noch mit der Außenwelt verbindet, überschwemmt, und wir werden veranlaßt sein, noch vorher unsere geliebten Wohnsitze zu räumen und auszuwandern in eine andere Gegend. Wir sind machtlos gegen unsere Gegner, wir haben nur das aus geheimen Kräutern bereitete rote Salz, das uns als Waffe gegen einen Angriff dient, denn es brennt und frißt wie Feuer auf ihren schleimigen Gliedern und tötet sie, allein trotzdem haben sie schon manchen unserer Genossen, der die Vorsicht nicht bewahrte und dies Mittel nicht mehr anzuwenden vermochte, hinabgezogen und umgebracht.
Dies ist die große Not, in der wir uns befinden, und dies ist der Grund, weshalb wir dich auf so besondere Weise veranlaßt haben, unsere Klagen anzuhören, denn dir ist es gegeben, uns zu retten; du vermagst es, uns den kostbaren Ring wiederzuschaffen, weil du ein Sonntagskind von ganz besonderer Art bist und Dämonenzauber über dich keine Macht hat. Wenn du den Mut hast, unsere Gegner in ihrem eigenen Reiche aufzusuchen, so wollen wir dir Mittel und Wege angeben, wie du es anfangen kannst, ihnen den Handring zu entreißen, der uns Frieden und Glück zurückbringt.«
Johannes dachte an die Erlebnisse auf dem Wege ins Zwergenreich und schauderte zusammen. Er hegte ein tiefes Grauen vor den entsetzlichen Geschöpfen, die er dort im Schlamm gesehen hatte. Als der Zwergenkönig dies bemerkte, lief er von seinem Throne zu Johannes hin, und indem er niederkniete, hob er flehend die Hände zu ihm empor, während alle anderen Zwerge eilig dasselbe taten. Zugleich bat der König so beweglich und schilderte das Unglück seines Volkes in so ergreifender Weise, daß Johannes nicht widerstehen konnte und endlich beschloß, die Tat zu wagen. Als die Zwerge dies vernahmen, leuchteten ihre Gesichter vor Freuden, und nun gingen sie mit ihm in ihren Festsaal, wo ein prächtiges Mahl angerichtet war. Die köstlichsten Gerichte, die Johannes nicht einmal dem Namen nach kannte, wurden aufgetragen, und der Wein, der dazu in Goldpokalen gereicht wurde, schien aus eitel Duft und Glut zu bestehen. Zugleich sah man aus diesem Saal durch eine Wand von Kristallglas in die Küche hinein, wo geschwinde kleine Köche in weißen Mützen und Jacken eifrig mit blinkendem Küchengeschirr hantierten und noch immer neue, schöne Dinge zubereiteten, was alles dem Johannes gar wohl gefiel.
Er blieb die Nacht bei den Zwergen und schlief gar herrlich auf seidenen Kissen. Am anderen Morgen teilte ihm der König den wohlausgedachten Plan mit, den Ring von dem Gegner zu erlangen, und fuhr dann fort: »Eine Gefahr ist für dich nur vorhanden, lieber Johannes, wenn du dich durch teuflische Künste verblenden läßt. Der schlaue Gnomenkönig wird sofort ahnen, was deine Absicht ist, und alles aufbieten, diese zu verhindern. Damit du aber zu erkennen vermagst, was Wahrheit und was Gaukelspiel ist, so nimm dieses Augenglas und bewahre es wohl, denn wenn du hindurchblickst, so wirst du sogleich das Echte vom Falschen zu unterscheiden wissen.« Damit hängte er ihm ein rundes, in Gold gefaßtes Glas um den Hals und sprach weiter: »Ich werde dir jetzt eine Probe geben von der Macht dieses Zauberglases. Betrachte dadurch das Tier, das dir gleich vor Augen treten wird!«
Damit schrumpfte die Gestalt des Zwerges zusammen, und er verwandelte sich in ein weißes Eichhörnchen. Als aber Johannes dieses durch sein Glas betrachtete, sah er deutlich den Zwergenkönig mit dem roten Hütchen vor sich; jedoch wenn er es fortnahm, war wieder das weiße Eichhörnchen da.
Nachdem der König sich in seine eigentliche Gestalt zurückverwandelt hatte, sagte er: »Du hast den Plan, den ich dir vorhin mitteilte, wohl gemerkt und behalten; wenn du mutvoll und unbeirrt meinen Anweisungen Folge leistest, so kann er nicht mißlingen. Das Glück eines harmlosen und friedlichen Volkes liegt in deiner Hand. Nun handle klug und furchtlos, wie du versprochen hast!«
Am anderen Morgen machte sich Johannes in Begleitung eines Zwerges, der ihm als Führer dienen sollte, auf, um sein Abenteuer zu bestehen. Außerhalb des Waldes verwandelte sich sein Begleiter in ein Wiesel und schlüpfte vor ihm her, indem er ihm so den nächsten Weg zum Teufelsmoor anzeigte. Dies war ein unergründlicher Morast, in dem blankes, unheimlich schwarzes Wasser mit weichen Schlammflächen und einzelnen, kleinen Erhöhungen, auf denen Weidengestrüpp und etliche knorrig verkrüppelte Föhren wuchsen, abwechselte. Einzelne Flächen waren mit einer verfilzten, schwimmenden Decke von Graswuchs bedeckt, die wohl imstande war, eine leichte Person zu tragen, jedoch weithin zitterte und Wellen schlug, wenn man sie betrat. Wer jedoch diese trügerische Decke durchbrach und in den weichen, unergründlichen Schlamm geriet, war unrettbar verloren. Die ganze Gegend war einsam und gemieden, und niemand wagte sich gerne an dies verrufene Moor heran. An seinem Rande stand eine ungeheure, hohle, von Alter und Blitzschlag halb zerstörte Weide, die zwischen abgestorbenen, weißgebleichten und zackigen Ästen nur noch ein spärliches Grün zeigte. Durch die Höhlung dieses Baumes ging der Weg in das unterirdische Reich des Königs der Sumpfgnomen. Das Wiesel lief jetzt an Johannes in die Höhe und schwand zu einer Spitzmaus zusammen, als die es sich unter der Weste des Knaben verbarg.
Johannes unterdrückte das Grauen, das ihn befiel, als ihm die feuchte, dumpfe Luft aus der schwarzen Höhlung entgegenhauchte, er befahl seine Seele Gott und stieg mutvoll die Stufen hinab. Bald gelangte er in einen finsteren, modrigen Gang, der nur durch das phosphorische Leuchten verfaulten Holzes ein mattes Licht erhielt.
Endlich kam er an ein Tor, vor dem zwei riesige Kröten wie Hunde an Ketten lagen und sich allsofort aufbliesen und ein bellendes Quaken von sich gaben. Daraufhin öffnete sich das Tor, und einer der abscheulichen, schwarzen Gnomen stierte hervor, wurde aber im Gesicht ganz grün vor Schreck, als er Johannes erblickte. Das Tor ward schnell zugeschlagen, und bald hörte er ein Summen und Gemurmel und seltsames Quäken dahinter, das aber allmählich verstummte.
Dann wurden plötzlich beide Torflügel aufgetan, und ein heller Schimmer leuchtete daraus hervor, während statt des schwarzen Scheusals ein herrlich gekleideter Diener dastand, der mit einer abgrundtiefen Verbeugung Johannes aufforderte, einzutreten. Zugleich bemerkte dieser mit Verwunderung, daß es gar keine Kröten waren, die an den Ketten lagen, sondern kurzbeinige Hunde, die, obgleich ihre Augen ziemlich tückisch blickten, gar freundlich mit den Stummelschwänzen wedelten.
Johannes gelangte durch einen flimmernden und blitzenden Vorraum in einen runden Kuppelsaal, über dessen seltsame Pracht er ganz erstaunt war. Die Wände waren gebildet aus unzähligen Seerosenstengeln, die sich nach oben zusammenwölbten und dort mit ihren Blättern die Decke bildeten. Aber alles dies schimmerte und glänzte wie grünes Gold, und dahinter flimmerte es von buntem Blattwerk und glitzernden Fischen, die in allen Farben köstlicher Edelsteine leuchteten. Diese Wände waren anzuschauen, als blicke man in ein von der Sonne durchschienenes klares Wasser, das mit dem schönsten und seltensten Getier erfüllt war.
Kaum hatte Johannes dies mit Verwunderung beobachtet, als der König der Sumpfgnomen, gar herrlich gekleidet und schön gestaltet, mit einem holdseligen Lächeln, das ihm jedoch gar übel zu seinem tückischen Blick stand, begleitet von einem glänzenden und schimmernden Gefolge, eintrat und alle auf den bereitstehenden Stühlen und Thronsesseln Platz nahmen. Mit besonderer Sorgfalt trugen zwei Diener auf einer prachtvollen Tragbahre den kleinen Sohn des Königs, der kostbar in Purpur und Gold gekleidet war. Dieser Kleine zeigte ein ganz hübsches Gesicht, nur trug er einen bösen, schwarzen Schatten um seine Augen. Nachdem der Kronprinz des Gnomenreiches neben seinem Vater auf einem kleinen Sesselchen Platz genommen hatte, erschallte ein Trompetenstoß, und der König sprach: »Ich weiß sehr wohl, daß du ein Abgesandter aus dem Zwergenwalde bist; sprich, was ist dein Begehr?«
»Ich komme«, sagte Johannes, »um den goldenen Handring zu holen, den du durch List in deinen Besitz gebracht hast.«
Der König Egelborst lächelte sehr freundlich und sprach: »Du hast dich betören lassen, Knabe, durch das Geschwätz der listigen Zwerge. Was weiß ich von dem Ringe, und wozu könnte er mir nützen, der ich kostbare Perlen und Edelsteine genug besitze. Du bist jung und unerfahren und läßt dich gebrauchen zu Dingen, wozu die geizigen Zwerge selbst zu feige sind. Haben sie dir wohl das geringste zum Lohne geboten? Sie sitzen auf ihren Schätzen und trachten gierig, sie zu vermehren, das ist alles. Ich will dir beweisen, daß König Egelborst minder niedrig denkt!«
Dann winkte er, und es traten zwei Pagen herein, die goldene Schüsseln trugen, auf denen die herrlichsten Perlen und Edelgesteine gehäuft lagen.
»Diese kostbaren Schätze will ich dir schenken«, sagte Egelborst. »Da du den Wert dieser Dinge vielleicht nicht kennst, so sage ich dir, daß du dadurch reicher wirst als irgendeiner