ection>
Franz Rosenzweig (1886–1929) war ein jüdischer Religionsphilosoph und Pädagoge. Durch sein entschiedenes Bekenntnis zum Judesein, durch seine Glaubensphilosophie und seine Werke, durch seine Gründung des Freien Jüdischen Lehrhauses in Frankfurt am Main ist Franz Rosenzweig in mehrfacher Hinsicht zum Vorbild und Lehrer des Judentums in der Diaspora geworden. Sein großes glaubensphilosophisches Werk Der Stern der Erlösung erschien 1921. In der Zeit seiner schweren Lähmungserkrankung konnte er noch seine Übersetzungen der Hymnen und Gedichte des Jehuda Halevi vollenden und seit 1924 gemeinsam mit seinem engsten Freund Martin Buber (1878–1965) die »Verdeutschung der Schrift« (Die fünf Bücher der Weisung, 1925). Buber setzte nach Rosenzweigs Tod die Übersetzungsarbeit fort, bis 1961 die letzten Teile der hebräischen Bibel ins Deutsche übersetzt erscheinen konnten. Kurz vor seinem 43. Geburtstag ist Rosenzweig 1929 in Frankfurt am Main gestorben.
Gesine Palmer arbeitet seit 2007 als freie Autorin, Publizistin, Rednerin und Beraterin selbständig mit dem Büro für besondere Texte. 1996 Promotion zur Dr. phil. in historischer Theologie mit Ein Freispruch für Paulus. John Tolands Theorie des Judenchristentums. 1995–2001 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FU Berlin am Institut Evangelische Theologie mit dem Fachgebiet Religionsgeschichte. 2003–2006 Projektleitung Religion und Normativität an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) Heidelberg. Zahlreiche Publikationen. Weitere Informationen sowie eine Publikationsliste: www.gesine-palmer.de
Franz Rosenzweig
Zweistromland
Kleinere Schriften zur Religion
und Philosophie
Mit einem
Nachwort von
Gesine Palmer
© E-Book-Ausgabe CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH, Hamburg 2021
Neuausgabe © CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH, Hamburg 2021
Erstausgabe: © 2001 Philo Verlagsgesellschaft mbH Berlin / Wien
Alle Rechte vorbehalten.
Coverabbildung: Micha Ullman, „Flooding“, 1999
Umschlaggestaltung: nach Entwürfen von MetaDesign
Signet: Dorothee Wallner nach Caspar Neher »Europa« (1945)
eISBN 978-3-86393-565-8
Auch als gedrucktes Buch erhältlich, ISBN 978-3-86393-102-5
Informationen zu unserem Verlagsprogramm finden Sie im Internet unter
www.europaeische-verlagsanstalt.de
Inhalt
Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus
Hermann Cohens jüdische Schriften
Zeit ists …
Psalm 119, 126
Gedanken über das jüdische Bildungsproblem des Augenblicks
An Hermann Cohen
Hochverehrter Herr Geheimrat,
wenn ich mich mit den folgenden Gedanken und Meinungen schriftlich an Sie wende, so geschieht es, weil die Aussicht, sie Ihnen in näherer Zeit mündlich vorzutragen, gering und ungewiß ist. Zurückhalten mag ich sie nicht länger; das Leben ist kurz und der Augenblick kostbar. In Ihre Hand aber lege ich sie, als in die Hand eines Mannes, den der bislang noch weit überwiegende Teil der deutschen Judenheit, welcher sein Judentum irgendwie im Rahmen der deutschen Volks- und Staatsgemeinschaft auszuwirken gedenkt, als seinen geistigen Führer ehrt. Denn mag diese Ansicht des Judentums bejaht oder verneint werden – zur Erkenntnis dessen, was der Augenblick verlangt, ist sie die allein taugliche Voraussetzung. Nur auf dem „Boden der gegenwärtigen Zustände“ läßt sich machen, was die hier vorgelegten Gedanken eingestandenermaßen machen wollen und sollen: Politik.
Das Problem einer jüdischen Erziehung verengert sich auf dem Boden der, mindestens bisher, herrschenden deutschen Zustände zu dem Problem des jüdischen Religionsunterrichts. Dieses wiederum verengert sich bei der überwiegenden Stadtsässigkeit und der ungewöhnlichen Gesellschaftsschichtung der deutschen Judenheit wesentlich zur Frage nach dem jüdischen Religionsunterricht auf der höheren Schule, dem Gymnasium, Realgymnasium und der Ober-Realschule. In weiten und gerade den einflußreichsten Kreisen haben sich die Dinge so entwickelt, daß die beiden meist nur einige Jahre lang besuchten „Religionsstunden“ neben einigen Predigten zu den hohen Feiertagen die beinahe einzige Quelle für das „jüdische Wissen“ des künftigen Justiz-, Sanitäts-, Kommerzienrates bilden. Die Aufgabe, hier Abhilfe zu schaffen, ist längst erkannt und seit einiger Zeit ernstlich in Angriff genommen. Allerdings, wie mir scheint, nicht im vollen Gefühl ihrer Eigentümlichkeit