Heinrich Mann

Die Vollendung des Königs Henri Quatre


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wäre?“

      „Meine Pute. Ihr verdank ich alle Ehre.“

      „Dein bester Witz. Steh auf als ,Ritter von der Pute‘!“

      Ein Ritterroman

      Der neue Ritter sorgte selbst dafür, daß sein Erlebnis sich herumsprach und dem König beim Volk viel Nutzen brachte. Endlich ein braver Mann wie wir! Nicht stolz, läßt mit sich reden, obwohl ihm als Ketzer die Verdammnis gewiß ist. Ein Ketzer, der König, auch daran würde man sich gewöhnen, sofern Gott es bestimmt. Wird er ihn siegen lassen?

      Der König fragte sich dies gleichfalls. Noch keine seiner Schlachten hat er so umsichtig vorbereitet. Er hebt die Belagerung von Dreux wieder auf, ja, zieht von überall seine Truppen ab, und läßt sich zurückdrängen bis an die Grenze der Provinz Normandie: nicht aber bis hinein. Er hält bei Ivry. Das ist noch Ile de France, das Herzstück, das Paris birgt.

      Der Herzog von Mayenne aus dem Hause Lothringen hatte schon geglaubt, diesmal würde seine Überzahl allein genügen, und den Kampf brauchte es nicht. Der spanische General Farnese, Herzog von Parma, mußte ihm auf Befehl Don Philipps die Blüte seiner Armee überlassen, sechstausend Musketiere, zwölfhundert wallonische Lanzen; im ganzen befehligte Mayenne fünfundzwanzigtausend Mann. Was will dagegen ein König ohne Land, dessen Heer nicht ein Drittel so stark ist, und ihm gegenüber stehen Regimenter Spaniens! Das sind die nie besiegten Waffen der Weltmacht. Aber der König hält bei Ivry.

      Es war der zwölfte März des Jahres 1590. Diesen Tag und die Nacht verbrachte Henri ganz anders als sonst die Stunden vor einem Kampf. Er ritt nicht von einer seiner Truppen zur anderen, um Mut zu verbreiten, man sah ihn nicht selbst mit Hand anlegen bei den Verschanzungen. Es gab keine, wurden auch keine gegraben. Weites Land, ein kleiner Fluß, jenseits die Übermacht, und hier ein Mann, der seinen Plan macht.

      Er lag am Boden und zeichnete. Seine Marschälle Biron und d’Aumont erkannten ihn nicht wieder, indessen war er besessen von dem Gedanken an Parma. Der berühmte Feldherr kam nicht selbst, so wichtig schien ihm die Sache nicht — diese noch nicht; aber nachher wird Don Philipp ihn hersenden als den letzten Retter. ,Das gebe Gott. Herr! Dich rufen wir.‘

      Henri betete auch. Sooft er von seinen Plänen aufstand, vertauschte er den Ehrgeiz, ein Stratege zu sein, mit der Inbrunst vor dem höchsten Ratschluß. Er betete mit seinen Truppen, hatte zwar denen von der anderen Religion freigestellt, in ihren Kirchen das Sakrament zu empfangen, und viele gingen dahin, die Kirchen der Umgegend waren voll. Die meisten Soldaten, ihres Glaubens ungeachtet, wollten den König das Gebet sprechen hören — und das tat er in der Mitte eines weiten Kreises von Truppen, führte das Gesicht über sie hin und hob es dann gegen die fliegenden Wolken, als brächte er Dem, der in der Höhe thronte, alles dar, was hier das Menschenherz bewegt. Es war aber das Menschenherz sein eigenes und erschütterte seine Brust. Davon trug seine Stimme weiter als jemals vorher. Dann wieder versagte sie vor großer Bewegtheit oder wurde entführt vom Wind. Seine Hugenotten der vorderen Reihen knieten, hielten die verwitterten Köpfe gesenkt, und fiel die Träne, sie ließen sie fallen.

      Nach diesem himmlischen Umgang war Henri besonders fröhlich und gab allen von seiner Zuversicht. Die wurde auch anerkannt von dem hohen Umgang über der Wolke: fortwährend kamen Hugenotten weit hergeritten, um die Schlacht gewinnen zu helfen. In der Nacht regnete es, was nur für den Feind von Nachteil war: die Königlichen lagen in den Dörfern. Am Morgen stellte der König sie nach seinen Plänen auf; Mayenne, der von drüben zusah, verfolgte mit Staunen, wie alles pünktlich ging. Erst der dreizehnte, Mayenne will die Schlacht so schnell nicht liefern. Der Kampfhahn drüben soll vom Warten die Fassung verlieren; Husarenstreiche, damit verdirbt er die teure Zeit; holt einen Schweizer Obersten unter einem Apfelbaum hervor und fängt ein paar Landsknechte. Deswegen muß der Kampfhahn doch am Abend die kunstvolle Ordnung seines Heeres auseinandernehmen, war ganz umsonst getan.

      Der vierzehnte. Geduldig stellt Henri alles wieder auf: die Reiterei des Marschalls d’Aumont, die des Herzogs von Montpensier, im Zentrum seine eigene, daneben Baron Biron, Sohn des alten Marschalls — und jede berittene Truppe sorgfältig gesichert durch Fußvolk, französische Regimenter, Schweizer Regimenter, sogar Landsknechte von jenseits des Rheins. Macht alles zusammen immer nur sechs- oder siebentausend Mann zu Fuß, zweitausendfünfhundert zu Pferd. Eng formiert wie sie stehen, hält der Feind sie von fern für noch weniger. Der Feind zieht seine Linie im Gegenteil recht lang, um seine Übermacht hervorzukehren. So groß diese war, sie hat inzwischen abgenommen. Erstens, weil der König fortwährend Zulauf bekommt, der neue Ritter von der Pute und tausend seinesgleichen, die um des Vertrauens willen kommen, und ihr Gewissen führt sie her. Auf der anderen Seite aber sind der Liga letzthin viele entlaufen — nicht allein wegen des Regens und anderen Ungemachs, auch aus nackter Furcht. Sie haben erfahren, unbekannt woher, daß der König den Sieg haben wird.

      Er selbst blieb bei der Vernunft und hoffte nur, mit ihr werde auch Gott sein. Zwischen neun und zehn war seine Schlachtordnung instand wie gestern, nur etwas gedreht mit Rücksicht auf Wind und Sonne und den Rauch der Arkebusen. Henri erging sich ganz in der himmlischen Fröhlichkeit wie immer vor seinen Schlachten, wenn das Gebet getan ist und nur der Kampf bleibt. Daran erkannte allerdings jeder den Sieg. Ein Dichter unter seinen Offizieren, Du Bartas, acht Jahre älter als Henri von Navarra, sein Gefährte seit der Jugend durch viele Höhen und Tiefen, die Bartholomäusnacht, die lange Gefangenschaft im Louvre, die Kämpfe, die Siege, der Aufstieg zum Thron, das Schwanken des Kriegsglückes — Du Bartas, ein langer Mensch mit verdüstertem Gesicht, der mehr vom Tod als vom Leben hielt und je länger, um so weniger vom Leben, um so mehr vom Tod: er sah damals Henri. Erblickte ihn noch einmal mit voller Liebe und so starker Zuversicht, wie einst in ihrer Jugend, als sie in einem engen Haufen, Pferd an Pferd, durch das Land ritten. Hugenotten, in ihren beschwingten Geistern war dies Land das heilige, sie hielten sich bereit, daß an der nächsten Wegbiegung Herr Jesus leiblich zu ihnen stieße, sie hätten ihn angerufen: Sire! Sie wären ihm nachgefolgt und hätten für ihn gesiegt. So stand es zuletzt nochmals für Du Bartas, als er den König erblickte bei Ivry.

      Henri blieb stehen, weil dieser Blick ihn festhielt. „So sollen wir denn wieder für die Religion kämpfen“, sagte er. „Du warst immer in Sorge, Du Bartas, wegen der Verblendung und Bosheit der Menschen. Wird unser Sieg und Königreich sie vielleicht belehren?“

      „Vielleicht“, sagte diese Brust voll Vorgefühl. „Ich hoffe es. Die wenigstens, die berufen sind, den Sieg in Gottes Auge zu sehen. Sire! Sie müssen mich entlassen.“

      „Nein“, bestimmte Henri und senkte den Ton. „Das wär ein Stück Leben, die alten Freunde, die Zeit der glücklichen Dunkelheit. Ich will’s nicht missen und verlieren. Bleibt bei mir, was würde sonst aus mir. Du Bartas, früher schickte ich dich insgeheim an die Höfe. Wie hab ich deine Reisen bezahlt?“

      „Einmal hundertfünfzig Taler, einmal fünfundachtzig.“

      „Das nächste Mal wirst du Gouverneur einer großen Stadt.“

      „Das alles war“, sagte Du Bartas. „Herr! Heute diene ich noch Ihnen, morgen schon einem Größeren. Hab auch das Lied gemacht, das Sie singen sollen, zum Dank für Ihren Sieg.“ Er gab es hin. „Und ist nicht meines, sondern Ihres, gedacht und erfunden von Ihnen selbst. Das sollen Sie laut sagen, damit in Ihrem Ruhm ein Rest von mir auf Erden fortlebt.“

      Hier wurden sie unterbrochen, was Henri nicht ungern sah. Allerdings war es der Schweizer Oberst Tisch, und kam wegen des Soldes für seine Leute. So kurz vor der Schlacht war der rechte Augenblick. Der König hatte es ihm sofort angesehen und brach in Zorn aus — machte sogar mehr daraus, als er wirklich fühlte, damit Tisch das Geld vergäße über diesen großen Zorn. Der Schweizer bekam auch einen dunkelroten Kopf und hielt den Mund gepreßt, sonst hätte er auf die starken Worte des Königs erwidern müssen. Zuletzt sah Henri ihm nach, wie er abging in seinen großen Stiefeln, und dachte, daß es für die Schweizer zu spät wäre, ihn zu verlassen. Sie mußten nun kämpfen, und um so besser, je mehr die Beute ihre ganze Hoffnung war, daß sie zu ihrem Gelde kämen.

      Unerläßlich aber ist wenigstens der Entschluß zu kämpfen. Die anderen Schweizer drüben beim Feind, die