warten jetzt, bis es hell wird«, sagte Köhler, der sich nun das Handbuch genommen hatte und darin blätterte. Er verglich die schematischen Darstellungen darin mit dem eher kargen Armaturenbrett der Kapsel. »Wie siehst du das? Dieses Gerät, das uns der anderen Kapsel hinterherrennen lässt, schlägt aus, oder?«
Terzia überprüfte es und nickte. »Absolut. Der Typ ist hier, in dieser Zeit, und wenn ich diese Anzeige richtig verstehe, kann er auch nicht sehr weit von uns entfernt angekommen sein, räumlich wie zeitlich.«
»Bei zeitlich würde ja schon eine Minute reichen«, murmelte Köhler. »Aber das zeigt uns nicht, in welche Richtung und wie weit?«
»Nein, das tut es nicht.«
»Wie lange, bis wir wieder springen können?«
Terzia wies auf eine Anzeige, einen sanft zitternden Pfeil in einer runden Skala.
»Wenn der mit der gleichen Geschwindigkeit klettert, mindestens acht Stunden.«
»Das gilt dann auch für ihn. Das ist also unser Zeitfenster, egal wo wir auftauchen.«
»Das mindeste. Wenn er sich hier mit etwas beschäftigt, eigene Pläne verfolgt, dann auch länger. Ich glaube nicht, dass er ziellos durch die Gegend fliegt. Er will etwas erreichen.«
»Und wenn wir nicht mitbekommen, dass er sich wieder absetzt, weil wir selbst nicht in der Nähe der Kapsel sind …«
Terzia runzelte die Stirn, griff nach dem Handbuch, blätterte darin. Dann zeigte sie mit dem Zeigefinger auf etwas, und ehe Köhler reagieren konnte, beugte sie sich in die Kapsel hinein und zog unter einem Sitz etwas hervor. Es bestand aus Metall: ein längliches Objekt, groß wie ihre Hand, mit zwei Lämpchen darauf, eines mit rotem, eines mit grünem Glas. An der Seite gab es einen kleinen Schalter.
»Das Handbuch sagt …«, begann sie gedehnt und hielt das Gerät ins fahle Licht aus dem Innenraum der Kapsel, »dass dieses Gerät per Funk mit der Kapsel verbunden ist, und wenn diese bemerkt, dass unser Gegner einen Zeitsprung gemacht hat, leuchtet dieses Lämpchen …« Sie schaltete das Gerät ein. Es dauerte einen Moment, dann schimmerte die grüne Anzeige. Kein Zeitsprung, das musste es wohl heißen. »Rot ist unser Zeichen«, sagte Terzia. »Wir sollten dieses Ding hier immer mit uns führen, damit wir wissen, wann die Stunde geschlagen hat.«
Und ohne Köhler auch nur anzubieten, ihr diese Verantwortung abzunehmen, steckte sie das Ding in einen Rucksack, der sich ebenfalls im Inneren der Kapsel befand und wohl der Aufbewahrung ihrer Ausrüstung dienen sollte. Seliger war gut vorbereitet gewesen, es hatte ihm nur noch an Freiwilligen gefehlt. Jetzt war zumindest eine Freiwillige dabei, zusammen mit einem Kandidaten, dessen Enthusiasmus für die Frau groß, für die Mission eher übersichtlich war.
»Schau, die Sonne geht bald auf!«
Köhler drehte sich um und sah, dass Terzia recht hatte. Ein sanfter, kaum wahrnehmbarer Schimmer war am Horizont erkennbar. Sie würden nicht mehr allzu lange in der Dunkelheit verharren müssen. Ohne Zweifel war Terzia bereit, sofort ihre Umwelt zu erkunden. Köhler hatte dagegen nichts einzuwenden, er hielt es aber für wichtiger, erst einmal gewisse Bedürfnisse zu befriedigen. Sie mussten sich um Nahrung kümmern, um Trinkwasser vor allem. All ihre hehren Ziele und Absichten nützten gar nichts, wenn sie vorher verdursteten.
Als die Sonne so weit aufgegangen war, dass sie ihre Umgebung genauer ausmachen konnten, identifizierten sie einen Bach unweit ihres »Landeplatzes« sowie einige etwas verkrüppelt aussehende Bäume. Viel Flora und Fauna gab es nicht, es war eine steppenähnliche Landschaft. Mit aufgehender Sonne wurde es allerdings schnell warm. Sie schöpften Wasser und Köhler begann, eine Angel zu basteln, wobei ihm eine kleine Säge half, die er zusammen mit anderem Werkzeug in einem Kasten in der Kapsel fand.
»Seliger hat wirklich an alles gedacht«, murmelte er, als er im gleichen Kasten auch Angelhaken fand. »Schau mal – ein Fernrohr, eine Waidmesser, eine Lupe und weitere nützliche Dinge. Er wusste, dass Zeitreisende sich selbst versorgen müssen, auf die eine oder andere Art.« In dem Bach waren Fische gut zu erkennen, das Wasser selbst aber war von eisiger Kälte. In Ermangelung anderer Kleidung wollte Köhler darin nicht umherwaten, solange es sich vermeiden ließ.
Er hatte die Angel fast fertig und war bereit, sich auf die Suche nach einem geeigneten Köder zu begeben, als Terzia sich abrupt aufrichtete und in eine Richtung zeigte.
»Ist das Rauch?«
Köhler schaute in die angegebene Richtung. Einige feine Rauchfahnen kletterten in der bewegungslosen Luft nach oben, fast senkrecht, faserten vor dem Hintergrund des blauen Himmels auseinander und verloren sich in der Weite des Firmaments.
»Lagerfeuer?«, fragte Terzia. Köhler griff nach dem Fernrohr, justierte es und schaute hindurch.
»Sieht für mich danach aus. Ich kann auch Zelte erkennen, vielleicht sogar ein Gebäude, vielleicht eine Wegstation. Schau es dir genau an. Es sind auf diese Entfernung keine Details erkennbar, aber die Feuer und die schwarzen Punkte sind in festen Abständen voneinander entfernt. Und da, einige Fahnen sind eine Spur weiter hinten. Ein Lager, und es wird das Frühstück zubereitet.«
Terzia nahm das Glas und kam zu einer ähnlichen Einschätzung. Das Wort Frühstück löste bei ihnen beiden erwartbare Reaktionen aus. Außerdem teilten sie die Neugierde, herausfinden zu wollen, wo sie hier gelandet waren.
»Wie weit ist es von hier entfernt?«, fragte Terzia.
Köhler kniff die Augen zusammen. »Wir sollten definitiv vorher etwas essen. Vielleicht müssen wir wegrennen.«
Die Frau sah ihn stirnrunzelnd an. »Du erwartest immer das Schlimmste.«
»Berufskrankheit. Und in letzter Zeit sind wirklich verdammt viele schlimme Dinge passiert.«
Terzia konnte dagegen nicht viel sagen. Sie stieß einen leisen Seufzer auf, beugte sich am Rande des Bachufers hinab, griff in das Erdreich und zog einen sich träge windenden Wurm daraus hervor.
»Dein Jagdinstinkt ist unübertroffen«, lobte Köhler sie. »Ich geh jetzt angeln.«
Er tat wie angekündigt und er hatte Erfahrung darin. Nicht nur, dass es zum Überlebenstraining eines römischen Marineoffiziers gehörte, es war auch eine beliebte Art, sich auf langen Seereisen die Zeit zu vertreiben. Nicht immer wollte man alles essen, was man fing, und manch panischer Meeresbewohner wurde nach kurzer Inspektion wieder in die Freiheit entlassen. Aber Angeln war gleichermaßen beruhigend wie nährend, zumindest dann, wenn man etwas Zeit mitbrachte.
Hunger hingegen war nicht dazu geeignet, zur Geduld anzuhalten. Köhler musste sich etwas beherrschen, um den Köder den mit nachlässiger Neugierde heranschwimmenden Fischen nicht allzu aufdringlich vor die Augen zu halten. Das klare Wasser half, die Tiere gut zu erkennen. Vielleicht wäre es doch sinnvoller gewesen, sich einen Speer zu schnitzen und im Zweifelsfall kalte und nasse Füße in Kauf zu nehmen.
Von dieser Idee nahm er erst einmal Abstand, umso mehr, als trotz aller Behäbigkeit der erste Fisch anbiss. Das kurze Triumphgefühl unterdrückend und darauf achtend, die Angel nicht zu ruckartig aus dem Wasser zu ziehen, bemühte sich Köhler um professionelle Arbeit. Sein leiser Ausruf, Ausdruck seiner Siegesfreude, blieb aber nicht ungehört. Terzia, die sich zwischenzeitlich um ein Feuer gekümmert hatte, betrachtete das Ergebnis von Köhlers Bemühungen, als es zuckend auf dem Boden landete.
»Etwas klein«, sagte sie. »Zu klein für uns beide.«
»Es kommt nicht auf die Größe an, sondern nur auf die Technik«, wandte er ein.
Terzia verengte ihre Augen zu einem sehr prüfenden Blick. »Das gilt nicht für Fische, mein Bester. Das gilt nicht für Fische.«
Dies war der Zeitpunkt, an dem sich Köhler erneut seiner Tätigkeit widmete. Ob klein oder groß, nach einer guten halben Stunde, in der ihm das Anglerglück hold war, schien das Frühstück vollständig zu sein. Terzia zeigte sich als Expertin im Ausnehmen der Tiere, sodass Köhler sich darauf konzentrieren konnte, in der Vegetation nach weiterem Essbaren zu suchen. Er fand einen Strauch mit Nüssen, die er prüfend