
Die Hofhaltung dauerte nun schon acht Tage in großer Freude und schöner Ergötzlichkeit. Der Herzog von Tintayol mußte immerwährend beim König sein, und er gab ihm und seinen Gefährten schöne, reiche Geschenke. Ulsius suchte indessen mit der Dame Yguerne zu reden, ihr mit süßen Liebesworten zu schmeicheln, und brachte ihr Geschenke, von denen eines immer reicher und herrlicher war als das andere; sie aber schlug alles aus und nahm nichts davon an.
Eines Tages, als er ihr mehr noch zusetzte und einen überaus prachtvollen Schmuck ihr anbot, nahm sie ihn beiseite und sagte: »Ulsius, warum und zu welchem Ende bietest Du mir alle diese reiche Kleinodien an?« – »Dame, um Euer großen Schönheit und Eurer hohen Eigenschaften willen! Wisset, der ganze Reichtum des Königreichs ist Euer Eigentum und die Menschen nur da, Euern Befehlen zu gehorchen!« – »Ei, wie mag dies wohl sein?« – »Ja, denn Ihr besitzt das Herz dessen, dem das Reich zugehört, das Herz des Königs.« – »So ist des Königs Herz ein verräterisches und falsches Herz, weil es meinem Herrn und Gemahl so viel Liebe und Freundschaft erweist, während es mich zu verderben und zu entehren trachtet! Ich sage Dir, Ulsius, hüte Dich, so lieb Dir Dein Leben ist, mir jemals von diesen Dingen wieder ein Wort zu sagen, wenn ich nicht alles dem Herzog meinem Gemahl wieder hinterbringen soll. Du wirst wohl wissen, daß er Dir das Leben nicht lassen würde, wenn er solches wüßte; sei aber gewiß, daß dieses das letztemal ist, daß ich ihm solches verschweige.«
»Stürbe ich für den König«, erwiderte Ulsius, »so gereichte es mir zu großer Ehre! Habt Gnade mit dem König, Dame Yguerne, warum wollt Ihr nicht, daß er Euer Freund sei, da er Euch mehr liebt als sein Leben selbst; seid ihm gewogen, oder er stirbt aus Liebe zu Euch.« – »Ihr spottet meiner, Ulsius.« – »Um Gotteswillen, habt Mitleid mit dem König und mit Euch selber; wenn Ihr ihm nicht günstig seid, so habt Ihr Euch selbst alles Unglück zuzuschreiben, welches daraus entstehen wird, denn weder Ihr noch Euer Gemahl könnt Euch seinem Willen widersetzen.« – »Wohl würde ich mich seiner erwehren«, sagte sie schmerzlich weinend; »denn nie will ich, ist dies Fest einmal beendet, mich wieder an des Königs Hof einfinden noch in seine Gegenwart begeben; mag er auch Befehle ergehen lassen, wie er wolle, ich komme sicherlich nicht mehr.«
Mit diesen Worten ließ sie den Ulsius stehen und entfernte sich. Ulsius begab sich zum König und erzählte ihm alle ihre Worte. »Wohl wußte ich«, sagte der König, »daß sie Dir so antworten würde, denn so muß eine jede tugendhafte, sittsame Frau sprechen; doch, Ulsius, laß es noch nicht dabei, sondern bringe ihr meine Bitten immer wieder, keine Dame wird so leicht besiegt.« Eines Tages saß der König an der Tafel und der Herzog von Tintayol neben ihm; vor dem König stand sein reicher goldner Becher, woraus er trank, da kniete Ulsius vor ihm nieder und sagte ihm leise, so daß der Herzog es nicht hören konnte: »Sire, sagt dem Herzog, daß er Euch zu Liebe aus dem Becher trinke und ihn dann seiner Gemahlin zuschicke, damit auch sie Euch zu Ehren daraus trinke und ihn behalte.« Der König nahm den Becher, trank daraus auf die Gesundheit des Herzogs, reichte ihn alsdann dem Herzog und sprach: »Trinket, Herr Herzog, auf das Wohlsein Eurer Frauen, Dame Yguerne, und sendet ihn ihr dann mir zu Liebe.« – »Ich danke Euch, Sire«, sagte der Herzog, der sich nichts Übles versah, »sie wird ihn mit Freuden annehmen«; rief dann einen seiner Ritter, den er liebte, und übergab ihm den Becher, daß er ihn seiner Gemahlin Yguerne brächte und daß er ihr dabei sage: der König sendete ihr den Becher, und sie solle ihm zu Liebe daraus trinken. Als Dame Yguerne dieses hörte, errötete sie aus Scham, durfte aber den Becher nicht ausschlagen, weil ihr Gemahl ihr daraus zugetrunken. Sie trank also, und als sie ihn zurücksenden wollte, sagte der Herzog: »Dame Yguerne, es ist des Königs Wille, daß Ihr ihn behaltet.« Sie mußte also den Becher behalten. Der Ritter ging zurück und grüßte den König in ihrem Namen, sie aber hatte ihm diesen Gruß nicht aufgetragen. Nach der Mahlzeit sagte der König zu Ulsius: »Gehe zur Dame Yguerne ins Zimmer und höre, was sie spricht.« Ulsius fand sie trauernd und gedankenvoll, und als sie ihn kommen sah, sprach sie: »Euer König hat mir auf eine verräterische Weise seinen Becher gesandt, und ich war gezwungen, ihn anzunehmen; aber dessen wird er keinen Gewinn haben, denn ihm zur Schande will ich dem Herzog meinem Gemahl erzählen, mit welchem Verrat Ihr und Euer König mir zusetzt.« – »Ihr werdet nicht so töricht sein«, sagte Ulsius, »ihm solches zu erzählen.« – »Eines schändlichen Todes sterbe die«, rief Yguerne, »die solches zu tun sich weigere.«
Ulsius ging fort; als aber der Herzog auf den Abend vom König zu seiner Gemahlin zurückkam, fand er sie weinend und in große Betrübnis versenkt. Er erschrak, nahm sie in seine Arme und fragte sie liebevoll, was ihr fehle. »Ich wollte, ich wäre tot«, rief Yguerne weinend. »Warum dies, meine geliebte Gemahlin?« – »Weil der König mir mit Liebe durch Ulsius nachstellen läßt. Alle diese Feste, sagte er, und diese Hofhaltung, zu welcher er die Damen des Landes einladen ließ, wären nur um meinetwillen, damit ich kommen müsse, und er mich in seine Gewalt bekäme. Lieber aber will ich sterben, als Euch untreu werden, mein Gemahl: denn ich liebe Euch, obgleich Ihr mich damit erzürntet, daß Ihr mich zwangt, seinen goldnen Becher anzunehmen. Bis dahin hatte ich mich aller seiner Geschenke erwehrt und nahm nichts an, aber auf Euern Befehl mußte ich nun den Becher annehmen, dies verbittert mir mein Leben. Das kann nicht länger so dauern, es geschieht sicher noch ein Unglück daraus; darum flehe ich Euch an, mein Herr und Gemahl, laßt mich zurück nach Tintayol reisen, denn unmöglich kann ich länger es hier erdulden.«
Der Herzog erschrak, als er seine Gemahlin, die er über alles liebte, so reden hörte, er konnte lange kein Wort vorbringen, vor Zorn und Leidwesen. Nachdem er endlich wieder sich erholt, ließ er alle seine Ritter, welche mit ihm in der Stadt waren, zu sich kommen. Als sie sich bei ihm versammelten, sagte er ihnen, daß sie sich sogleich und in der Stille in Bereitschaft setzen sollten, ihm zu folgen, weil er abreisen wolle; niemand in der Stadt müsse aber etwas davon erfahren: »Laßt Gepäck und Kasten zurück, das können die Diener morgen uns nachführen, nehmt nichts als Eure Waffen und folgt mir still.« Darauf ließ er sein Pferd vorführen, stieg auf, Dame Yguerne setzte sich hinter ihn, und so ritt er mit ihr aus der Stadt nach Tintayol; die Ritter folgten ihm einzeln nach, und so erfuhr denselben Abend der König nichts davon, daß sie fort waren.
XXIII. Wie der König in Zorn geriet, als er von der Abreise des Herzogs von Tintayol erfuhr, und Genugtuung verlangte
.Des andern Morgens war in der ganzen Stadt von nichts anderm die Rede; endlich kam das Gerücht dieser Flucht auch bis zum König. Dieser geriet in den heftigsten Zorn, als er vernahm, daß der Herzog, ohne Urlaub zu nehmen, fortgezogen sei; mehr aber kränkte es ihn noch, daß er die Dame Yguerne mit fortgenommen. Er ließ seine Ratsherren zusammenrufen und stellte ihnen das Unrecht des Herzogs vor, daß er ihn so plötzlich, ohne Ursache und ohne Urlaub zu nehmen, auf eine schimpfliche Weise verlassen habe, da er ihm stets so freundlich war, ihn auch mit schönen Geschenken an Kleinodien so geehrt habe. Die Ratsherren erstaunten über dieses Betragen des Herzogs, es dünkte ihnen ganz töricht zu sein, und gar nicht zu entschuldigen. Sie wußten aber die wahre Ursache nicht von seinem Weggehen; weil nun der König ihm vor allen anderen Ehre und Freundschaft erzeigt habe, so glaubten sie, er könne sein Vergehen um desto weniger wieder gut machen, und es sei ein Verbrechen der beleidigten Majestät.
Sie beschlossen und rieten dem König, daß er zwei Botschafter nach Tintayol senden müsse und dem Herzog durch diese sagen lasse, daß er dem König Genugtuung geben müsse für die Beleidigung, die er ihm zugefügt, indem er ohne des Königs Einwilligung und ohne Urlaub von ihm zu nehmen den Hof verlassen habe. Der König verlange also, daß er eben so wieder an den Hof zurückkehre, wie er ihn verlassen, um des Königs Gnade zu erflehen.
Der König war dieses auch sogleich zufrieden und sandte zwei